Das Treffen der „außergewöhnlichen Bierliebhaber“
KommproBier
Langenargen
DEU

Monatelang versucht man, mal ein schönes Treffen zu planen, und immer wieder kommt etwas dazwischen. Meistens die Pandemie. Ein Beispiel gefällig?

Bitte sehr:

„Wollen wir gemeinsam nach Hamburg fahren, zum Senatsbockanstich?“ Aber natürlich! Alles wurde geplant, Hotels gebucht, Fahrkarten gekauft, allein: Der Senatsbockanstich wurde abgesagt. Also alles wieder stornieren.

Und so ging es den ganzen Winter.

Dann, ganz plötzlich: „Ich bin am Sonnabend in Langenargen, bei KommproBier. Bier kaufen. Habt Ihr Lust auf ein spontanes Treffen?“, heißt es von meinem lieben Freund, dem Biersommelier Frank Di Marco aus der Nähe von Stuttgart. „Dann laden wir Dominik Ahmidou-Fendt aus Dornbirn auch ein!“

Ach, ausgerechnet dieser Sonnabend? Ich ärgere mich – ein berufliches Wochenendseminar. Klappt es etwa schon wieder nicht? Doch diesmal hat die Pandemie ihre guten Seiten: Wegen hoher Inzidenzzahlen entschließt sich der Arbeitgeber, das Seminar um zwei Monate zu verschieben!

In Windeseile ist das Hotel gebucht. Uli und Helmut Heine vom KommproBier stellen in Aussicht, das „Privat! Finger weg!“-Regal plündern zu dürfen, und „was zu essen gibt’s auch!“

das berühmte „Privat! Finger weg!“-Regal im KommproBier

Tüpfelchen auf dem „i“: Selbst Martin Seidl, der Bierbrauer aus Dietraching, und Karl Zuser jun, der Bierversteher und Besitzer des wohl besten Bierkellers westlich des Urals aus Ried im Innkreis, haben Zeit und stoßen auch noch dazu. Frank und ich bringen unsere holden Ehefrauen mit, und so sitzen wir am frühen Abend zu neunt im urgemütlichen Wohnzimmer des KommproBier.

Keine lange Planung, sondern ganz spontan, in wenigen Tagen organisiert: Nur ein paar Telefonate und Textnachrichten waren nötig, und wir finden tatsächlich erstmals nach zwei Jahren in dieser Runde wieder zusammen, einer Runde, die Martin stolz die „Runde der außergewöhnlichen Bierliebhaber“ nennt.

Er, Martin, hat einen Rucksack voller Bierspezialitäten mitgebracht. Selbstgebraute Raritäten zumeist, aber auch – voller väterlichen Stolzes – „ein Bier, das mein Sohn gebraut hat, der arbeitet nämlich beim Schnaitl in der Brauerei“. Auch Karl hat sich nicht lumpen lassen, etwas ganz besonders Feines mitzubringen, und wie von Zauberhand tauchen plötzlich auch leckere Wurst-, Käse- und Brotspezialitäten aus unseren Rucksäcken. Im Nu biegt sich der Tisch, und es beginnt ein wunderbares Festmahl aus mitgebrachten und von Uli vor Ort zubereiteten Leckereien, begleitet von so vielen spannenden Bieren, dass es schwer ist, den Überblick zu wahren.

Und so können meine bruchstückhaften Verkostungsnotizen auch nur einen Ausschnitt dessen wiedergeben, was wir heute alles genossen haben.

Tagebuch

Brauerei Göller zur Alten Freyung – Stout (5,5%)

Den Auftakt macht ein ganz „normales“ Bier, ein Stout der Brauerei Göller aus Zeil am Main. Noch hat niemand von uns den Spezialitätenrucksack geöffnet; das Bier dient gewissermaßen als Einlaufbier und stammt aus einem der regulären Regale des KommproBier.

Schön dunkelbraun ist es, hat eine intensive, aber nicht brenzlige Röstigkeit, bleibt dabei aber leicht und gut durchtrinkbar, nicht so mächtig und intensiv wie ein Guinness, sondern spielerischer und leichter. Eine schöne Interpretation dieses Stils.

Der erste Durst ist gestillt, die ersten Leckereien kommen auf den Tisch. Vorarlberger Käsespezialitäten, Wurst aus dem Strohgäu und Nussbrot aus dem Oberallgäu. Dazu zaubert Martin eine Flasche Schwarze Tinte aus dem Rucksack. „Die ist noch vom allerersten Sud. Das Original, aus dem Jahr 2017.“

Martin zaubert eine Flasche aus seinem Rucksack

Er schenkt uns allen ein paar Schlucke ein und erzählt, wie er damals neidisch meinen Blogbeitrag von meinem Besuch im Tölzer Mühlfeldbräu gelesen habe. „Ich hab das Bier mit der Kirsten Rhein zusammen gebraut, und dann kommt der Volker, besucht die Kirsten und probiert das Bier frisch aus dem Lagertank! Ich hatte noch keine Ahnung, wie das schmeckt, ob es gelungen ist oder nicht, und dann lese ich, dass der das schon getrunken hat. Da war ich ja schon echt neidisch“, grantelt Martin ein bisschen vor sich, grinst dann aber breit: „Wenn ich’s einem gönne, dann aber dem Volker!“

Dietrachinger Privatbrauerei – Schwarze Tinte (6,2%)

Das Bier hat viele seiner feinen Aromen über die Jahre bewahrt. Leicht röstig, aber auch fein hopfenaromatisch. Eine dezente Säure hat sich seit damals entwickelt, aber eine, die vorzüglich zu diesem Bier passt und den komplexen Charakter betont. Die Röstgerste hat Martin seinerzeit selbst hergestellt, die restlichen Malz- und Hopfenkomponenten sorgfältig zusammengestellt, und es war ein großer Wurf geworden. Die Schwarze Tinte hat seitdem einen Namen in der Bierwelt!

Dietrachinger Privatbrauerei / Hopfenkopf Bräu – Saure Tinte [6 Monate im Moscatel Holzfass gereift] [2018] (6,2%)

Kaum haben wir die Original Schwarze Tinte ausgetrunken, kommt Martin schon mit der nächsten Flasche. „Eine verrückte Geschichte“, erzählt er. Ein Azubi habe die Fässer nicht richtig ausgewaschen, da wären einige Flaschen sauer geworden, und gebeichtet habe er seinen Fehler zunächst auch nicht. Also seien zwischen all den „normalen“ Bieren immer auch einzelne saure dabei gewesen, und als die Uli vom KommproBier sich bei ihm, also dem Martin, deswegen gemeldet habe, da habe er alle ausgelieferten Flaschen wieder zurückgeholt, habe den Azubi beauftragt, die nun alle wieder zurück ins die Holzfässer zu gießen, und dann sei der gesamte schon abgefüllte Sud im Fass neu ausgebaut worden. Das Resultat aus dem Ungeschick des jungen Helfers sei immerhin eine ganz tolle Bierspezialität geworden. Und die betreffenden Fässer, die habe er, also der Martin, verwahrt, um zukünftig immer wieder auf die darin enthaltene Mikroflora zurückgreifen zu können.

Wir lassen es ploppen und genießen ein leicht gesäuertes, sehr weiches und ganz dezent weiniges Bier, das mit der Original Schwarzen Tinte, von der es abstammt, aromatisch gar nicht mehr so viel zu tun hat, sondern uns ganz andere Aromendimensionen erschließt.

„Eins habe ich noch“, posaunt Martin in die Runde. „Mach langsam, wir haben die Saure Tinte doch noch gar nicht auf“, tönt es zurück. Aber Martin lässt sich nicht beirren, und schon steht ein zweites Probierglas vor jedem von uns. „Das ist jetzt die im Rumfass gereifte Tinte.“

Dietrachinger Privatbrauerei / Hopfenkopf Bräu – Schwarze Tinte [6 Monate im Barbados Rum Holzfass gereift] (7,1%)

Herrliche Rumaromen, die ganz fein in den röstigen Charakter der Schwarzen Tinte eingebunden sind, gefallen uns allen ganz außerordentlich. Für einen Moment wird es still am Platz; selbst die größten Schreihälse sind einen Augenblick lang mit purem Genuss beschäftigt.

Martin nutzt die Pause, um ein weiteres Bier aus seinem Rucksack zu fischen. Meine Güte, was hat der Kerl alles dabei? Aber gut, so ein Urvieh wie er hat natürlich auch keine Probleme, einen Rucksack mit was-weiß-ich-wie-vielen Bierflaschen zu schleppen.

Es ist das oben schon erwähnte Bier der Brauerei Schnaitl, das Martins Sohn gebraut hat. Ein Maibock.

Schnaitl – Maibock [2019] (6,9%)

Aber was heißt schon Maibock? Für den norddeutschen ist es ein recht schlankes, starkes, kräftig gehopftes helles Bockbier – so, wie der Maibock aus Einbeck. Aber es gibt keine wirklich bindende Stildefinition, und das Bier, das nun vor uns steht, ist erstens obergärig, zweitens sehr fruchtig und drittens überhaupt nicht hopfig. Dafür aber ist es, viertens, ganz vorzüglich! In Komplexität seiner estrig-fruchtigen Aromen mit einem guten belgischen Bier vergleichbar, in der Durchtrinkbarkeit diesen aber überlegen. Ein vielschichtiges helles Bier, das verzückt und uns eher an einen Weizenbock als an einen Maibock denken lässt.

„Hat Dein Junior ganz hervorragend gemacht“, lautet denn auch das einhellige Urteil.

Aus der Privatbrauerei Vitzthum in Uttendorf stammt das nächste Bier aus Martins Rucksack, der offensichtlich immer noch nicht leer ist. Der Vicedominator. Ein dunkelbraunes und gehaltvolles Bier.

Uttendorf – Vicedominator (6,0%)

Aber, oh, je, woran liegt es? Meine Online-Aufzeichnungen sagen in der Rückschau, dass mir dieses Bier vorzüglich geschmeckt hat – immerhin vier Sterne. Aber wie denn genau? Irgendwie bin ich bei diesem Bier abgelenkt. Kräftig malzig und recht süß ist es, vollmundig und rund, und es hat einen Hauch von Rauch, bei dem ich mir nicht sicher bin, ob ich ihn mir einbilde. Aber sonst? Hm, vergessen … Schade eigentlich.

Aber bevor ich anfangen kann, mich zu grämen, kommt bereits das nächste Bier auf den Tisch, und zwar die Aecht Schlenkerla Eiche aus Bamberg.

Unsere Gastgeberin Uli hat es aus ihren weitläufigen Kühlraumregalen herbeigezaubert. Früher schrieb sich dieses Bier – wie auch alle anderen der Heller-Brauerei Trum – mit einer Ligatur am Anfang, also Æcht Schlenkerla. Aber wer lernt heute noch in der Schule, was Ligaturen sind, und so häuften sich die Fälle, dass Gäste und Kunden gar nicht mehr lesen konnten, was auf dem Etikett steht. So wurde aus dem Æ ein AE, und erneut ging ein kleines Stückchen Tradition verloren.

Schlenkerla – Aecht Schlenkerla Eiche [2021] (8,0%)

Tradition hin, Tradition her – das Bier ist aber ausgezeichnet. Gebraut mit einer ordentlichen Portion Rauchmalz, das aber im Gegensatz zu den anderen Rauchbieren dieser Brauerei nicht über Buchen- sondern über Eichenholz geräuchert wird und dadurch einen weicheren, runderen Geschmack bekommt. Eingebraut als Doppelbock mit kräftigen 8,0% Alkohol, dunkelbraun, mächtig und stark, ist es ein hervorragendes Genussbier. In winzigen Schlückchen genießen wir und erfreuen uns an des Bieres Komplexität. Süße Malzaromen, deftiger, aber dennoch samtiger Rauch – das hat was!

„Und jetzt das gleiche Bier, aber sieben Jahre älter“, lässt sich Uli vernehmen und verschwindet im Kühlraum.

Augenblicke später ist sie wieder da, und wir schnuppern neugierig an den Gläsern. Etwas heller scheint uns die Farbe zu sein, Schaum bildet sich kaum noch aus, und hinter den unverändert wunderbaren Raucharomen der Eiche identifizieren wir ein paar honigartige Akzente. Typische, aber nicht negative Alterungsaromen des Biers. Nicht mehr ganz so komplex wirkt es, aber dennoch ein sehr schöner Genuss. In Würde gealtert, möcht‘ ich mal sagen.

Schlenkerla – Aecht Schlenkerla Eiche [2014] (8,0%)

Frank freut sich. Er hat für den 4. Februar ein Online-Bierseminar vorbereitet, in dem eben die Aecht Schlenkerla Eiche in verschiedenen Jahrgängen parallel verkostet werden soll. Wenn das 2014er noch so gut ist, dann werden die Jahrgänge dazwischen bestimmt auch vorzüglich sein. Mit großen Erwartungen schauen wir also nach vorn auf den 4. Februar!

Beer-and-Food-Pairing auf höchstem Niveau

Passend zu den Rauchbieren haben die Damen mittlerweile in der Küche gezaubert: Es gibt einen Salat mit geräucherten Bodenseefelchen und dem herrlichen Duchesse du Bourgogne Bier als Dressing. Perfekte Harmonie. Beer-and-Food-Pairing auf höchstem Niveau!

„Ich hätte da noch was ganz Besonderes, das Ihr bestimmt noch nicht kennt“, setzt Uli den Verkostungsreigen anschließend fort. „Ein Bier, das eigentlich nur für Händler und Freunde der Brauerei gebraut wurde und gar nicht in den richtigen Handel gekommen ist.“ Es ist ein Winterbier der Nürnberger Brauerei orca brau von Felix vom Endt. Ein wintergewürz ale namens hooray for today.

orca brau – hooray for today – wintergewürz ale (6,2%)

Aus meiner persönlichen Sicht das erste etwas unausgewogene Bier für heute. Nicht schlecht, aber die Gewürze, mit denen Felix es eingebraut hat, werden zu stark von Gewürznelken dominiert – etwas, das mir an vielen Kürbis- und Winterbieren auffällt. Spannende Gewürzmischungen werden den Bieren hinzugefügt. Ob Zimt oder Sternanis, Vanille oder Muskat – so viele wunderbare Aromen, und am Ende kommt häufig die eine Gewürznelke zu viel in den Bottich und überdeckt die Feinheiten der anderen Zutaten. So auch hier. Im Hintergrund spüren wir, dass da noch so viel drin ist, dass es noch viele Aromen in allen möglichen Dimensionen zu entdecken gäbe. Aber die Nelke legt sich mir auf die Zunge und macht sich breit. „Du sollst keine anderen Gewürze haben neben mir“, oder so ähnlich steht es schon im Alten Testament …

Trotzdem aber ein schönes Bier für den Winter!

Um das nächste Bier ranken sich allerlei Gerüchte. Martin und Karl haben den dunklen Kneitinger Bock aus Regensburg mitgebracht. Ein volles, rundes Bier, das in Liebhaberkreisen über den grünen Klee gelobt wird – und das auch verdientermaßen! Malzig, kräftig, nicht zu mastig, mit einer feinen Herbe, die dieses Bier überraschend durchtrinkbar macht.

Kneitinger – Bock (6,5%)

Aber mir fällt auf: Irgendwie weist es einen gewissen Alterungsgeschmack auf. Oder, positiver, denn diese Aromakomponente gefällt mir sehr gut: Eine gewisse Reife.

„Ja, und genau darum geht es“, sagt Karl. „Man erzählt von diesem Bier, dass es nicht jedes Jahr gebraut werde, sondern ein ums andere Jahr. In den Jahren dazwischen würde das sorgfältig gelagerte Bier vom Vorjahr ausgeschenkt und verkauft.“ Bestätigt habe dieses Gerücht noch niemand, aber die, die häufiger in Regensburg sind, würden den Unterschied durchaus bemerken, und ich habe ja auch die Reifekomponenten gleich nach dem ersten Schluck identifiziert.

Nun, wir werden das Rätsel heute nicht lösen können, aber vielleicht auch gar nicht lösen wollen. Denn egal, ob frisch oder schon ein Jahr alt: Dieses Bier ist ganz vorzüglich!

„Achtung, festhalten, jetzt wird’s ernst!“ heißt es nun.

Auf den Tisch kommt ein Fläschchen, kaum größer als mein kleiner Finger. Ein Rekordbier, nämlich der 57%ige Schorschbock aus dem Hause Schorschbräu. Einzeln durchnummeriert – vor mir steht die Flasche #379.

Schorschbräu – Schorschbock 57% [2020] (57,0%)

Gebraut vor zwei Jahren. Ach, was heißt gebraut? Erst gebraut, und dann eingefroren. Tiefgekühlt, extrahiert, wieder eingefroren, wieder extrahiert, und zwar so lange, bis von einem riesigen Sud nur noch eine winzige Menge Bier übriggeblieben war, diese aber in einer Alkoholstärke, die ihresgleichen sucht. Georg Tscheuschner stellt dieses Bier streng nach dem sogenannten „Reinheitsgebot“ her, denn das Ausfrieren zum Aufkonzentrieren des Alkohols ist als Eisbockherstellung geduldet. Auch wenn beim Bayerischen Brauerbund und den Behörden sich niemand hat träumen lassen, dass jemand wie der Tscheuschner Schorsch diesen Prozess bis in extremis treiben würde.

Schade, dass Schorsch heute keine Zeit hat und nicht dabei sein kann, er hätte bestimmt viele Details über die Herstellung berichten können. So bleibt uns nur, in Gedanken mit ihm anzustoßen.

Das Bier riecht kräftig alkoholisch, hopfig herb und malzig zugleich, wobei die Schärfe des Alkohols natürlich dominiert. Mit 57% liegt dieses Bier oberhalb der handelsüblichen Wodkas, Obstler und Doppelkorne, und dementsprechend verhält es sich auch beim Schluck. Ein ordentliches alkoholisches Brennen im Mund, dabei aber frei von Spritigkeit oder Lösungsmitteleffekten. Die kräftige Hopfenherbe hinterlässt einen würzigen Effekt, wenn der Alkohol abgeklungen ist und im Magen wohlige Wärme verbreitet. Ein Extrembier, aber dennoch hervorragend genießbar!

Während wir ein bisschen über den seit über zehn Jahren andauernden Wettstreit zwischen Schorschbräu und der schottischen Brauerei BrewDog um das stärkste Bier der Welt sinnieren, kommt Uli mit einer anderen Flasche.

Die Flasche ist in simples Packpapier gewickelt und mit „41% alc“ beschriftet. „Das war seinerzeit das Gegenstück von BrewDog, als man sich noch rund um die Vierzigprozentgrenze kabbelte“, heißt es. „Der erste Versuch stammt aus dem Jahr 2010“, werfe ich ein. „Das Sink the Bismarck habe ich seinerzeit auf der Biermeile in Berlin getrunken!“

BrewDog – Sink the Bismarck (41,0%)

Aber geschmacklich enttäuscht es uns ein wenig. Wir identifizieren Kräuteraromen, Lakritze und einen sojasoßenartigen Umami-Eindruck. „Wie ein billiger Kräuterlikör“, heißt es. Es ist nicht untrinkbar, aber die 57% beim Schorschbräu waren wesentlich besser umgesetzt als die 41% bei BrewDog.

Wir müssen jetzt aber mal von den Extrembieren wieder in normale Sphären zurückkommen, sonst ist der Abend gleich ganz vorbei. Da sind wir uns einig.

Wir machen also mit einem verhältnismäßig gemäßigten Bier weiter, mit „nur“ 8,5%. Das Fuller’s Vintage Ale ist eigentlich ein Garant für fünf Sterne. Voll und rund, unfassbar komplex in seinen Malz- und harzigen Hopfenaromen, und dabei unglaublich weich – das sind die Merkmale, die dieses Bier aufweist.

Fuller’s – Vintage Ale [2014] (8,5%)

Auch jetzt, nach über sieben Jahren, gehört das Bier noch zur absoluten Spitze der Braukunst, aber wir merken auch, dass es mittlerweile seinen Höhepunkt überschritten hat und bald getrunken werden sollte. Dezente Alterungsaromen scheinen im Hintergrund schon auf, etwas Honig, etwas Madeira. Angenehme Geschmäcker, die aber die Harmonie ein wenig aus dem Gleichgewicht bringen und sich nicht noch stärker entwickeln sollten. Jedoch: Immer noch ein herrliches Bier.

Zu den nächsten Bieren bringt Uli aber erstmal etwas Deftiges auf den Tisch: Leberkäs mit Teigtaschen gefüllt. Ein ganz besonderes Rezept. Bayerische und schwäbische Regionalität traut in einem Schmortopf vereint. Und eine solide Grundlage für die folgenden weiteren Biere – wir trauen uns also erneut an Stärkeres heran.

Mit dem Schorsch-Weizen stoßen wir erneut in Gedanken an den Schorsch an, der ja nun heute eingeladen war aber leider nicht kommen konnte. Ein dunkles Bier, das aufgrund seiner Stärke nur wenig Schaum produziert und das schon seit vielen, vielen Jahren in der dekorativen Steingutflasche angeboten wird. Eine wunderbar fruchtige Aromatik, die viele Noten von dunklen Kirschen aufweist.

Schorschbräu – Schorsch Weizen (13,0%)

Alkoholische Wärme ist zu spüren, weinige Akzente registrieren wir, und irgendwie erinnert mich dieses Bier geschmacklich an den Kirsberry Kirschlikör, den ich in meiner Jugend immer an Bord der Eisenbahnfähre zwischen Puttgarden und Rødby getrunken habe.

Uff, das ist schon über 40 Jahre her …

Uli möchte mit Alkoholgehalt und Exklusivität noch einen drauflegen und serviert uns eine kleine Flasche, die im Karton angeboten wird.

Nøgne Ø / Mikkeller – Horizon Tokyo Black (16,0%)

Es ist ein Collab zwischen der norwegischen Brauerei Nøgne Ø und der dänischen Bierideenschmiede Mikkeller. Ordentliche und fordernde 16,0% Alkohol hat das Bier und läuft ins Glas wie Motoröl. Zähflüssig, tiefschwarz, kein Schaum. Aber so eindrucksvoll das Bier auch aussieht – geschmacklich bleibt es eher Mittelmaß. Eine leichte Sojasoßennote trübt den Gesamteindruck. Vielleicht sind wir aber auch nach so vielen fantastischen Bieren ein wenig verwöhnt und zu anspruchsvoll.

Brav trinken wir unsere Pröbchen aus, aber niemand kniet sich vor dem Glas nieder oder huldigt den Brauern auf irgendeine Art und Weise.

Das wird allerdings mit dem nächsten – und dann für heute aber auch letzten – Bier anders.

Karl hat aus seinem weltberühmten Bierkeller seines Hotels eine Spezialität mitgebracht, nach der sich Bier-Aficionados weltweit die Finger lecken würden. Fast zehn Jahre ist die große Flasche alt und enthält einen in der Brauerei Schloss Eggenberg gebrauten Bock Samichlaus. Der allein wäre nach zehn Jahren schon ein unendlicher Genuss, aber dieser hier ist zusätzlich in Holzfässern gereift, die vorher mit Chardonnay belegt waren, so dass er noch ganz besondere Aromen mitbringt.

Schloss Eggenberg – Samichlaus Classic aged in used Chardonnay Barrels [2012] (14,0%)

Geruch, Geschmack, Textur, Abgang – alles an diesem Bier ist unendlich komplex und vielschichtig. Die gewaltige Malzsüße bildet ein Fundament, auf dem weinige, fruchtige Noten Tänze aufführen, die nicht enden wollen. Genießerisch rollen wir das Bier tröpfchenweise über die Zunge, und natürlich kommt sofort wieder die Frage nach meinem Bewertungsschema auf:

Von (*) bis (*****) geht meine Skala, und die Frage lautet, ob ich denn bei diesem Bier nicht ausnahmsweise mal (******) vergeben sollte. Aber ach!, das würde doch der Bewertungsinflation freien Lauf lassen. Wenn die sechs Sterne erstmal vergeben worden sind, dann werden sie das ruckzuck auch ein zweites oder ein drittes Mal. Und dann immer öfter, so lange, bis die Frage aufkommt, ob nicht auch mal (*******) angemessen wären …

Nein, selbst für dieses göttliche Bier bleibt es bei einer Fünf-Sterne-Bewertung. Hart an der Oberkante und fast schon nicht mehr steigerbar. Ein furioses Finale, für das Karl hier sorgt.

die Augenlider fallen zu

Die Augenlider fallen zu. Auch die Zunge wird langsam schwer – zu viele wunderbare Aromen hatte sie identifizieren müssen. Es ist Zeit, den herrlichen Verkostungsabend zu beenden.

Gruppenfoto vor der Flaschenwand

Ein Gruppenfoto vor der Flaschenwand muss natürlich noch sein, da gibt es gar keine Diskussion, aber dann wenden wir uns zum Gehen. Den Kopf voller wunderbarer Eindrücke, Nase und Zunge noch belegt von komplexen Aromen und feinsten Geschmäckern spazieren wir durch die eisige Luft zurück zum Hotel.

Zu neunt waren wir – pandemiekonform geimpft und getestet. Alle haben wir zu diesem tollen Treffen beigetragen, aber der größte Dank geht natürlich an Uli und Helmut Heine von KommproBier, die das Ganze kurzfristig organisiert haben und morgen früh vor einem gewaltigen Chaos stehen werden. Hunderte von gebrauchten Gläsern, Berge von schmutzigen Tellern, leere Flaschen und Dosen überall. Habt vielen lieben Dank für Euren Einsatz und die viele Arbeit, die ihr Euch gemacht habt. Das war eine Bierverkostung auf allerhöchstem Niveau!

Bilder

Das Treffen der „außergewöhnlichen Bierliebhaber“
KommproBier
Mühlstraße 28
88 085 Langenargen
Baden-Württemberg
Deutschland

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