Verkostungspaket
Doctah Cerveza

Kurz vor der Abreise noch angekommen.

Die Koffer sind gepackt, es geht für viele Wochen in meine Pendlerwohnung nach Szczecin. Quasi Sekunden vor dem Aufbruch klingelt noch der Paketbote und bringt ein Verkostungspaket von Doctah Cerveza Brewing, der Hausbrauerei des Herrn Jens W.

„Oh, wie schön“, denke ich einerseits. Und andererseits: „Mist, ausgerechnet jetzt!“

sieben hausgebraute Bierspezialitäten

Eine kurze Info per Messenger an Jens, dass das Paket angekommen ist, die Verkostung aber frühestens an Ostern beginnen kann, und ein entschiedener Schubs mit dem Fuß, der das Paket in die Waschküche befördert. Da ist es kühl und dunkel, da können die Biere die nächsten vier Wochen gut auf mich warten, ohne zu verderben.

Tja, so ist das manchmal. Da passen die Zeitlinien einfach nicht zusammen.

Zeitsprung!

Jetzt ist es soweit, ab jetzt wird verkostet! Und ich kann mich neben den Aromen auch an den für ein Hausbräu sehr originell gestalteten Etiketten und den wortspielerischen Biernamen ergötzen.

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Verkostungsnotizen

Brudis from another Muddi – Lemberger Saison; Smoking Banana – Rauchweizenbock Dunkel; Ram in the Woods – Dunkler Bock – gestopft mit Kirschholz; Pump Kin Pao – Asiatic Pumpkin Ale

Brudis from another Muddi – Lemberger Saison (5,5%)

Das Bier ist kräftig und leuchtend rot, leicht und gleichmäßig getrübt und leider etwas überspundet. Eine viel zu üppige Schaumdecke baut sich auf, und da der Schaum sehr stabil ist, dauert es ewig, bis das Glas eingeschenkt ist.

Der Geruch ist leicht erdig, erinnert fast ein wenig an Rote Bete, hat aber auch ein paar fruchtig-blumige Akzente. Vielleicht Hibiskus?

Der Antrunk ist spritzig (was jetzt keine Überraschung ist), weist eine feine Säure auf, und auf der Zunge entwickelt das Bier ein schönes Wechselspiel zwischen dezenter Säure, einem Hauch Restsüße und einer feinen Bittere. Alles wird durch die erneut spürbaren, leicht erdigen Aromen ergänzt.

Nach dem Schluck kommen zu den erdigen, kräftigen Aromen noch ein paar feine Phenole hinzu – und zwar nicht die Art, die das Bier medizinisch schmecken lassen, sondern die, die dem Bier einen kernigen, etwas rauen und ungestümen Charakter verleihen. Auch eine feine, dezente alkoholische Wärme ist im Hals zu spüren – was angesichts eines angegebenen Alkoholgehalts von gerade einmal 5,5% etwas überrascht.

Smoking Banana – Rauchweizenbock Dunkel (6,0%)

Dunkel? Fast schwarz ist dieser Rauchweizenbock. Oder zumindest gaaanz dunkelbraun. Kräftig trüb ist er auch, und es bildet sich eine schöne, reichliche, aber nicht übertriebene Schaumkrone, die beigefarben und feinporig über dem Bier thront, bis sie nach einigen Minuten zusammenfällt.

Der Duft ist phenolisch-rauchig und nicht allzu dominant. Prägnant, aber er lässt noch ein wenig Raum für Aromen von überreifer Banane. Der Name des Biers passt also schon mal.

Der Antrunk ist zunächst sehr dunkelweizentypisch – runde und volle Malzaromen, etwas Banane, eine feine Röstigkeit. Kaum auf der Zunge, entfalten sich aber die Raucharomen, und zwar deutlich intensiver und direkter als noch im Duft. Im Nu füllt sich der Mund-Rachen-Raum mit deftigen, phasenweise fast etwas fettig-kohligen Raucharomen. Hinzu kommt eine leichte Bittere, die einen ganz schwachen ins Angebrannte gehenden Charakter aufweist, dabei aber nicht unangenehm wirkt.

Die Bananenaromen sind in dieser Phase fast nicht mehr zu spüren; es ist wohl eher die Erinnerung, die ich sensorisch mit rübergerettet habe.

Nach dem Schluck spüre ich für einen kurzen Moment eine Art Kohle-Geschmack – eine kohlige Bittere, die mich an zerkaute Aktivkohletabletten erinnert. Aber nur für einen Moment, und auch nicht allzu intensiv. Stattdessen ein dezent fettiges Raucharoma und nun auch wieder etwas überreife Banane. Und eine feine alkoholische Wärme im Hals.

Ram in the Woods – Dunkler Bock – gestopft mit Kirschholz (6,6%)

Das Bier hat eine tiefdunkelbraune Farbe und ist kräftig trüb, so dass es ein bisschen kremig ausschaut. Der beigefarbene Schaum hält ein Weilchen und gefällt mit seiner Feinporigkeit.

Der Duft wird von Dunkelmalzaromen dominiert – ein bisschen kräuterig, ein bisschen an Blockmalz erinnernd. So, wie es sich für einen dunklen Bock gehört.

Der Antrunk ist malzig süß und holzig-adstringierend gleichzeitig. Sehr interessant. Auf der Zunge bleibt die Malzsüße durchaus prägnant, wird aber trotzdem von einer holzigen, adstringierenden Bittere getoppt. Ein paar Aromen von überreifen Pflaumen spüre ich, ebenso ein bisschen Vanille, etwas geröstetes Holz.

Nach dem Schluck hinterlässt das Bier raue Schleimhäute im Mund- und Rachenraum. Sie paaren sich mit einer kernigen, leicht brenzligen Bittere, die jetzt an geröstete Kakaobohnen zu erinnern beginnt.

Sehr robust, das alles. Kein Bier für den großen Schluck, und auch kein Bier für Menschen, die eher die dezenten sensorischen Erfahrungen bevorzugen. Die Boomer-Generation würde sagen „Ein Bier für echte Männer“.

Pump Kin Pao – Asiatic Pumpkin Ale (5,0%)

Das Bier ist hellbraun und nur leicht trüb. Aber was ihm an Trübung fehlt, macht es durch üppigen und lange haltbaren Schaum wieder wett, so dass es ewig dauert, bis das Glas ganz eingeschenkt ist.

Der Duft ist vordergründig etwas erdig-fruchtig, aber im Hintergrund verbergen sich noch ein paar mehr interessante Akzente: Ein feiner Hauch zitroniger Frische, wie von Melisse. Ein Tupfer Gewürznelke. Eine Note, die etwas an Bambus erinnert, aber nicht dessen komplex-erdige Tiefe erreicht.

Der Antrunk ist spritzig und frisch. Mit dem Auftreffen des Biers auf die Schleimhäute im Mund ist die Spritzigkeit schlagartig vorbei; stattdessen bildet sich ein pelziges, leicht adstringierendes Gefühl aus. Ist das Bier oxidiert, oder enthält es (vom Kürbis oder wovon auch immer) viele Gerbstoffe? Die raue Bitterkeit, die insbesondere an den Zungenrändern sehr deutlich wird, könnte aus beiden Gründen so präsent sein.

Der Schluck präsentiert dann retronasal dezente Kürbisaromen (aha, endlich!), und die pelzige Rauheit breitet sich bis in den tiefen Rachen aus.

Billy Blonka – Blueberry Tonka IPA; Fun in the Snow – Pastry White Stout; Robohop – New England IPA

Billy Blonka – Blueberry Tonka IPA (4,9%)

Wow, die Blaubeeren machen einen gewaltigen Eindruck. Auf alle Fälle dominieren sie Farbe und Duft. Kräftig violett steht das trübe Bier im Glas, und darüber wölbt sich eine üppige, allerdings sehr großblasige, rosafarbene Schaumschicht.

Schon beim Einschenken rieche ich gewaltige Blaubeer-Aromen. Später dann, wenn der Schaum sich gesetzt hat, kommen leicht säuerliche und ein paar erdige Akzente hinzu. Ich glaube, ein bisschen Leder zu riechen, aber nicht im Sinne von Brettanomyces, sondern frisches Leder, das noch nicht durchgeschwitzt worden ist, und ganz im Hintergrund auch die leicht muffigen Aromen der Tonka-Bohne. Wobei ich ehrlich sagen muss: Fruchtig-säuerlich-süße Blaubeere und erdig-dumpfe Tonka-Bohne, das geht nicht gut zusammen.

Der Antrunk ist säuerlich, auf der Zunge ist der erste Eindruck ebenfalls säuerlich. Dann kommt aber eine kräftige erdige Note hinzu und leider auch etwas Buttersäure. Die kann ja in geringen Konzentrationen ein Bier schon killen. Was sie hier leider auch tut.

Nein, das harmoniert leider alles nicht. Sehr schade. Wäre originell gewesen.

Nachtrag: Ob da künstliche Aromen mit im Spiel waren? Rund eine Stunde nach meiner Verkostung steht das Glas mit einem kleinen Restschluck in der Küche an der Spüle, und die ganze Küche ist mit intensivem Blaubeerduft gefüllt. Das ist doch nicht normal?

Fun in the Snow – Pastry White Stout

Leider ist auf dem etwas feucht gewordenen Etikett der Alkoholgehalt nicht lesbar.

Das Bier ist leuchtend gelb und nur ganz leicht trüb; man muss schon genau hinsehen oder das Glas gegen das Licht halten, um das leichte Opalisieren zu erkennen. Der üppige Schaum ist schneeweiß, recht großblasig und trotzdem sehr lange haltbar.

Der Duft ist irgendwie estrig und fruchtig, ohne dass ich das einer bestimmten Richtung zuordnen könnte. Eine leichte Schärfe (Ingwer?) ist auch zu spüren – aber alles wirkt recht künstlich.

Der Antrunk ist sehr spritzig und bizzelig, ein bisschen scharf, und auf der Zunge schäumt das Bier erstmal kräftig auf. Es bilden sich erneut die estrigen und fruchtigen, etwas künstlich wirkenden Aromen aus. Phasenweise erinnern sie an Brausepulver von vor fünfzig Jahren, als eigentlich alles in unserer Kindheitswelt knallbunt und total künstlich aussah, roch und schmeckte.

Einen Malz- oder Hopfencharakter kann ich kaum identifizieren – vielleicht ist ein Teil der zuckrig wirkenden Restsüße dem Malz zuzuordnen. Bittere kommt aber auf der Zunge fast gar nicht, im Rachen nach dem Schluck nur ganz leicht zu Tage.

Ein merkwürdiges Bier, aus dem ich nicht schlau werde.

Robohop – New England IPA

Das Bier hat eine rotgoldene Farbe, ist nach monatelanger, ruhiger Lagerung im Kühlschrank fast ganz klar (New England???) und trägt eine üppige, feste Schaumdecke, die sich sehr lange hält.

Der Duft ist fruchtig, präsentiert ein paar Noten von reifen, roten Äpfeln und dahinter eine leicht erdige Note (so, als hätten die roten Äpfel schon ein paar braune Stellen).

Der Antrunk ist sehr sprudelig und bizzelig, Auf der Zunge ist das Bier weich und malzig, wirkt eher wie ein heller, bayerischer Bock, und lässt sowohl eine kräftige Hopfenbittere wie auch die typischen New-England-IPA-Aromen vermissen. Stattdessen leicht spritige Noten, die sich nach dem Schluck auch in einer gewissen alkoholischen Wärme im Hals fortsetzen.

Jetzt muss ich natürlich zugeben, dass das Bier Monate in meinem Kühlschrank gestanden hat, weil ich nie zuhause war, um es zu verkosten. Vielleicht ist es einfach nur überaltert. Aber … auf eine merkwürdige Weise.

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