Sylt, Belgien und noch was …
Drei Biere von der Insel Sylt? Tolle Sache, freiwillig fahre ich da nämlich nicht hin!
Fünf Trappistenbiere? Immer wieder schön!
Und ein ganz „normales“ Bier, damit der Karton voll wird.
neun interessante Biere
Der liebe Herr R. aus Hannover hat sich wieder ganz, ganz viel Mühe gegeben, mir in unserem Pendelkarton eine spannende Bierauswahl zuzusenden. Ich bin ja mal gespannt, wie viele Umläufe der Karton noch schafft, ehe er aus den Fugen gerät. Er ist schon ein wenig angeschlagen, aber angesichts einiger tausend Kilometer mit stets wechselnder Fracht ist das nur verständlich.
Bevor aber der nächste Belastbarkeitstest startet, machen wir uns doch erstmal an die Verkostung.
Oder?
Verkostungsnotizen
Celler Bier – Bock; Sylter GenussMacherei – Watt’n Pale Ale; Sylter GenussMacherei – Watt Blondes
Celler Bier – Bock (6,9%)
„… und ein ganz ‚normales‘ Bier, damit der Karton voll wird“, habe ich eben geschrieben. Jetzt aber habe ich die Flasche dieses vermeintlich normalen Biers in der Hand und lese: „Bock“
Oh. So kann man sich irren, wenn man nur oberflächlich auf’s Etikett schaut.
Der Bock hat eine schöne, mittelbraune Farbe, ist dezent und gleichmäßig trüb und trägt eine beigefarbene Schaumkrone, die sich als sehr haltbar erweist.
Der Duft ist zunächst sehr zurückhaltend; bis auf einen leicht mineralischen Charakter rieche ich das jetzt erstmal nichts. Auch nach einer Weile und leichtem Aufwärmen des Biers kommt da auch nicht allzu viel, höchstens ein leichter Hauch Kakao, ein winziges Häuchchen Brotkruste.
Der Antrunk ist rund und weich, aber nicht zu vollmundig. Auf der Zunge wird der angenehme Malzcharakter deutlich, gleichzeitig macht sich aber auch eine schöne, kräftige Hopfung bemerkbar. Ein eher kerniger Vertreter der Bockzunft – nicht so was Malzig-Süßes, wie es in Süddeutschland so beliebt ist. Man merkt, dass Celle schon recht weit im Norden liegt!
Nach dem Schluck kommen retronasal ein paar angenehme Malznoten hervor – ein zurückhaltend brotiger Akzent, ein bisschen Kakao. Dazu ein Hauch klassischen Hopfenaromas – Kräuter und Heu. Aber nur ein Hauch.
Macht sich gut, und angesichts des zurückhaltenden Malzkörpers und der kräftigen Hopfung ist das Bier deutlich durchtrinkbarer, als ich es von einem eher dunklen Bock erwartet hätte.
Sylter GenussMacherei – Watt’n Pale Ale (4,9%)
Bier von der Schnösel-Insel? Naja, warum nicht. Wenn’s schmeckt.
Das Bier ist dunkelgelb, dezent trüb und trägt einen üppigen, schönen und schneeweißen, vielleicht einen Hauch zu großblasigen, aber lange haltbaren Schaum.
Der Duft ist sehr dezent – nur ein paar Heunoten und ein Hauch von Tropenfrüchten.
Dem sehr spritzigen und leicht pfeffrig-scharfen Antrunk folgt erstmal recht viel Schaum im Mund. Dabei aber auch viel bizzelnde Frische. Nur eine ganz leichte Malzsüße ist zu spüren, darüber eine angenehme, ziemlich intensive Hopfenherbe, ein leicht mineralischer Charakter und retronasal, nach dem Schluck noch intensiver werdend, erneut ein leichtes Heuaroma mit feinen Fruchtakzenten.
Ein angenehmes, vielleicht etwas überspundetes Bier, das ich aber niemals als Pale Ale eingestuft hätte, sondern eher als hopfengestopftes Pilsner. Die Schlankheit, die Hopfenbittere, die Spritzigkeit – all das finde ich auch bei einem Pils. Und ob die leichten Fruchtaromen nun vom Hopfenstopfen oder von der Obergärung kommen, das hätte ich bei einer Blindverkostung nur erraten können.
Sylter GenussMacherei – Watt Blondes (4,9%)
Das Bier ist goldgelb und fast klar. Nur gegen das Licht sehe ich ein leichtes Opalisieren. Der Schaum entwickelt sich allzu üppig, beinahe wäre er übergelaufen. Er ist auch recht großblasig, und unter lautem Zischeln und Bizzeln fällt er langsam wieder in sich zusammen. Die Kohlensäure ist da anscheinend nicht so schön eingebunden.
Der Duft ist sehr zurückhaltend – eine feine, an Keksteig erinnernde Malznote, und das war’s auch schon. Was bei einem Hellen nicht schlecht sein muss – immerhin noch besser als so’n Münchner Schwefelstinkerle …
Beim sehr spritzigen, bizzeligen Antrunk zeigt sich noch mal die zu hohe Spundung, auf der Zunge ist es dann aber so weit in Ordnung. Ein weicher, malziger Körper, ein leicht mineralischer, fast schon salzig wirkender Charakter (erinnert ein bisschen an Goslarer Gose) und eine zurückhaltende, aber spürbare Hopfenherbe harmonieren gut miteinander. Retronasal passiert nicht viel, nur die dezenten Keksteig-Malznoten sind noch einmal da.
Nach dem Schluck wird der mineralische, salzige Charakter deutlicher – ich finde das angenehm, weil es sofort Lust auf den nächsten Schluck macht und trotz der hohen Spundung für gute Durchtrinkbarkeit sorgt.
Sylter GenussMacherei – Watt Dunkles; Trappistes Rochefort – 10; Trappistes Rochefort – Triple Extra
Sylter GenussMacherei – Watt Dunkles (5,7%)
„Watt Stärkeres“ hätte auch auf dem Etikett stehen können, denn das Dunkle aus der GenussMacherei ist ein bisschen alkoholstärker als das Blonde und das Pale Ale.
Es hat eine schöne, dunkle Kupferfarbe, ist nur leicht trüb und trägt einen beigefarbenen, kremigen und lange haltbaren Schaum.
Der Duft ist intensiv malzig und erinnert an frische Brotkruste mit einem Hauch Karamell im Hintergrund.
Der Antrunk ist kernig und robust. Auf der Zunge macht sich parallel zum malzigen Charakter sofort eine deutlich spürbare Bittere breit, die verhindert, dass das brotige Malz zu sättigend wirkt. Gleichzeitig spüre ich auch wieder den mineralischen Charakter, der die Biere der GenussMacherei anscheinend alle auszeichnet. Retronasal ist die Brotkruste sehr dominant, wirkt aber etwas angebrannt – so, als habe der Bäcker sein Roggenbrot ein wenig zu lange im Ofen gelassen, bis es schon ganz schwarz ist.
Nach dem Schluck wird dieser leicht angebrannte Charakter noch etwas deutlicher und paart sich mit der Bittere zu einer sehr robusten Kernigkeit, die dieses Bier bestimmt zu einem guten Begleiter für einen deftigen und krossen Schweinebraten macht. Oder für einen scharf angebratenen Burger mit dicken Speckstreifen.
Trappistes Rochefort – 10 (11,3%)
Ein Kultbier. Ohne Zweifel. Aber schmeckt es auch so?
Im Glas hat es eine dunkelbraune Farbe und ist recht trüb. Der deutlich beigefarbene Schaum entwickelt sich üppig und hält für ein so alkoholstarkes Bier erstaunlich lang.
Kräftige Pflaumen- und Rumtopfaromen prägen den Duft, dahinter finden sich aber noch viel mehr Akzente von dunklen Früchten. Eine mehrdimensionale Komplexität, die man so nur selten findet.
Der Antrunk ist weich und mollig. Auf der Zunge gibt sich das Bier voll und rund mit einer unglaublichen Komplexität von estrigen, fruchtigen retronasalen Aromen und einem ausgeprägt süßlichen Körper. Je länger man es im Mund hin und her rollt, um so komplexer werden die Aromen. Je wärmer es wird, um so intensiver …
Auch nach dem Schluck begeistert das Bier. Lange noch dampfen die Aromen aus, und ganz sachte breitet sich im Rachen und in der Speiseröhre eine angenehme, wohlige alkoholische Wärme aus.
Trappistes Rochefort – Triple Extra (8,1%)
Das Bier hat die Farbe einer unreifen Orange – hellorange – und ist schön gleichmäßig trüb. Der Schaum entwickelt sich üppig und lässt sich beim Einschenken schön auftürmen. Er ist gelblichweiß, kremig und ewig haltbar.
Der Duft ist hopfig und geht in eine kräuterige, würzige Richtung mit feinen Kümmelaromen.
Der Antrunk ist spritzig und knochentrocken. Auch der erste Eindruck auf der Zunge ist … trocken. Restsüße? Fehlanzeige. Fruchtige Aromen wie in anderen Triples? Fehlanzeige. Stattdessen wieder die kümmelartigen, trockenen Gewürzaromen mit feinen Kräuterakzenten. Und eine deftige, aber samtweiche Bittere.
Orangenschalen und Gewürze sollen in dem Bier verbraut worden sein. Die Gewürze glaube ich sofort, die Orangenschale suche ich eigentlich vergeblich. Vielleicht sind nur die weißen Zesten mit reingekommen?
Der Schluck und der Abgang nach dem Schluck bleiben so knochentrocken wie der Antrunk und der Eindruck auf der Zunge. Aber die Schleimhäute im Rachen werden nicht pelzig – die Trockenheit ist samtig-weich verpackt. Ganz feine phenolische Noten (nicht in Apotheken-Richtung, sondern in Gewürz-Richtung) zeigen sich noch, und dann klingt das Bier sachte und gleichmäßig, aber ohne sonderliche Eile ab.
Trappistes Rochefort – 8; Chimay Pères Trappistes – Sterk Blond – Chimay 150; Westmalle – Trappist Extra [2021 – 2 Jahre alt]
Trappistes Rochefort – 8 (9,2%)
Das Bier hat eine mittelbraune Farbe, eine kräftige und gleichmäßige Trübung und trägt einen beigefarbenen, kremigen und sehr lange haltbaren Schaum.
Der Duft ist geprägt von Kakaonoten im Vordergrund und feinen Aromen von dunklen Früchten im Hintergrund.
Der Antrunk ist erstaunlich frisch und wirkt fast schon ein bisschen pfeffrig scharf an der Zungespitze.
Auf der Zunge bleibt eine gewisse Kohlensäurefrische erhalten und paart sich mit intensiven Kakaopulver- und Schokoladennoten; die Fruchtaromen aus dem Duft verschwinden und tauchen auch retronasal nicht mehr auf. Stattdessen wird das Aroma bitterschokoladiger. Dazu passt auch die an den Zungenrändern zu spürende Herbe recht gut.
Nach dem Schluck spüre ich erneut die Kakaoaromen, gleichzeitig merke ich, wie sich eine leicht viskose Schicht auf den Schleimhäuten bildet und sich eine dezente alkoholische Wärme im Hals breitmacht, die einen zwar schwachen, aber doch spürbar spritigen Charakter aufweist.
Chimay Pères Trappistes – Sterk Blond – Chimay 150 (10,0%)
Im Jahr 2012 ist dieses Bier das erste Mal gebraut worden – seinerzeit unter der Bezeichnung Spéciale Cent Cinquante 1862-2012. Ob das als einmalige Sache geplant war oder von vornherein schon das Angebot erweitern sollte, weiß ich nicht. Was ich aber weiß, ist, dass ich dieses Bier nach elf Jahren zum ersten Mal wieder in den Händen halte.
Es ist dunkelgelb, quasi schon orange, gleichmäßig trüb und trägt einen sehr kremigen, altweißen Schaum, der sehr lange hält und feine Trinkränder im Glas hinterlässt.
Der Duft ist fein ausbalanciert zwischen dezent phenolisch und leicht estrig-fruchtig.
Der Antrunk ist pfeffrig, und auf der Zunge erweist sich das Bier als würzig-phenolisch und durchaus kräftig bitter. Die estrigen Fruchtnoten treten jetzt deutlich zurück, tummeln sich nur noch retronasal ganz im Hintergrund.
Nach dem Schluck wird das Bier regelrecht hopfig und kernig, und jetzt beginne ich auch, den Alkohol zu spüren: Eine angenehme und recht deutliche alkoholische Wärme macht sich in Rachen und Hals bemerkbar.
Westmalle – Trappist Extra [2021 – 2 Jahre alt] (4,8%)
Das Bier hat eine dunkelgelbe Farbe, ist kräftig, aber gleichmäßig trüb und trägt eine kremige Schaumschicht, die sehr lange hält.
Der Duft ist … äh … Moment mal, da muss ich genauer hinriechen. Was für ein Duft?
Schnupper, schnupper, ach, ja, da: Ganz verhuscht spüre ich ein paar estrig-fruchtige Noten und einen phenolischen Hauch im Hintergrund!
Erst nach einigen, geradezu bangen Minuten wird es besser, soll heißen, intensiver. Nun kommen die phenolischen Noten etwas stärker hervor und es entwickelt sich auch ein würziges, heuartiges Hopfenaroma.
Der Antrunk ist frisch, aber nicht zu spritzig, und auf der Zunge gibt sich das Bier schlank und dezent. Zwar zeigt es ein bisschen einen hefigen Charakter, dieser bleibt aber zurückhaltend und nicht nur schlank, sondern irgendwie fast schon etwas dünn. Aber nur fast. Da spielt vermutlich eine Menge Unterbewusstsein mit hinein, das bei Trappistenbieren immer schwere Alkoholbomben assoziiert und sich nun mit lediglich 4,8% Alkohol unterfordert sieht …
Nach dem Abgang entwickelt das Bier eine feine Herbe, einen dezent phenolischen Charakter, und schlussendlich wirkt es wie ein Witbier, dem man den Koriandersamen vorenthalten hat.
Be the first to comment