Es geht nichts über gute Kollegen am Arbeitsplatz!
Jetzt war der liebe Herr G. ein paar Wochen später schon wieder auf den Masuren. Und nicht nur das: Weil ihm das Kilometerfressen auf polnischen Landstraßen offensichtlich so viel Spaß macht, hat er dann auch gleich noch einen Abstecher in den äußersten Süden, bis nach Bielsko-Biała gemacht.
Aus beiden Regionen hat er mir Bier mitgebracht – das aus dem Süden sogar extra in einer Kühltasche verpackt und mit reichlich Kühlakkus für die Reise versorgt. „Das müssen Sie jetzt aber schnell trinken – am besten noch heute“, grinst er mich an. „Kriegen Sie doch hin, oder?“
Na, das wollen wir mal versuchen. Die beiden Flaschen aus der Browar Miejski in Bielsko-Biała sind per Hand in Bügelverschlussflaschen gefüllt. Die müssen wir auf alle Fälle rasch trinken – die anderen, die aus der Mazurski Browar aus Ełk, die können ruhig noch ein paar Tage stehen. Aber auch nicht zu lange.
Es gibt also wieder reichlich interessante …
Verkostungsnotizen
Browar Miejski Bielsko-Biała – Bielitzer American Pale Ale & Red Ale
Browar Miejski Bielsko-Biała – Bielitzer American Pale Ale (4,8%)
Das Bier bleibt beim Öffnen der Flasche stumm. Kein Zischen, kein Plopp, kein gar nichts. Nicht einmal das leiseste Pfff! Oh je. Ist das ein schlechtes Zeichen? Beim Einschenken bildet sich trotzdem eine dünne Schaumschicht, die das rotgoldene, fast klar wirkende Bier ziert.
Der Duft ist kernig hopfig. Harzige und herb-fruchtige Aromen schießen in die Nasenlöcher und tummeln sich dort selbstbewusst, fast schon rücksichtslos.
Der Antrunk ist weich (da merkt man die fehlende Spundung), aber nicht schal. Auf der Zunge macht sich sofort eine knackige Hopfenbittere breit und lässt ihre Muskeln spielen. „Hey, Baby, Du bist doch kein Weichei, oder?“, signalisiert der Hopfen und wirft mit breitem Grinsen eine kräftige Prise IBUs um sich. Die harzigen und herb-fruchtigen Aromen sind schon noch da und machen sich retronasal bemerkbar, aber die Bittere stiehlt ihnen die Schau.
So bleibt es auch nach dem Schluck: Die Bittere dominiert. Aber: Sie gibt sich nicht kratzig oder widerborstig. Sie ballt die Faust und schlägt zu, aber ohne Schlagring oder Hufeisen im Handschuh. Es bleibt bei einer überlegenen, aber fairen Machtdemonstration.
Kein Bier für Weicheier. Aber auch kein Bier, das nur die absoluten Machos und Masochisten mögen.
Browar Miejski Bielsko-Biała – Red Ale (4,8%)
Das Bier hat eine rotbraune Farbe, ziemlich dunkel, und es ist fast klar. Beim Öffnen hat es ein bisschen gezischt, dafür hat sich dann aber so gut wie kein Schaum entwickelt.
Der Duft ist leicht säuerlich und hat im Hintergrund ein paar brotige Malznoten.
Der Antrunk ist ebenfalls leicht säuerlich, auf der Zunge breitet sich die leichte Säure dann aus und überdeckt die im Hintergrund ganz leicht spürbaren Malznoten (an Brotkruste erinnernd) fast völlig.
Nach dem Schluck wird die Säure noch präsenter.
Obwohl das Bier vorgestern erst in die Flasche gefüllt worden ist und während des Transports durchgehend gekühlt war, ist es leider schon umgekippt. Schade.
Mazurski Browar – Waćpan – Piwo w Stylu Grodziskie & Polish Session IPA
Mazurski Browar – Waćpan – Piwo w Stylu Grodziskie (3,7%)
Das Bier hat eine dunkelgelbe Farbe, ist nur ganz leicht trüb und entwickelt nicht allzuviel, schneeweißen Schaum.
Der Duft weist eine deutliche, aber nicht unangenehme Rauchnote auf, die frei ist von verschwelten oder kratzigen Aromen. Ein feiner, sauberer Rauch.
Der Antrunk ist frischer und spritziger, als es die schwache Schaumentwicklung erwarten lässt. Auf der Zunge ist das Bier frisch, allerdings auch sehr schlank, fast schon dünn wirkend. Das deutliche Raucharoma, das auch retronasal sehr präsent ist, verhindert aber einen wässrigen Eindruck. Im Gegensatz zu vielen anderen Bieren im Grodziskie-Stil bildet sich bei diesem Bier heute auch keine leicht schleimige, pelzige Schicht auf den Schleimhäuten, die mir diesen Bierstil leider schon oft vergällt hat.
Es bleibt frisch und gut trinkbar.
Mazurski Browar – Polish Session IPA (3,5%)
Polish Session IPA? 3,5% Alkohol? Ich drehe die Flasche skeptisch in der Hand und schaue auf das Etikett. Mit zwei neuen polnischen Hopfensorten ist es gekocht und gestopft: Amore Preta und Książęcy. Letzterer wird sich auf dem internationalen Bier- und Hopfenmarkt nie durchsetzen, weil kein Mensch weiß, wie das ausgesprochen wird. Nicht mal ich, der ich nun schon insgesamt rund acht Jahre in Polen gelebt habe und die Sprache eigentlich fließend spreche. Von Ausnahmen abgesehen … Und dieses hier ist so eine Ausnahme. Herzoglich oder fürstlich heißt das, aber wem hilft’s, wenn man sich dabei die Zunge verstaucht …
Das Bier ist strohgelb und fast ganz klar. Es trägt einen schönen, altweißen und fest wirkenden Schaum, der lange hält (was unter anderem auch daran liegt, dass er von nicht enden wollenden Kohlensäurebläschenketten genährt wird).
Der Duft ist dezent kräuterig. Leichte Aromen von frisch abgezupften (oder vor mir aus auch abgeschnittenen) Geranienblättern paaren sich mit feinen Liebstöckelnoten. Wenn ich das so hinschreibe, klingt es gruselig, aber „in echt“ gefällt es mir gut.
Der Antrunk ist frisch und spritzig, aber ich merke schon an der fehlenden Viskosität, dass das Bier etwas leichter ist, als üblich. Es wirkt sehr, sehr schlank, quirlig und, naja, wenn es nicht so negativ klänge, auch wässrig.
Auf der Zunge entwickelt es zusätzlich zu den schon errochenen (ohne „b“!) Aromen noch eine schöne Heunote, die sich retronasal durchaus dominant in Szene zu setzen weiß. Gleichzeitig zeigt sich eine feine, dezent adstringierende Bittere – hier hat der Hopfen leichtes Spiel, fehlt diesem Bier doch der ausgleichend wirkende Malzkörper fast völlig.
Auch nach dem Schluck bleibt die Bittere dominant. Und sie bleibt auch leicht adstringierend. Nicht so, dass sich die Zunge gleich pelzig anfühlt, aber doch spürbar.
Trotzdem bleibt das alles sehr durchtrinkbar und erfrischend – ein schönes Bier für einen heißen, ja, geradezu schwülen Sommertag.
Weitere Berichte über den Tauschhandel am Arbeitsplatz sind von hier aus erreichbar.
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