[Blick zurück auf Ende Juli 2024]
Als Faktenchecker unterwegs?
Heute Vormittag habe ich von Tom M. von der Mannheimer Eichbaumbrauerei einen Link zugeschickt bekommen, der zu einer zwar humorig zu lesenden, aber beißenden Kritik am gerade erst neu eröffneten bayerischen Biergarten Augustiner auf Bötzow führte. Mitten in Berlin ist hier auf dem Gelände der zum Ende des Zweiten Weltkriegs geschlossenen Privatbrauerei Bötzow ein Neubauprojekt gestartet. Und mittendrin ein Biergarten der Münchner Augustinerbräu.
Der Autor der schon recht fiesen Rezension, Oliver Weinlein von der Berliner Zeitung, mokiert sich über die Baustellenatmosphäre, vermisst die jahrzehntealten Kastanien, die einen echten Biergarten beschatten, ärgert sich über die zu weißen Kiesel am Boden und regt sich über die an der Speisetheke erhältliche „Bötzow Bowl mit geräuchertem Bio Tofu und Erdnuss-Sauce (vegan)“ auf. Zur Beruhigung ext er eine Mass Bier und trollt sich wieder.
„Ob das wirklich so schlimm ist?“, sinnieren Tom und ich im WhatsApp-Chat, und wie es der Zufall will, bin ich heute Nachmittag in Berlin und kann einen Faktencheck machen.
Die Straßenbahnlinie M8 bringt uns in die Nähe, und schon von weitem sehen wir die große Treppe, die zu dem etwas erhöht liegenden Biergarten hoch führt. Ein großes Tor sagt uns, wo wir sind: Augustiner auf Bötzow. Links und rechts stehen in der Tat noch Bauzäune, und wir beginnen, zu überlegen, ob es nicht wirklich besser gewesen wäre, noch ein halbes Jahr mit der Eröffnung zu warten, bis die Baustellenbereiche neben dem Biergarten fertiggestellt sind.
Andererseits: Dann wäre Winter und die Biergartensaison vorbei. Wäre also eine doofe Zeit für eine Neueröffnung … Es wurde also vor sechzehn Tagen, am 10. Juli 2024, schon eröffnet.
Die Kiesel zu weiß, die Bäume noch zu jung, und alles ist zu sauber … Oder wie?
Oben am Ende der Treppe angekommen, sieht es schon gar nicht mehr so schlimm aus: Bierbänke stehen auf weißem Kies unter blauen Augustiner-Sonnenschirmen. Kleine Bäumchen sind angepflanzt und werden in einigen Jahren sicherlich den gewünschten, beschattenden Effekt liefern. Junge Damen und Herren wuseln zwischen den Tischen herum und sammeln die Bierkrüge ein. Am Ende ist eine große, biergartentypische Selbstbedienungstheke, an der sich die Gäste ihr Bier und ihr Essen holen können.
Habe ich alles in dieser Form auch schon in Bayern gesehen. Auch dort sind die Biergärten nicht schon am vorletzten Tag der Schöpfung entstanden, sondern werden auch heute noch gelegentlich mal neu angelegt.
Wir suchen uns einen Platz, und ich gehe rüber zur Theke. Augustiner gibt’s hier. Na klar. Helles und Dunkles. Und noch Weizen, Alkoholfreies und einige andere Getränke. Grad wie in Bayern.
Ein paar Schritte weiter, an der Kaltspeisentheke: Obatzder, Wurstsalat, Laugenbrezen, Kartoffelsalat. Alles bestens. Natürlich auch, aber eben nur zusätzlich, die „Bötzow Bowl mit geräuchertem Bio Tofu und Erdnuss-Sauce (vegan)“. Wem tut das weh, wenn das zusätzlich zu den klassischen, bayerischen Speisen angeboten wird? Außer dem Rezensenten der Berliner Zeitung niemandem.
Die Heißspeisentheke bietet Weisswürste, Backhendl, Ofenkartoffeln, Currywurst, Gulaschsuppe … Habe ich vorgestern alles in München im Biergarten am Seehaus auch gesehen.
Was ist also Dein Problem, Oliver? Die zu weißen Kiesel? Der an Graffiti, Müll und nach Urin stinkende Ecken gewöhnte Berliner wird vielleicht von dieser Sauberkeit geblendet?
Ach, halt, ich will es doch nicht mit gleicher Münze heimzahlen …
Bleib halt weg, und lass die anderen Gäste im heute bei gutem Wetter voll besetzten Biergarten doch die Atmosphäre genießen. Und hab ein bisschen Geduld: Sowohl die schattenspendenden Bäume als auch die Berliner Patina werden sich schon noch einstellen. In dieser Stadt ist noch nie etwas neu und sauber geblieben.
Augustiner Dunkel
Prost! Ich stoße mit einem würzigen Augustiner Dunkel an. Perfekt gezapft von freundlichem Personal. Esse würzigen Obatzda und eine Breze dazu. Freue mich über den unter den Füßen knirschenden Kies und die lockere Biergartenatmosphäre. Und die bald verschwindenden Bauzäune? Nun, wenn ich meinen Stuhl nur um 45° drehe, sehe ich sie schon nicht mehr.
Ein netter Biergartenbesuch.
Der Biergarten Augustiner auf Bötzow ist täglich von 09:00 bis 22:00 Uhr geöffnet; sonntags ist Ruhetag. Zu erreichen ist er mit der Straßenbahn, Haltestelle Mollstraße / Prenzlauer Allee, von dort aus nur einmal schräg über die Straße. Easy.
Augustiner auf Bötzow
Prenzlauer Allee 247
10 405 Berlin
Berlin
Deutschland
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