Mit vielen bierigen Adressen ist die Doppelstadt Ulm / Neu-Ulm jetzt nicht gerade gesegnet. Punkten andere Städte dieser Größe mit locker einem Dutzend Suchergebnissen bei Onkel Google und einem weiteren halben Dutzend persönlicher Empfehlungen im erweiterten Freundeskreis, dümpelt Ulm immer so bei einer knappen Handvoll insgesamt herum.
Außenansicht
Eine von diesen wenigen Adressen ist die Kronenbrauerei im Ortsteil Söflingen, und die fahren wir heute endlich mal an. Viel zu lange steht der kleine Brauereiausschank schon auf unserer Liste der unerledigten Pläne. Viel Zeit haben wir zwar nicht, aber für eine Einkehr auf ein kleines Mittagessen und ein oder zwei Biere vor Ort muss es heute einfach reichen.
Das Glück ist uns hold, und wir finden einen Parkplatz direkt vor dem Biergarten; Augenblicke später sitzen wir bereits in der prallen Sonne und studieren die Tageskarte. Eher nebenbei markiere ich in den Social Media meinen Aufenthaltsort, dann kommt die Kellnerin, nimmt unsere Bestellung auf, das erste, frisch gezapfte Bier kommt auch schon, und bevor ich ein Foto davon ins Netz hochlade, schaue ich erstaunt auf das Display meines Telefons: Ein Dutzend Kommentare finden sich dort nach wenigen Augenblicken schon: „Oh, Erinnerungen werden wach!“ – „Da war ich fast jeden freien Abend!“ – „Prima, da war ich früher auch immer!“
der Eingang zur Wirtschaft
Warum diese Begeisterung? Der Groschen fällt rasch: Nur eine Viertelstunde Fußweg trennt die Kronenbrauerei von der Ferdinand-von-Steinbeis-Schule, einer der wenigen Ausbildungsstätten zum Brauer- und Mälzermeister. So weckt die schiere Erwähnung, wo ich gerade bin, bei vielen meiner Freunde und Bekannten wehmütige Erinnerungen an die Ausbildungszeit hier, und ich komme zu der Überzeugung, dass ein Großteil der Bierproduktion dieser kleinen Regionalbrauerei in den durstigen Kehlen des Brauernachwuchses verschwunden ist und wohl immer noch verschwindet.
Na, da will ich es den jungen Brauern und Mälzern doch gleich mal nachmachen. Ich nehme einen großen Schluck von dem orangeleuchtenden Märzen, das mir gerade serviert wurde. 5,8% Alkohol hat es, eine schöne und schneeweiße Schaumkrone, und mit einem runden, vollen, malzigen und sehr süffigen Charakter gefällt mir das Bier sehr gut. Das könnte ich durchaus auch in größeren Mengen trinken. Wenn auch nicht jetzt schon, zur Mittagszeit, und auch nicht bei Temperaturen um die 30°. Lieber erst in der abendlichen Kühle.
kühl und erfrischend, und trotzdem nahrhaft: die Tellersülze
Die Hitze ist es auch, die mich davon abhält, etwas Heißes zum Essen zu bestellen. Stattdessen eine Tellersülze, frisch aus dem Kühlschrank. Viel Fleisch, hartgekochte Eier und ein wenig sauer eingelegtes Gemüse findet sich in der erstarrten Gelatine – erfrischend und nahrhaft zugleich. Fein!
Aber Essen macht natürlich auch wieder durstig, ich entschließe mich doch noch zu einem zweiten Bier, und zwar den für die Kronenbrauerei typischen Natureisbock. 7,2% Alkohol hat er, und er ist kein Natur-Eisbock, also ein aus dem Eis ausgefrorenes „Bierkonzentrat“ auf natürlicher Basis, sondern ein Natureis-Bock, ein klassisch eingebrauter, heller Bock, der unter Natureiskühlung langsam ausreift und daher besonders mild und rund schmeckt. Von letzteren überzeuge ich mich gleich beim ersten Schluck – er ist wirklich wunderbar ausgewogen, mild, weich und gefährlich süffig.
der süffige Natureis-Bock
Ein ganz vorzüglicher Heller Bock. Und insofern etwas ganz Besonderes, als dass die Kronenbrauerei in Söflingen eine der ganz wenigen Brauereien in Deutschland ist, die wirklich noch versucht, mit Natureis zu arbeiten:
Im Winter, wenn es hoffentlich kalt genug ist (das passiert ja leider immer seltener), lässt man Wasser über einen sogenannten Eisgalgen rinnen. Das Wasser gefriert zu meterlangen Eiszapfen, die abgeschlagen und gesammelt werden. Dieses Natureis dient dann dazu, die Lagertanks für das Bier zu kühlen und eine ganz gleichmäßige kalte Reifung zu erzielen.
so geht das mit dem Natureis
Noch ein paar weitere Biere gäbe es zu verkosten – beispielsweise ein Pils, ein Weißbier und ein Lager, genauer gesagt ein Natureis-Lager, das also ähnlich gekühlt und gelagert wird wie der Natureis-Bock. Aber zu groß ist die Hitze heute, zu früh die Stunde.
Leider ist auch die Alternative, doch einfach ein paar Flaschen mitzunehmen, keine echte. Zu lange sind wir noch unterwegs, zu heiß würde es im Kofferraum des Autos. Auf eine Nach-Pasteurisierung des guten Biers kann ich verzichten – niemand wird mir garantieren, dass das Söflinger Bier noch schmeckt, wenn ich es erst ewig lang bei 60° im Kofferraum durch die Gegend geschaukelt habe. Es bleibt also bei den beiden gerade gekosteten Bieren und unserem zufriedenen Eindruck im kleinen, prall in der Sonne gelegenen und etwas corona-induziert improvisierten Biergärtchen. Das aber immerhin!
Die Kronenbrauerei Russ hat ihren Ausschank dienstags bis sonnabends von 11:00 bis 14:00 Uhr und von 17:00 bis 21:00 Uhr geöffnet; sonntags und montags ist zu. Zu erreichen sind Brauerei, Wirtschaft und Biergarten bequem mit der Straßenbahn. Von der Haltestelle Sonnenstraße aus sind es gerade mal zwei Minuten zu Fuß.
Kronenbrauerei Russ Betriebs GmbH
Schlossergasse 31 / Uhrenmachergasse 10
89 077 Ulm
Baden-Württemberg
Deutschland
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