Sudden Death – der plötzliche Tod. Ich muss an das gleichnamige Café in Brüssel denken: Mort Subite. Ein uraltes Biercafé mit fast 100jähriger Tradition. Benannt nach einem Würfelspiel, bei dem einen der Spieler der plötzliche Tod trifft und er dann die Rechnung bezahlen muss.
Aber … ein belgisches Biercafé wird es doch wohl nicht sein, das uns am Ende unserer Wanderung durch die hässliche Seite Lübecks erwartet, oder?
Nein, ganz im Gegenteil. Statt eines altehrwürdigen belgischen Biercafés finden wir mit der Sudden Death Brewing in einer der großen Hallen im Gewerbegebiet weit außerhalb der Altstadt eine ultramoderne Craftbierbrauerei, die ihren Taproom mitten zwischen Sudwerk, Lagertanks und Abfüllung gelegt hat.
Knappe zweieinhalb Kilometer Fußweg sind es vom Bahnhof aus, bis der gemütliche, mit aus Europaletten zusammengezimmerten Tischen und Bänken ausgestattete Biergarten vor uns liegt. Aber nach Biergarten ist uns nicht – es ist kalt, es nieselt, und wir sind bis auf die Knochen durchgefroren. Schnell also hinein in die geräumige Halle!
neunzehn Zapfhähne
Direkt vor uns die Theke. Neunzehn Zapfhähne, zwei große Bildschirme mit der Bierliste, rundherum bunter Tinnef, das Ganze rot beleuchtet und von hinten verspiegelt. Ganz schön knallig, das alles.
Hinter der Theke ein Containerblock, der die Toiletten, Küche und ähnliches beherbergt und auf dessen „Dach“ ein schönes Rooftop-Revier errichtet wurde, in dem man in geschlossener Gesellschaft heftig abfeiern kann. Den Horden von Kindern nach zu urteilen, findet da heute gerade ein Kindergeburtstag statt. In einer Brauerei … Früh übt sich …
Rechter Hand entlang der Hallenwand erstrecken sich Sudkessel und Lagertanks – schön illuminiert, schön anzusehen. Und auf einem der Tanks kann man die Hall of Fame derer lesen, die per Crowdfunding das Errichten dieser Brauerei mitfinanziert haben.
Wir machen es uns mit Blick auf die Lagertanks gemütlich, und Augenblicke später ist auch schon die fröhliche Bedienung da. „Hier ist die Karte, da sind aber nur unsere Core-Range-Biere drin. Für alle Spezialbiere, Collabs und so nehmt bitte den QR-Code vom Bierdeckel“, heißt es.
Für den Moment reicht allerdings die Karte, denn nach dem langen Fußweg brauche ich erstmal was gegen den Durst – ein simples Pilsner. Es nennt sich Lübecker Pilsner, hat 4,8% und macht dem Brauer alle Ehre. Ein sehr helles, sehr aromatisches und sehr durchtrinkbares Bier. Genau das Richtige für den Moment. Und: Ungeachtet aller Wünsche der Craftbier-Nerds und ‑Enthusiasten, die ob eines simplen Pilsners vielleicht die Nase rümpfen wollen – jede Brauerei, die wirtschaftlich überleben möchte, braucht so ein Brot-und-Butter-Bier. Quasi für den Grundumsatz. Um so schöner, wenn es dann auch noch handwerklich gut und mit einem Pfiff gebraut wird.
Der erste Durst ist gestillt, jetzt geht es an den QR-Code. Ist ja eigentlich eine prima Idee und spart viel Papier. Was nur doof ist: Der QR-Code führt nicht auf eine Website, sondern lädt eine pdf-Datei runter. Das ist wieder nicht zu Ende gedacht, denn da das sehr viele Restaurants, Bars und Taprooms so machen, sammelt sich im Download-Ordner des Telefons ein unübersichtlicher Bodensatz von alten Speise- und Getränkekarten an. Wie schwierig ist es eigentlich, die Liste direkt auf die Website zu packen?
Auf letztere, die Website, gehe ich jetzt ohnehin, denn ich möchte noch ein bisschen mehr über die Brauerei erfahren. Zum Beispiel nämlich, dass der Name Sudden Death nichts mit dem belgischen Würfelspiel Mort Subite zu tun hat, sondern dass es vielmehr um den Sudden Death im Eishockey geht. Olli und Ricky, die beiden Gründer der Brauerei, sind nämlich Eishockeyfans und teils sogar aktive (ehemalige) Spieler. Aha!
Taproom, Sudhaus, Lagerkeller – alles in einem
Zurück aber an unseren Tisch und zu unseren Bedürfnissen – Hunger und Durst nämlich. Der Taproom ist bekannt für seine Pizzen, und das testen wir jetzt mal aus. Cheeseburger Eddy nennt sich eine der Pizzen, und der Belag besteht aus allem, was einen ordentlichen Cheeseburger ausmacht – Käse, Hackfleisch, Gurken … Wider Erwarten schmeckt das ganz vorzüglich. Einem echten Neapolitaner Pizzabäcker würde es jetzt zwar das Herz brechen, aber: Lecker ist lecker. Und das 5,5%ige Lübecker Premium Pale Ale harmoniert damit ganz ausgezeichnet.
Viel zu schnell haben wir die Pizza zu zweit niedergemacht, und die Bedienung lacht, als wir kurzerhand „noch eine davon“ bestellen.
Angesichts des weiten Rückwegs, die Strecke zum Bahnhof ist nämlich in beiden Richtungen gleich lang, und der Regen ist auch geblieben, soll es nun aber bei den beiden Bieren und den beiden Pizzen bleiben.
Eigentlich …
Denn bei einem Blick in die aktuelle Bierkarte bleibt mein Auge an einem Russian Imperial Stout hängen, das in Kooperation mit der Wittorfer Brauerei entstanden ist, dem Slice Me Nice! Ein Bier, dem Kakao-Nibs, Haselnuss, Vanille und Meersalz hinzugefügt wurden. Hurra, es lebe das sogenannte „Reinheitsgebot“! Dass es 14,5% Alkohol hat, nehme ich jetzt mal in Kauf, da wird mich dieses Bier wohl ausreichend für den Rückweg aufwärmen.
Dickflüssig-viskos und ohne Schaum kommt es daher, aber mit intensiven Kakao-, Schokoladen-, Mokka-, Kaffee-, Vanille- und Nussaromen ist es ein spannendes, sensorisches Erlebnis. Mehr als die in der Karte angebotenen 200 ml brauchen es aber nicht zu sein – da wird das Bier schnell zu saturierend. Die im Straßenverkauf (und im Internet) angebotene 440-ml-Dose dürfte dann eher etwas zum Teilen zwischen mindestens zwei, besser drei Craftbierfreunden sein.
Ein beeindruckender Abschluss.
Die Rechnung ist hoch, aber nicht so hoch, wie befürchtet, insofern trollen wir uns sehr zufrieden unseres Wegs. Zurück wieder in den Nieselregen …
Der mitten im Sudhaus befindliche Taproom der Sudden Death Brewing ist dienstags bis sonnabends ab 17:00 Uhr geöffnet; sonntags und montags ist zu. Der Weg dorthin ist etwas beschwerlich. Zu Fuß dauert es fast eine halbe Stunde, kommt man mit dem Auto, darf man nichts trinken, und mit den Öffis dauert es wegen großer Schleifen, die die Busse fahren, nur um dann doch nicht direkt vor der Tür zu halten, genauso lang wie zu Fuß.
Sudden Death Brewing GmbH & Co. KG
Einsiedelstraße 6
23 554 Lübeck
Schleswig-Holstein
Deutschland
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