Ein bisschen genervt laufen wir durch die Düsseldorfer Altstadt. Der Funke mag aber so was von überhaupt nicht überspringen – alles ist schmuddelig und heruntergekommen. Müll liegt herum, in den Straßen liegen heute, am 10. Januar 2025, immer noch Reste vom Silvesterböllern, die Kneipen sehen so aus, als habe man seit vierzig Jahren dort nix mehr in Ordnung gebracht, sondern nur mal ab und an feucht durchgewischt (manchmal nicht mal das …), und die tristen Architektursünden und Baustellen der Stadt tragen das Ihrige dazu bei, dass wir uns überhaupt nicht wohlfühlen.
Einziger Lichtblick ist das gute Altbier, das es überall gibt. Das ist nun wirklich ein sehr feiner Bierstil, mit dem knackig bitteren Uerige an der Spitze. Aber irgendwann wird man vielleicht sogar des Altbiers leid, und dann kommt am Nordrand der Altstadt eine Adresse gerade recht: Die HOLY CRAFT Beer Bar. In einer Ecke der Altstadt, die sogar adrett und sauber aussieht!
Geht doch: Düsseldorfer Altstadt in schön!
Ein paar Stufen geht es hoch, und dann schreitet man geradezu zwischen zwei schönen Säulen und unter einem Backsteinbogen hindurch, an einer ersten Kreidetafel mit den aktuellen Bieren vorbei, hinein in den Schankraum – direkt auf die Theke zu, an der zwölf Zapfhähne mit individuellen Tap-Handles verführerisch aussehen.
Es ist nicht allzu voll, aber auf einigen Tischen sehen wir „Reserviert“-Kärtchen stehen. „Kein Problem, wenn Ihr nur ein, zwei Biere trinken wollt, dann haben wir für Euch noch Platz“, nimmt uns der freundliche Barmann unter seine Fittiche und zeigt uns einen schönen Tisch direkt unter der riesigen schwarzen Kreidetafel mit dem aktuellen Bierangebot. „Bis um kurz vor acht könnt Ihr hier gemütlich sitzen, und wenn Ihr dann doch länger bleiben wollt, finde ich schon noch irgendwo eine Lücke für Euch!“
Zwölf hochinteressante Biere vom Fass, dazu eine kunterbunte Auswahl von Dosen und Flaschen in den hell erleuchteten Kühlschränken neben der Theke – ich komme ins Grübeln. Nehme ich etwas schon Bekanntes, von dem ich weiß, dass es toll schmeckt? Oder wage ich ein Experiment und bestelle etwas völlig Unbekanntes?
Diese Frage zu beantworten, wird mir etwas leichter gemacht, denn rechts unten auf dem Schwarzen Brett sehe ich den Hinweis auf einen Tasting Flight mit fünf Gläsern zu je 100 ml. Freie Auswahl!
Ja, na dann!
Ich scanne die zwölf Biere durch und entscheide mich für die Nummern 2, 4, 8, 9 und 10. Der Barmann grinst. „Kommt sofort!“
Während er vor sich hin zapft, sehen wir uns im Schankraum ein bisschen um. Die üblichen Stilelemente finden sich wieder. Das Schwarze Brett. Europaletten als Tische oder Sitzmöbel. Hohe Stehtische mit Barstühlen. Aber auch kleinere und längere Tische mit Bänken an der Wand. Oder, wenn man früh genug kommt oder vorreserviert hat: Dicke Ledersofas zum Herumlungern. Jeder kann hier einen Winkel zum Wohlfühlen finden.
Der Tasting Flight kommt – mit sechs Gläsern. Eines ist mit Wasser gefüllt. „Zum zwischendurch Spülen, damit auch jedes Bier zur Geltung kommt.“ Prima!
Noch besser: Der Barmann hat die Reihenfolge der bestellten Biere (numerisch) eigenständig geändert und serviert die fünf Pröbchen so, dass wir uns vom leichtesten bis zum schwersten, forderndsten Bier vorarbeiten können. Habe ich so noch nicht oft erlebt. Schön! Das wirkt professionell!
So genießen wir denn die Biere nicht numerisch:
- 4 – Hellkamp x Kehrwieder – Cold Turkey – American Amber Ale (5,1%)
- 10 – Mücke – Single Hop Comet – American Pale Ale (5,9%)
- 8 – Delirium – Argentum – Belgian IPA (7,0%)
- 2 – Mücke – Coffee Stout (6,7%)
- 9 – Põhjala – Öö – Double Baltic Porter (10,5%)
Spannend? Ja, sehr, und insbesondere das Öö hat es in sich und begeistert uns ob seiner Schwere und harmonischen Komplexität. Ein Fünf-Sterne-Bier!
Tasting Flight mit angepasster Verkostungsreihenfolge
„Mögt Ihr denn noch was? Die, die hier reserviert haben, sitzen woanders – Ihr könnt also gerne sitzenbleiben und weiter genießen“, sagt der Barmann, als er das Holzbrettchen abräumt.
Ach, täten wir gerne, aber ein Virusinfekt und die Aussicht auf die Rückfahrt morgen früh mahnen zur Vorsicht. Es bleibt bei den fünf verkosteten Bieren. Obwohl die sehr angenehme Atmosphäre und der geradezu perfekte Bierbegleitservice schon dazu verleiten, alle guten Vorsätze über Bord zu werfen …
Apropos gute Vorsätze: Beim Zahlen komme ich mit dem Barmann noch ein bisschen ins Sinnieren – insbesondere über den sogenannten Dry January, der immer mehr in Mode kommt. „Gute Vorsätze für das Neue Jahr, im ersten Monat des Jahres trinken wir mal keinen Alkohol“, lautet das Motto.
Eigentlich eine gute Idee. Da sind der Barmann und ich uns einig. Warum nicht mal für vier Wochen auf das Zellgift Alkohol verzichten, dem Körper und der Gesundheit was Gutes tun und zu überprüfen, ob man überhaupt für eine längere Zeit ohne ein Quäntchen Alkohol auskommen kann. Aber ebenso einig sind wir uns, dass das für Gastronomie, Handel und Brauereien nicht wirklich gut ist, wenn das alle gleichzeitig machen. Für einen Monat geht der Umsatz spürbar zurück, und alle Bars, Läden und Produzenten, die aus welchen Gründen auch immer recht knapp am wirtschaftlichen Abgrund arbeiten, kommen dann schnell mal ins Schwimmen. „Wir überstehen das ganz gut und sehen das sportlich. Quasi als vier Wochen mit erholsamen Schichten in der Bar“, stellt der Barmann fest. „Aber es ist natürlich trotzdem so, dass wir in diesen Wochen eine Person weniger im Ausschank arbeiten haben und der Umsatz spürbar zurückgeht. Wäre schöner, wenn sich dieser eigentlich ja positive Trend besser über das Jahr verteilen würde.“
Schlussworte, die nachdenklich machen.
Die HOLY CRAFT Beer Bar wird es hoffentlich gut überstehen. Die im Mai 2017 eröffnete Bar hat auch CoViD-19 durchgestanden – da wird sie den Dry January 2025 auch überleben!
Die HOLY CRAFT Beer Bar ist täglich ab 17:00 Uhr, sonnabends bereits ab 15:00 Uhr geöffnet; sonntags ist zu. Zu erreichen ist sie von der U-Bahn-Station Heinrich-Heine-Allee aus in etwa sieben gemütlichen Minuten zu Fuß in nordwestlicher Richtung.
HOLY CRAFT Beer Bar
Liefergasse 11
40 213 Düsseldorf
Nordrhein-Westfalen
Deutschland
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