[Blick zurück auf April 2023]
Hier wurde vor rund drei Jahren richtig viel Geld in die Hand genommen, stelle ich fest, als ich durch die Glastür in den Schankraum der Kaltenhauser Botschaft trete.
2019 hat die Salzburger Brauerei Kaltenhausen in der Mariahilfer Straße ein ansprechendes Hotel, den Brauhof Wien Fünfhaus, eröffnet und es mit einer sehr schönen Gasthausbrauerei gewissermaßen veredelt. Ein Ansatz, der die Historie der Straße wieder aufgreift, war doch dieser Bezirk früher das Brauereizentrum der Stadt Wien. Zahlreiche Brauereien hatten sich hier angesiedelt, große Bierhallen gab es und viel Leben.
Vorübergehend alles Geschichte, und lediglich das interessante Mariahilfer Bräu, das aber nur eine Bierkneipe, keine echte Brauerei ist, vermochte, die bierige Geschichte dieses Viertels wenigstens zum Teil am Leben zu erhalten.
Nun, jetzt also wieder eine „richtige“ Brauerei!
die kupfern glänzenden Geräte des Sudwerks
Gleich links sehe ich die kupfern glänzenden Geräte des Sudwerks, direkt daneben die Theke mit einer ordentlichen Anzahl von Zapfhähnen. Es gibt hier also mehr als nur ein Helles und ein Dunkles, wie schön!
Zahlreiche Kühlschränke im Gang zum hinteren Schankraum zeugen von echter Bierbegeisterung und bieten den Gästen, die schon öfter hier waren und die vor Ort produzierten Biere alle schon kennen, neue und spannende Biererlebnisse. Und gegenüber kann ich durch große Glasscheiben auf die Ausschanktanks schauen, in denen das Bier für die durstigen Gäste bereitgehalten wird.
Ich gehe diesen Gang entlang und komme in den hinteren, deutlich größeren Schankraum. Beeindruckend! Die alte Architektur ist in Teilen zu erahnen, aber es wurden auch neue Akzente gesetzt. Riesige, wandfüllende Schwarzweißbilder zeigen Szenen von früher, und eine der Wände ist mit Moos begrünt. Große Fenster machen den Raum hell und gewähren gleichzeitig einen Blick in den Biergarten im Innenhof, der bei dem heutigen Regenwetter allerdings verwaist da liegt.
Fünf regelmäßig vor Ort produzierte Biere listet die Bierkarte auf, daneben gibt es noch ein paar weitere Fassbiere, einige Flaschenbiere und schließlich all das, was sich in den Kühlschränken im Gang noch findet. Der nette und sehr aufmerksame Kellner empfiehlt mir einen Biertester mit vier 100-ml-Portionen und trifft damit natürlich genau meine Absicht.
Blitzschnell kommen die Biere, sehr schön in großen Verkostungsgläsern angeboten und in einer Art Bierkiste serviert. Das macht natürlich was her, und mit viel Freude mache ich mich an die Verkostung.
eine Kiste Bier zum Probieren
Das erste Bier ist ein 4,7%iges Zwickl, goldgelb und leicht trüb. Wie viele Zwickelbiere, also einfache und unfiltrierte Kellerbiere, weist es eine etwas dumpf wirkende Malzigkeit auf, ist ansonsten aber schön harmonisch und gut trinkbar.
Bier Nummer 2 strahlt mich aus dem Glas schon schön orangefarben an – ein 4,8%iges Wiener Lager, für das eben diese Farbe so stiltypisch ist. Ein leicht brotiger Geruch, ein runder und voller Geschmack, nicht zu hoch gespundet – das ist ein gutes Alltagsbier, auch wenn mich persönlich dieser Stil immer recht rasch sättigt und ich mehr als einen halben Liter davon nicht mehr mit Genuss trinken kann.
Deutlich durchtrinkbarer ist dann das Bier Nummer 3, das 6,5%ige India Pale Ale. Kräftig, aber nicht übertrieben gehopft, erfrischend und die Schleimhäute gerade so weit leicht adstringierend austrocknend, dass der Durst bei jedem Schluck erhalten bleibt. Sehr schön.
Highlight meiner kleinen Bierprobe ist aber das letzte Bier, das Stout. Mit gerade einmal 5,2% ist es recht leicht, ohne dabei aber wässrig zu wirken. Ein wahrhaftig beeindruckender, sahniger und kremiger, beigefarbener Schaum krönt das Bier, und unter dieser dicken Schicht verbergen sich herrliche Röstarmen mit Schokoladen-, Kaffee- und Mokkaakzenten.
Vier wenn auch kleine Biere auf nüchternen Magen – es wird Zeit für eine kleine Mahlzeit. Das Tatar, für das ich mich entscheide, schmeckt vorzüglich. Auch wenn es fertig gewürzt auf den Tisch kommt und mir die Möglichkeit des sinnlichen Herummatschen, also des Selbstzubereitens, genommen wird, ist es ausgesprochen fein. Und mit einer solchen Grundlage traue ich mich dann auch noch an ein kleines Glas des saisonalen Frühlingsbocks heran. 6,9% hat das Bier, eine schöne und klare, honig- bis orangene Farbe, einen feinen Schaum und angenehme, runde Malzaromen. Nicht ganz so brotig wie das Wiener Lager, aber ebenso angenehm und rund. Es ist nicht zu vollmundig und mastig und weist eine angenehme, ausgewogene Herbe auf. Gut gelungen!
Ein insgesamt also sehr angenehmer Brauereibesuch, bei dem die einladende Innenarchitektur, die Freundlichkeit des Service und die Qualität des Biers und des Essens Hand in Hand gehen. Schön!
Die Kaltenhauser Botschaft Fünfhaus im Brauhof Wien ist täglich von 12:00 bis 23:00 Uhr geöffnet; kein Ruhetag. Zu erreichen ist die Brauerei mit Straßen- oder U-Bahn bis Mariahilfer Gürtel oder Westbahnhof, und von dort aus sind es keine fünf Minuten die Mariahilfer Straße entlang in Richtung Westen.
Kaltenhauser Botschaft
Mariahilfer Straße 156/158
1150 Wien
Österreich
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