[Blick zurück auf März 2024]
Ein kleine Nachricht im Instagram-Messenger nur. Ausgerechnet dem Messenger, den ich am seltensten nutze. Da hätte ich die Nachricht von Herrn M. beinahe verpasst.
Aber nur beinahe …
„Hallo, ich habe hier noch eine Flasche Goose Island Bourbon County Barrel Aged Stout (2021), die auf Sie wartet! Sie hat etwas länger gebraucht als vorgesehen, ist aber letztendlich doch in Sonthofen gelandet.“
Gar nicht auszudenken, wenn ich darauf nicht reagiert hätte …
So aber stehe ich zum Glück bei Herrn M. und halte die Flasche in der Hand. Ein wahres Schätzchen. Natürlich habe ich als Gegenleistung ein paar ähnlich gute Barrel-Aged-Biere aus Polen mitgebracht, und wir kommen ein wenig ins Plaudern.
„Auch drüben der Hirschbräu hier bei uns in Sonthofen …“, Herr M. deutet in die ungefähre Richtung, in der sich in rund 300 m Entfernung die Brauerei befindet, „… hat unlängst drei verschiedene Barrel-Aged-Biere im Angebot gehabt!“
Ich mache große Augen. „Mist, das habe ich gar nicht mitgekriegt – die Fernpendelei nach Szczecin fordert doch ihren Tribut“, stelle ich enttäuscht fest. „Sind bestimmt schon ausverkauft?“
Herr M. nickt. „Ja, alles weg.“
Wortlos dreht er sich um und geht; für einen Moment stehe ich unschlüssig allein im Flur.
Augenblicke später kommt er wieder: „Eine von den drei Sorten habe ich aber noch. Hier!“ Er drückt mir eine Flasche Doppelbock Bourbon Oak Aged in die Hand. Jahrgang 2022. Klasse!
Dankbar mache ich mich mit zwei wertvollen Schätzchen im Rucksack wieder auf den Weg. Das war doch mal wieder ein Tauschhandel, wie er im Buche steht.
Verkostungsnotizen
Goose Island – Bourbon County Brand Stout – Made 2021; Hirschbräu – Limited Edition – Doppelbock Bourbon Oak Aged
Goose Island – Bourbon County Brand Stout – Made 2021 (14,0%)
Schon beim Einschenken fällt die verhältnismäßig hohe Viskosität dieses Biers auf – fast schon dickflüssig rinnt es in das Verkostungsglas. Tiefschwarz und blickdicht steht das unfiltrierte Bier im Glas; die beigefarbene Schaumschicht darüber ist kaum der Rede wert und verschwindet auch rasch.
Der Duft ist komplex. „Da ist alles Mögliche drin“, ist der erste Gedanke, der durch den Kopf schießt. Lakritze, Vanille, Bourbon, Kaffee, Mokka, Schokolade, karamellisierter Zucker …
Neugierig nehme ich einen ersten Schluck. Leicht ölig rinnt das Bier über die Zunge, und ich spüre eine ganz feine Kohlensäureschärfe, allerdings ohne dass es wirklich bizzeln würde.
Süß und fast schon klebrig wirkt es im ersten Moment, aber die komplexen Aromen und Geschmäcker verhindern, dass das zu eindimensional zuckrig und pappig wirkt. Stattdessen eine komplexe Sinfonie all der Sinneseindrücke, die die Nase eben schon aufgenommen hat.
Ein Hauch Spritigkeit, immerhin sind es ja vierzehn Prozent Alkohol, macht sich bemerkbar, bleibt aber so dezent, dass eine solide Fünf-Sterne-Wertung niemals angezweifelt wird.
Nach dem Schluck schieben sich die Mokka- und Bitterschokoladenaromen stärker in den Vordergrund, während Vanille und Lakritz sachte abklingen. Begleitet von einer angenehmen alkoholischen Wärme im Hals rinnt das Bier den Rachen hinunter und klingt nur ganz langsam und vor allem in umfassender Harmonie ab.
Hirschbräu – Limited Edition – Doppelbock Bourbon Oak Aged (9,6%)
Das Bier ist dunkelbraun mit einem feinen, rubinroten Schimmer und präsentiert sich fast klar. Schaum entwickelt es allerdings nicht. Gar nicht!
Der Geruch ist vom Bourbon dominiert, gefällt aber auch mit feinen Pflaumen- und Portwein-Aromen im Hintergrund.
Der Antrunk ist für ein fassgereiftes Bier erstaunlich frisch und fast schon spritzig wirkend, und auf der Zunge überrascht eine Schlankheit, die mit den auf dem Etikett angegebenen 9,6% Alkohol nahezu nicht zu korrelieren scheint. Eine dezente Malzsüße ist zu spüren, ebenso wie eine feine Bittere. Was irgendwie fehlt, sind die im Original-Doppelbock dominierenden Dunkelmalzaromen und der weiche, vollmundige Charakter. Von „wässrig“ zu sprechen, wäre übertrieben, aber die vielen fassgereiften Starkbieren eigene leicht viskose Textur geht diesem Bier völlig ab.
Retronasal bleibt das Bourbon-Aroma dominierend, Pflaume, Portwein und ein ganz feiner Vanillehauch bleiben dezent und vermögen es nicht, das Bier aus seiner Eindimensionalität herauszuholen.
Nach dem glatten Schluck klingen die Aromen ziemlich rasch ab – der Abgang ist kurz und vorrangig geprägt von einer leichten alkoholischen Wärme.
Weitere Berichte über den Tauschhandel am Arbeitsplatz sind von hier aus erreichbar.
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