[Blick zurück auf Dezember 2024]
Biere der Oso Cervecerias aus Madrid
Das sind Dinge, über die ich mich wie ein kleines Kind freuen kann: Da fliegt ein Bekannter mal für ein Wochenende nach Madrid, genießt im November frühlingshafte Temperaturen, kehrt in einer Brauerei ein und … denkt an mich!
„Hallo Volker, ich bin gerade in Madrid und sitze in der Oso Brauerei. Ich glaube, dass die relativ neu sind. Kennst Du die Biere schon?”, lese ich im Messenger und muss bedauernd verneinen. „Nein, da war ich noch nicht“, muss ich zugeben. Ich reise ja viel und gerne und oft, aber alles kann man natürlich nicht schaffen. Ich kenne eigentlich nur einen, der zumindest gefühlt wirklich alles schon kennt, was auf der Welt in der Bierszene passiert, und das ist der Bierpapst Conrad Seidl. Gegen ihn bin ich ein kleines Licht.
„Dann bring ich Dir ein paar Biere mit!“, heißt es in der nächsten Nachricht, und Widerspruch ist zwecklos. Ich schreibe zwar noch was von schlechtem Gewissen und so, aber das wird ignoriert.
Ist das nicht schön? So liebe Menschen im Bekanntenkreis zu haben?

drei bunte Dosen
Wenige Tage später ist das Päckchen auch schon da. Drei bunte Dosen mit drei interessanten Bieren aus Madrid, aus der Oso Cervecerias.
Mein Herz hüpft vor Freude!
Verkostungsnotizen
Oso – Soft Power – Session IPA (4,8%)
Das Bier ist hellgelb, milchig trüb und trägt einen schönen, weißen und recht lange haltbaren Schaum. Appetitlich und saftig schaut das aus!
Der Duft ist vielschichtig fruchtig, mit süßlichen und üppig-saftigen Aromen, begleitet von einem ganz leichten, ätherischen Hauch, der ein bisschen an Kampfer erinnert. Später, nach ein paar Minuten des Aufwärmens kommen auch noch zarte Kräuteraromen hinzu, die an Petersilie und Liebstöckel erinnern.
Der Antrunk ist weich und saftig. Auf der Zunge wirkt das Bier sehr rund und voll, kremig geradezu. Eine durchaus kräftige Bittere ist spürbar, sie ist aber durch die sämige Textur so schön eingebunden, dass sie gar nicht so kernig wirkt. Retronasal stehen die fruchtigen, saftigen Aromen wieder im Vordergrund, und erneut spielt sich das Gleiche ab wie orthonasal: Es kommen ein paar frische, kampfer- oder mentholartige Aromen hinzu, und ganz am Ende auch wieder das „Grünzeug“. Spannend.
Nach dem Schluck klingt das Bier recht rasch ab – hier hätte ich ein etwas längeres, trockenes Gefühl auf den Schleimhäuten erwartet. Das ist zwar da, aber nur zart und nicht sehr nachhaltig.
Für ein Session-Bier ist das Soft Power außerordentlich gehaltvoll.
Oso – Hercules – Stout (4,8%)
So muss das aussehen: Tiefschwarz, und zwar so, dass man nicht erkennen kann, ob das Bier filtriert ist oder nicht (dazu muss ich extra einen Tropfen auf eine weiße Untertasse kleckern, um zu sehen – es ist nicht …), und bedeckt von einer üppigen, kremigen, ewig lange haltbaren, hellbraunen und feinporigen Schaumkrone. Klasse!
Der Duft ist intensiv röstig mit feinen Bitterschokoladen- und Mokkaaromen.
Der Antrunk ist im ersten Moment süßlich, aber rasch macht sich auf der Zunge eine knackige Röstbittere breit, die die Süße in Schach hält, bevor sie klebrig zu wirken beginnt. Wieso überhaupt Süße? Ich schaue auf der Dose nach: Aha! Es ist Dextrin hinzugegeben worden. Hafer übrigens auch, und dieser gibt eine feine seidige Textur, die wiederum die Bittere in Schach hält. Sehr schön komponiert und ausbalanciert!
Retronasal spüre ich erneut die Bitterschokolade und den Mokka, und gleichzeitig entdecke ich jetzt auch noch einen ganz, ganz feinen Hauch Säure und ein ebenso feines metallisches Aroma – beides wohl von der Röstgerste stammend.
Der Schluck bringt die Röstbittere ein wenig stärker nach vorn – sie bleibt aber samtig, wird nicht rau oder gar kratzig. Und sie klingt sauber und gleichmäßig ab.
Deutlich runder und gehaltvoller, als es der verhältnismäßig niedrige Alkoholgehalt von 4,8% erwarten lässt.
Oso – Canyon – West Coast IPA (7,0%)
Eine schöne, dunkelgelbe Farbe und eine für diesen Stil vielleicht zu intensive Trübung zeichnen die Optik des Biers aus. Die schöne, schneeweiße und stabile Schaumkrone trägt ihr Übriges dazu bei.
Die Nase erschnuppert kräftig herbe und fruchtige Hopfenaromen – mit prägnanten Pampelmusenaromen und ein paar süßlichen Tropenfrüchten im Hintergrund.
Der Antrunk ist fast NEIPA-mäßig weich und kremig (das passt zur intensiv trüben Optik), aber auf der Zunge schlägt die Hopfenbittere deftig zu. Kernig und knackig. Retronasal spielt die Pampelmuse wieder die erste Geige. Bei all der hopfenbitteren Sensorik kommt aber auch das Mundgefühl nicht zu kurz – das Bier ist vollmundig und hat einen ausgeprägten Körper, der der Bittere gut standhält.
Der Abgang ist von der kernigen Bittere geprägt – sie klingt aber sachte und gleichmäßig ab, ohne übermäßig nachzuhängen oder kratzig zu werden.
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