[Blick zurück auf Februar 2025]
schnelle Übergabe im Hotel
„Was, Du bist auf dem Stuttgarter Craft Beer Festival?“ Der Jens W. ist aus dem Häuschen. „Ich wollte Dir eh mal wieder ein paar Kostproben aus meiner Hausbrauerei schicken, aber jetzt spare ich mir das Porto!“
Und so kommt es, dass wir uns kurz vor dem Festival im Hotel in Zuffenhausen treffen, eine schnelle Bier-Übergabe zelebrieren, und dann stürzen wir uns gemeinsam ins Getümmel.

fünf Biere harren der Verkostung
Die Biere hingegen machen erst noch den Transport quer durch die Republik mit, werden weisungsgemäß noch ein paar Tage bei kühler Zimmertemperatur gelagert, um die Flaschengärung noch abzuschließen, und dann kommen sie in den Kühlschrank und harren der Verkostung.
Eins weiß ich vorher schon: Es sind wieder einfallsreich gestaltete Etiketten mit originellen Biernamen.
Dankeschön, Jens!
Verkostungsnotizen
Doctah Cerveza – Strawberry Fluff – Strawberry Marshmallow Pastry Sour (7,2%)
Tjaaah, also, beim Einschenken sieht das alles schon ein bisschen merkwürdig aus … Eine dunkelrosa Farbe mit einem leichten Graustich, eine sehr, sehr dichte Trübung, wenig rosafarbener Schaum und gegen Ende blubbert noch ein mindestens zwei Fingerbreit mächtiger Bodensatz aus der Flasche ins Glas.
Der Duft ist intensiv erdbeerig mit einer ganz leicht erdigen Note im Hintergrund. Gar nicht verkehrt.
Der Antrunk ist leicht säuerlich, und auf der Zunge wird es dann interessant: Eine relativ dicke, viskose Textur und das intensive Erdbeeraroma (auch retronasal) produzieren Eindrücke, die an eine Erdbeer-Mousse erinnern, aber die leichte Säure und das völlige Fehlen von Restsüße irritieren. Erdbeeren ohne jeglichen Restzucker schmecken merkwürdig. Nicht unangenehm, aber merkwürdig. Sehr merkwürdig.
Auch nach dem Schluck wird es nicht eingängiger. Eine ganz leichte Bittere, eine feine Säure, null Süße, viel Erdbeeraroma. Eine ungewöhnliche Kombination.
Und der letzte Schluck bringt dann noch das sehr viskose Fruchtfleisch-Hefe-und-sonstwas-Schmodder-Gemisch in den Mund. Fühlt sich an wie eine rohe Auster …
Doctah Cerveza – Saliekers – Salbei-Kirsch Dubbel (8,2%)
Die Farbe ist schon mal in Ordnung. Sie kombiniert das milde Braun eines Dubbels mit dem dunklen Rot eines Kirschbiers. Dunkelrotbraun. Passt. Bei vorsichtigem Einschenken bleibt das Bier auch klar. Das selbe vorsichtige Einschenken begrenzt allerdings auch die Schaumentwicklung, denn die Rezens ist zurückhaltend. Für eins muss man sich entscheiden: Blank oder Schaum?
Im Duft finden sich die beiden im Namen genannten Zutaten spürbar wieder, allerdings dominiert der Salbei über die Kirsche. Dass dahinter noch ein feiner, leicht erdiger Hauch versucht, Aufmerksamkeit zu erringen … geschenkt!
Der Antrunk ist frischer als es die niedrige Spundung vermuten lässt. Auf der Zunge wirkt das Bier sauerkirschig und dezent süßlich – die Säure und die Süße liefern sich ein spannendes Wettrennen. Nachdem beide den Zieleinlauf durchquert haben, kommt der Salbei hinterher – langsam, aber gewaltig. Rasch ist die Kirsche vergessen, der Salbei übernimmt. Und wieder ist es so, dass ein paar weitere Aromen hinterhertrotten (in diesem Fall leicht brotiges Malz mit einer feinen, brotkrustigen Herbe), aber zu spät kommen, um noch irgendeine Rolle zu spielen.
Der Abgang ist recht glatt mit einer nur dezenten Bittere. Retronasal kommen nur die ätherischen Öle des Salbei und die kirschige Säure Hand in Hand auf die Bühne und geben dem Bier einen likörartigen Touch.
Spannend.
Doctah Cerveza – Vienna Calling – Wiener Lager (5,3%)
Die Farbe sieht ja toll aus. Ein schönes, helles Kupfer. Oder ist es schon fast Orange? Bei vorsichtigem Einschenken bleibt das Bier schön blank, und der leicht altweiße Schaum sieht auch recht adrett aus.
Ach, aber das war es dann leider schon. Der Geruch zeigt sich vielschichtig. Neben den klassischen, leicht brotigen Aromen, wie sie für ein Wiener Lager typisch sind, zeigt sich leider auch eine muffige Note, die an den alten Schrank im leicht feuchten Keller erinnert, in dem die Winterschuhe den Sommer über eingelagert werden …
Gleichermaßen geht es mit dem Antrunk und dem Eindruck auf der Zunge weiter. Sind es Nonenale? Oder doch eher Anisol? Es riecht und schmeckt, als wenn alter, überlagerter Hopfen oder feucht gewordenes Malz verbraut worden sind.
Schade. Denn das kann Doctah Cerveza besser. Viel besser, sogar!
Doctah Cerveza – King Charles – Extra Special Bitter (5,9%)
Das Bier hat eine schön dunkelrotbraune Farbe mit mittelkräftiger, gleichmäßiger Trübung. Der üppige, beigefarbene Schaum steht wie eine Eins.
Die Nase ist zunächst nicht so begeistert. Dumpfe und erdige Aromen, teils an alte, muffige Holzschränke erinnernd, teils auch an von weißem Mycel durchzogene Blumenerde, dominieren den Geruch. Später dann, als das Bier eine Weile an der Luft geatmet hat und wärmer geworden ist, kommen angenehmere Karamellnoten hinzu.
Von Beginn an ist das Bier ausgeprägt hefig – so ähnlich findet man es in England bei den Cask Ales häufiger, insbesondere dann, wenn das Fass schon etwas länger angestochen ist und zu oxidieren beginnt. Parallel sind aber auch die Karamellaromen präsent, die diesen Eindruck ein wenig ausbalancieren.
Die Bittere ist schon auf der Zunge zu spüren, wird nach dem Schluck aber erst richtig deutlich. Sie ist durchaus beachtlich, und sie scheint nicht nur vom Hopfen zu kommen.
Ein etwas gewöhnungsbedürftiges Bier mit Ecken und Kanten.
Doctah Cereveza – Bud & Terence – Italian Style Pilsner (5,4%)
Die dunkelgelbe Farbe mit ihrer schwachen, gleichmäßigen Trübung weist einen leichten Graustich auf und verliert dadurch an Attraktivität. Schaum gibt es nur sehr wenig, und das bisschen fällt auch recht rasch zusammen.
Der Duft ist einerseits süßlich-fruchtig, von der hefigen Esterseite her kommend, andererseits aber auch mit einer intensiven Note von Dosenmais, die auf – vermutlich – unzureichende Würzekochung und fehlende DMS-Austreibung zurückzuführen ist.
Geschmacklich setzt sich dieser Eindruck fort. Eine deutliche Malzsüße, fruchtige Ester und kräftiges Dimethylsulfid prägen den Charakter dieses Biers. Die dezente Hopfung führt zu einer feinen Bittere nach dem Schluck, rettet aber den Pilscharakter dieses Biers nicht mehr.
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