Brauerei „De Lütte“
Egestorf
DEU

„Eine Brauerei in einem Autohof an der Autobahn? So ein Quatsch, das funktioniert nie! Wer soll denn da Bier kaufen? Die müssen doch alle noch fahren!“

Stimmt eigentlich, oder? Ein bisschen verrückt muss man also sein, um auf eine solche Idee zu kommen. Und wer in der Bierszene ist ein bisschen verrückt? Vielleicht jemand, der schon mal ein paar Jahre auf einer Schiffsbrauerei gebraut hat, an Bord der Aida? Ein paar Jahre in Russland? Bei Astra auf’m Kiez? Und was weiß ich, wo noch überall auf der Welt?

Fakt ist: In dem sehr schönen Autohof Break an der Autobahnausfahrt Egestorf ist eine Brauerei entstanden, die Brauerei „De Lütte“ – am Steuerpult der Sudkessel Jan-Hendrik Koch. Spannende und gut trinkbare Biere mit lokalem Touch braut er hier, und gerne auch mal mit einem Augenzwinkern jenseits des Reinheitsgebots.

„Kommt rein, setzt Euch da hin, ich kümmere mich gleich um Euch“, heißt es, als wir das Sudhaus mit dem absichtlich etwas improvisiert wirkenden Taproom betreten. „Heute ist ja nicht geöffnet, insofern arbeite ich und fülle gerade Bier ab. Kleinen Moment.“ Jan steht an der kleinen Abfüllanlage, und eine Achterreihe Flaschen nach der anderen wandert unter den Abfüllventilen entlang und wird in die bereitstehen Kästen einsortiert.

heute wird abgefüllt

Das Zischen, Klimpern und Klirren erstirbt. Stille. „So, Pause, jetzt kann ich mich um Euch kümmern. Was wollt Ihr den trinken?“ Jan schaut uns an und grinst. „Am besten, ich schenke Euch von jeder Sorte ein kleines Glas ein, dann könnt Ihr mal verkosten.“

Noch bevor wir auf dieses Angebot reagieren können, stehen die kleinen Gläser schon vor uns auf dem Tresen. In Glas 1 das Barnsteen, ein Kellerpils mit 5,0% Alkohol. Eine schöne, kräftige Farbe (Bernstein?!?), ein malziger Körper, eine feine, angenehme Herbe. Schön durchtrinkbar. Ein feines Alltagsbier, und somit eigentlich ein guter Auftakt. Wenn … wir nicht an einem Autohof wären und ich noch fahren müsste. Es bleibt also bei einem kleinen Probierschluck.

Bier Nummer 2 – jetzt wird es spannend. Noch ein Pils, aber eines mit Heideblüten. Gerebelte Erika-Blüten wurden im Whirlpool verarbeitet und haben einen dezenten Duft und einen etwas intensiveren, sehr angenehm kräuterigen Geschmack ins Bier gebracht. Eine schöne Reminiszenz an die Lage der Brauerei in der Nordheide. Lokaler kann eine Zutat nicht sein. Mit 5,5% ist es ein bisschen kräftiger als der „kleine“ Kellerpils-Bruder.

Auch im dritten Glas ist von Reinheitsgebot nicht die Rede – passend zum hochsommerlichen Sonnenschein leuchtet im Glas ein erfrischendes Weizen, das Frisken. 4,9% Alkohol, viel Kohlensäure und einen zitronig-frischen Geschmack vom mit verbrauten Zitronengras. Eine sehr harmonische Kombination, und ich muss mich sehr beherrschen, das kleine Verkostungsglas nicht mit einem Zug weg zu exen.

alles schon mal ganz ordentlich

„Das ist ja mal alles dreies schon ganz ordentlich“, loben wir in norddeutschem Understatement. Jan grinst. Er könnte uns sicherlich zu jedem der Biere noch ewig viel an Details erzählen, aber alle paar Minuten steckt jemand die Nase zur Tür herein. Zwar ist der Taproom heute nicht geöffnet, aber die Tür ist nicht verschlossen, und Neugierige gibt es hier auf dem Rasthof offensichtlich genug.

„Und hier ist wirklich eine Brauerei?“, lautet die am häufigsten gestellte Frage, und sie bietet die perfekte Vorlage für Jan, dem oder der Fragenden gleich ein bisschen was zu erzählen. Und keiner, wirklich keiner verlässt die Brauerei, ohne nicht mindestens ein Sixpack gekauft zu haben – selten, ohne vorher ein kleines Glas, wenigstens einen Schluck, probiert zu haben.

Dass außer den Barsteen-Flaschen gar keine etikettierte Ware vorrätig ist (Jan füllt schließlich gerade erst ab …) ist kein Hindernis. Ganz im Gegenteil – er ist eine echte Marketingkanone und verkauft den Kunden das sogar noch als zusätzliches Gimmick. „Das Bier ist so frisch, frischer geht’s nicht. Vor fünf Minuten erst habe ich es abgefüllt. Hier, ich mache Dir schnell noch einzeln ein Etikett drauf.“ Er zückt den Prittstift, markiert auf dem Rand des Etiketts das Mindesthaltbarkeitsdatum, und der Kunde ist stolz. Extra für ihn abgefüllt, extra für ihn von Hand etikettiert!

Wir sitzen am Tresen und feixen. Wir werden wohl auch nicht ohne ein wenig flüssiges Handgepäck gehen können …

Jan schenkt sich einen Schluck Fremdbier ein – ein zehnprozentiges Quadrupel der niederländischen Jopenbrauerei, das Ongelovige Thomas. „Hier, das müsst Ihr auch probieren. Wenigstens einmal die Zunge damit nassmachen!“ Winzige Probierschlückchen werden verteilt. Ein sehr feines Bier, wenn auch weder zur Uhrzeit (es ist früher Nachmittag!) noch zur Sommerhitze passend.

Freunde des Hauses dürfen auch im Sudhaus herumklettern, solange sie nichts anfassen …

Biertrinken macht hungrig, und das gilt selbst für so winzige, homöopathische Dosen wie heute. Nebenan im Rasthof gibt’s gute und solide Küche, und das Personal ist so lieb und bringt die Teller mit den Essen auch gerne die paar Schritte rüber in die Brauerei.

Während wir was essen, dreht Jan den hereinschauenden Gästen die nächsten handetikettierten (fast hätte ich handsignierten geschrieben …) Sixpacks an und füllt die nächsten Flaschen ab. Parallel dazu erzählt er von seiner Brauerei. An den offiziellen Öffnungstagen sei immer was los. Die Menschen kämen mit dem Fahrrad vom nahegelegenen Campingplatz, es seien Bustouristen dabei, Beifahrer und Beifahrerinnen, die ja auch was trinken dürften, und Leute, die extra wegen der Brauerei hierher gefahren sind. Und ansonsten ginge es den ganzen Tag so zu wie heute – ein Sixpack nach dem anderen wandere über die Theke.

Jan lacht. „Hättet Ihr nicht gedacht, hier direkt an der Autobahn, ne?“

„Ach, fast hätte ich es vergessen“, fügt er noch hinzu. „Ich habe ja noch ein Rauchbier im Lagertank, das ich in zwei oder drei Wochen erst abfüllen werde. Wollt Ihr mal probieren? Dann zwickel ich Euch was!“ Sagt’s und reicht uns zwei winzige Probierschlückchen vom auf 5,2% Alkohol berechneten Schmöök Rauchbier, das auch jetzt schon, zwei Wochen vor Ende der Reifung blitzsauber schmeckt.

Eine sehr schöne Kostprobe zum Abschluss unseres Besuchs. Natürlich bewaffnen wir uns noch mit Sixpacks, ersparen Jan aber die Mühe des händischen Etikettierens. Einmal abfotografieren der „technischen Daten“ reicht – die Farben der Kronkorken genügen, um die Bierflaschen voneinander zu unterscheiden.

Also: „Eine Brauerei in einem Autohof an der Autobahn? Das ist kein Quatsch.“

Die Brauerei „De Lütte“ ist freitags und sonnabends von 15:00 bis 21:00 Uhr geöffnet. Wenn jemand da ist und arbeitet, braut oder abfüllt, ist meistens aber auch die Möglichkeit gegeben, Sixpacks zu kaufen. Aber bitte nicht bei der Arbeit nerven – wir wollen alle, dass das Bier so gut bleibt wie es ist, und dazu muss der Brauer Jan sich auch kümmern können. Die Anreise zum Autohof erfolgt am besten über die A7 – Autobahnabfahrt Evendorf. Von dort den Schildern zum Autohof folgen.

Bildergalerie

Brauerei „De Lütte“
Thaneberg 1
21 272 Egestorf
Niedersachsen
Deutschland

P.S. Und das sagen die anderen zum heutigen Brauereibesuch: „Endlich den berüümten Volker vun’n Brunnenbräu-Blog trefft för’n goden Schnack. Un de Treffpunkt weer vom Allerfeinsten! Lütt achter de Hamborger Grenz op’n Autohof Nordheide an de A7 gifft dat de fantastische Brauerei De Lütte mit den noch fantastischer’n Jan Koch – de eenzige op de Welt, de op’n Rastplatz steiht. Dat weer snackige Gespräke (kummt mol to hören!) un klasse Biers – so as dat Pils mit Heideblüten oder dat Weizen mit Zitronengras. Lüüd, fahr dorhen! Dat warrt ok nix, wat ji bedüern mutt, versprocken!“

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*


Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.