Flughafen Zürich – fast fünf Stunden Aufenthalt, bevor der Anschlussflieger geht. Gähn, wie langweilig!
Lust auf einen Bummel durch die immer gleichen Duty-Free-Shops? Nein, alles schon ‘zig mal gesehen. Wer außer Kettenrauchern kauft hier eigentlich ein?
Lust auf eine der zahlreichen Sports- oder Cockpit-Bars, in denen Möchtegern-Playboys davon träumen, dass sie mit dicken Armbanduhren, coolen Brillen, Macho-Sprüchen über angeblichen Vielflieger-Status (warum sitzen sie dann hier und nicht in der Lounge?) und AB InBev oder Heineken in der Hand wirklich eine der hübschen Reisenden betören können? Um Himmels willen …
Essen gehen? Es gab doch gerade im Flieger genug.
Was also? Bis nach Zürich in die Innenstadt ist es zu weit. Und Kloten, der Vorort Zürichs, der sich eigentlich nur über den Flughafen definiert? Vermutlich genauso langweilig wie die Flughafen-Bars.
Doch Moment mal, was ist das? In der Marktgasse, direkt in der Mitte Klotens: The Crafts. Ladenlokal. Degustationen, Barbetrieb, über 460 Sorten kaltes, feinstes Craftbier.
Na, dann wollen wir mal testen, ob der öffentliche Nahverkehr in der Schweiz wirklich so komfortabel und zuverlässig ist, wie immer behauptet. Raus aus dem Airport, direkt vor der Tür der Busbahnhof. Der Fahrkartenautomat ist simpel. Man gibt ein, wohin man will, wieviel Tickets man benötigt, schiebt irgendeine Kreditkarte ein, fertig. Der Bus kommt auf die Minute pünktlich. Ist blitzsauber. Der Bildschirm im Bus informiert über die nächsten Stationen in genau der erwarteten Präzision. Keine Werbeunterbrechungen. Sieben Minuten später stehen wir mitten in Kloten.
Architektonisch nicht wirklich spannend. Eher grau, wenig ansprechend. Sauber und zweckmäßig, aber Wärme strahlt die Stadt nicht aus. Höchstens direkt am Stadtbach, wo die Enten schnattern und das bunte Herbstlaub von den Bäumen rieselt.
The Crafts – rappelvoll, aber hervorragend sortiert und aufgeräumt
In einem der quadratisch-praktisch-gut-Gebäude dann aber: The Crafts. Zwei große Tonnen stehen davor auf der Straße. Unerhört! Stören sie etwa nicht das sonst so aufgeräumte Stadtbild? Stehtische für Herbstsonnengenießer und Raucher. Durch das Schaufenster sehe ich Kühlschränke und Regale. Dicht an dicht. Nichts wie hinein.
Christian Wüst, der junge Eigentümer, steht zwischen zwei Tischen, die Verkaufstresen, Zapftheke und Stehtisch in einem sind, begrüßt mich freundlich und bietet mir als allererstes ein Bier an. „Ein Bier habe ich immer vom Fass“, sagt er und deutet auf eine winzige Zapfanlage. „Heute ein Cream Ale aus der Braumanufaktur Schlachthuus, einer kleinen Brauerei ein paar Kilometer nördlich von hier.“
Ich lasse mich nicht zweimal bitten, und blitzschnell steht ein sorgfältig gezapftes Glas vor mir. Ein feines, ausgewogenes Alltagsbier. Nichts übertrieben Herbes, übertrieben Fruchtiges, übertrieben Malziges. Einfach nur ein schönes Trinkbier mit spürbarem Hopfencharakter und dezenten, fein-estrigen Noten. Ein ideales Bier, um dem Fernsehbiertrinker deutlich zu machen, was er eigentlich alles verpasst, ohne ihn gleich mit Bieren einzuschüchtern, deren Genuss man erst lernen muss.
Während ich an meinem Bier nippe, räumt Christian Biere hin und her. Ich wandere mit dem Glas in der Hand von einem Regal zum anderen. Grob nach Bierstilen sortiert, das IPA sogar in zwei Gruppen unterteilt – streng nach IBU, also nach International Bitterness Units. Links die milden, von 30 bis 59 IBU, also die Anfängerbiere, wie mancher Craftbier-Trinker lästern würde, und rechts die Biere für Fortgeschrittene oder für die, die wie mein polnischer Bier-Blogger-Kollege Tomasz Kopyra, eine Geschmacksschwäche haben und Bitterkeit erst dann schmecken, wenn andere schon eine pelzige Zunge bekommen, mit Bitterwerten von 60 bis 99. Alles jenseits von 99 ist sowieso Spielerei, da man in diesen Größenordnungen keinen Unterschied in der Bitterkeit mehr wahrnimmt. Da hat sich’s dann ausgebittert …
Während wir so zwischen den Regalen stehen, kommen wir über die Schweizer Bierszene ins Gespräch. „Bei uns platzt die Blase bald“, meint Christian. „Wir haben jetzt rund 800 Brauereien und damit pro Kopf die höchste Brauereidichte der Welt. So viel kann gar nicht getrunken werden, dass die alle wirtschaftlich arbeiten könnten.“ Im Vergleich mit den etwa 1300 Brauereien in der viel größeren Bundesrepublik Deutschland mag das stimmen – aber vorerst können wir als Biergenießer die Vielfalt einfach nur genießen und abwarten, wie es sich wirklich weiter entwickeln wird.
„Bottle Shops hingegen gibt es bei uns nur ganz wenige“, fährt Christian fort. „Die kann man eigentlich an einer Hand abzählen!“ Um so besser, dass es mir heute gelungen ist, einen dieser wenigen auch zu besuchen.
Ich gönne mir noch ein zweites Bier, von Docteur Gab’s, das Brassin d’été Cascade. Ein leichtes Sommerbier, mit gerade mal 5,0% Alkohol und leichten, fruchtigen Noten vom Cascade-Hopfen. Man merkt zwar, dass das Bier schon ein paar Monate alt ist, aber es ist noch gut trinkbar, noch sehr angenehm und fruchtig. Auch, wenn es schon nicht mehr Sommer ist.
die AirCrafts Lounge
Für den gemütlichen Genuss setze ich mich in die kleine AirCrafts Lounge, eine Sitzgruppe aus vier Original-Swiss-Air Sitzen mit einem kleinen Tisch in Form eines Tragflächenprofils, die Christian für Verkostungen hergerichtet hat. Links und rechts davon Seitenwände aus einem verschrotteten Flugzeug als Raumteiler. Und so wird die Pause zwischen zwei Flügen dann zu einer Fortsetzung derselben am Boden. Ein ganz neues Sitzgefühl für den Craftbier-Genuss …
Für mehr als zwei Bier reicht die Zeit leider nicht – erneut genieße ich die Präzision des Schweizer Busverkehrs und stehe wenige Minuten später wieder am Terminal. Es war definitiv die beste Möglichkeit, die Wartezeit zu überbrücken!
The Crafts ist montags bis mittwochs von 15:30 bis 20:00 Uhr, donnerstags von 12:00 bis 20:00 Uhr, freitags von 12:00 bis 22:00 Uhr und sonnabends von 10:00 bis 20:00 Uhr geöffnet. Als Bottleshop versendet The Crafts seine Biere auch per Post, und insbesondere auch nach Deutschland. Zu erreichen ist das kleine Geschäft mit Schanklizenz problemlos mit den Buslinien 731 bis 733 und 735 vom Flughafen Zürich in knapp sieben Minuten plus etwa 100 m Fußweg.
The Crafts
Marktgasse 1
8302 Kloten
Schweiz
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