Nachtrag 30. Juli 2021: Acht Jahre später sind wir endlich mal wieder in Windischeschenbach, endlich mal wieder in einer der gemütlichen Zoiglstuben. Die Sonne lacht, wir haben Zeit, und die Corona-Infektionszahlen erlauben einen relativ unbeschwerten Biergenuss. Insbesondere im Innenhof des Gloser, unter freiem Himmel.
der Zoigl („Zeiger“) weist uns den Weg
Die freundliche Bedienung ist gar nicht mal kurz angebunden, als sie uns mit nur einem Wort begrüßt: „Zwei?“ Und wir nicken: „Zwei!“
Mehr Worte bedarf es in der Oberpfalz in einer Zoiglwirtschaft nicht. Zwei Personen am Tisch, zwei Zoigl. Das Thema gilt dann als ausgiebig durchdiskutiert.
Serviert wird der halbe Liter Zoigl in einem Glaskrug, der nicht nur so aussieht, als sei er Jahrzehnte alt. Er ist es vermutlich auch. Das Wappen auf dem Glas kaum mehr erkennbar, das Glas selbst zerkratzt, und die Stoßkanten schon abgebröselt – sie haben mehr als einmal ihre Funktion wahrgenommen und unter Aufgabe von etwas Substanz das Glas selbst vor Bruch geschützt.
der Glaskrug scheint Jahrzehnte alt
Leuchtend rot lacht uns der Zoigl an. Nur schwach gespundet, wie es Sitte ist. Nur eine dünne Schaumschicht. Und dann: Malzaromatisch, solide, aber nicht aufdringlich gehopft und von einer Durchtrinkbarkeit, die nur wenige Biere erreichen. Man setzt an, trinkt und trinkt und trinkt, und man möchte gar nicht aufhören. Viel zu schnell ist der Krug leer, viel zu lange dauert es, bis ein neuer Krug kommt, obwohl die Bedienung doch gar nicht faul ist. Emsig saust sie zwischen den Tischen hin und her, wir hören, wie die Glaskrüge auf die Tische knallen, die leeren Krüge in ihrer Hand zusammenklirren.
und so verrinnt der Nachmittag
Ein endloser Reigen. Immer wieder feurig rot glühende Biere in der tiefstehenden Sonne, bald darauf ebenso feurig rot glühende Wangen der Zoigltrinker. Ein uraltes Ritual. Jedes Wochenende in einer anderen Zoiglwirtschaft, immer pünktlich nach dem Zoiglkalender. Heute beim Gloser, nächste Woche woanders.
Und immer wieder schön!
Zoiglstube „Beim Gloser“
Wenn man Bier trinken möchte, dann geht man in die Wirtschaft. So ist das überall auf der Welt. Außer vielleicht in Windischeschenbach in der Oberpfalz. Da geht man dann statt zum Kneipenwirt lieber zum Glasermeister oder auf Oberpfälzisch, zum Gloser.
Zoiglstube „Beim Gloser“
Beim Gloser, da gibt es nämlich echten Windischeschenbacher Zoigl. Wie all die anderen Zoiglwirte in dieser Stadt auch braut die Familie Popp das Bier im Kommunbrauhaus der Stadt und nimmt die fertige Bierwürze dann mit heim, um sie dort zu frischem Bier zu vergären. Und heim, das heißt im Falle des Gloser in die Glaserwerkstatt von Martin Popp.
Und wenn dann, streng nach Windischeschenbacher Zoiglkalender natürlich, beim Gloser wieder Ausschank ist, dann fasst die ganze Familie mit an, um die zahlreichen Gäste zu verwöhnen. Zum preiswerten, aber dafür um so leckereren Zoigl gibt es deftige Brotzeiten und viel Schweinernes.
die alte und unscheinbare Holztür führt ins Zoigl-Paradies
Obwohl: Einfach so Schweinebraten, so nennt man das beim Gloser nicht. Hier gibt es stattdessen „Variationen vom Oberpfälzer Schwein“. Die gemischte Schweineplatte mit Augenzwinkern benannt. Beste Grundlage für viele, viele Krüge vom Zoigl.
Schade eigentlich nur, dass wir, als wir am 1. Juni 2013 hier eingekehrt sind, uns noch ein paar andere Programmpunkte vorgenommen hatten und uns wirklich nur auf einen Zoigl hinsetzen konnten.
Na gut, auf zwei.
Aber nach dem dritten sind wir in der Tat gegangen!
Und haben vor lauter Zoigl-Genuss das Fotografieren ganz vergessen …
Die Zoiglstube „Beim Gloser“ liegt mitten in Windischeschenbach. An den Wochenenden, an denen es den frischen Zoigl gibt, also alle paar Wochen, fasst die ganze Familie Popp mit an und verwöhnt die Gäste den ganzen Tag lang, von Freitag bis Montag.
Zoiglstube „Beim Gloser“
Lehnerberg 2
92 670 Windischeschenbach
Bayern
Deutschland
Endlich mal eine stimmige Beschreibung einer Zoiglstube. Wobei das schwachgespundete langsam ausstirbt, weil es die örtlichen Trinker lieber spritzig wollen. Was für ein Unsinn. Ansonsten das Juwel der Bierkultur schlechthin. Nur noch übertroffen von den Gemeindebrauerein im Hausbrauerland zwischen Coburg und der Rhön, die aber nur Bier für privat brauen. Und natürlich meiner Neuschöpfung in Kaufbeuren, wie ich unbescheiden anfügen möchte.
Danke für Deinen Kommentar, Gernot.
Allerdings sind es wohl weniger die örtlichen Trinker, die es lieber spritzig wollen, sondern eher die Touristen. Die Zoiglstuben sind in den fast zwanzig Jahren, in denen ich die Szene dort beobachte, touristischer und kommerzieller geworden und haben sich dem Geschmack der zugereisten Gäste angepasst. Immer noch schön, immer noch urig, aber nur im eigenen Wohnzimmer und der für ein Wochenende freigeräumten Garage schenkt dort schon lange kein Zoiglwirt mehr aus.
Mit bestem Gruß,
VQ
Ein schöner Bericht – ich möchte mich sofort nach Windischeschenbach hinbeamen.
Und der alte Stegkrug – das ist ja wirklich eine Rarität! Die waren flächendeckend vor 60 Jahren in Gebrauch, und es ist extrem schwer, Exemplare zu finden, bei denen sich die vier Stege nicht in Teilen „weggeprostet“ haben. Ich mag diese Glasform und verwende meine alten Stegkrüge gerne für fränkische Lagerbiere.
Ich muss ehrlich zugeben, dass ich bei meinem diesjährigen Besuch beim Gloser zum ersten Mal einen solchen Stegkrug bewusst gesehen habe!
Mit bestem Gruß,
VQ