Bier
Weil’s schmeckt

Noch eine Bier-Zeitschrift!

Vor über fünfzehn Jahren hatte der Fachverlag Hans Carl die Idee gehabt, ein Magazin auf den Markt zu bringen, um „das Image von Bier zu verbessern und Bier als Kulturgut und hochwertiges Genussmittel darzustellen“. Biercult hieß diese Zeitschrift seinerzeit, hatte im März 2001 eine Startauflage von 200000 Stück, kostete 7,50 DEM und war nach ungefähr drei Ausgaben wieder vom Markt verschwunden. Kein Erfolg, anscheinend.

Warum nicht? Kein Interesse der Leserschaft? Oder war es doch nicht eher so, dass es zum damaligen Zeitpunkt einfach nicht genug Berichtenswertes auf dem deutschen Biermarkt gab? Wie viele spannende Artikel kann man über die großen Fernsehbiere schreiben, ohne sich zu wiederholen? Wenn ich mich recht erinnere, war bereits die erste Nummer thematisch schon sehr verwässert und enthielt neben Berichten über Biere und Brauereien auch einige Artikel über Cocktails, Szene-Bars (die damals alles Mögliche anboten, nur keine nennenswerte Biervielfalt) und Modetrends. Mehr Cult als Bier, und schon gar kein Biercult.

Heute sieht es anders aus. In den Bahnhofsbuchhandlungen, die immer der beste Anlaufpunkt für Spezialzeitschriften sind, liegen einige deutsche und deutschsprachige Magazine einträchtig nebeneinander. Aus Deutschland gibt es das craftbeer Magazin, Meiningers Magazin Craft, Bier & Brauhaus, und aus Österreich drängen Genuss bier.pur und 1515 auf den Markt. Daneben gibt es als echtes Fachblatt schon seit Jahrzehnten die Brauwelt, und als reine Online-Publikation kommt noch das Brau!Magazin hinzu. Eine recht breite Auswahl mittlerweile. Wer hätte das 2001 gedacht?

Seit knapp einem Jahr ist auch die Motor Presse Stuttgart, die neben Auto- und Motorradzeitschriften auch einiges an Lifestyle-Magazinen im Portfolio hat, mit einer Bierzeitschrift am Markt: Bier – Weil’s schmeckt.

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die Ausgaben der ersten beiden Quartale 2017

Handwerklich erstmal gut gemacht. Rund 150 Seiten, durchgängig farbig, hochwertiges Papier, gute Druckqualität, eingängiges und übersichtliches Layout. Man merkt, dass hier erfahrene Profis am Werk sind. Das Ganze für 5,90 EUR scheint nicht zu teuer, wenn der Inhalt denn halten kann, was das Äußere verspricht.

Die Themenvielfalt ist auf den ersten Blick recht ansehnlich. Die Ausgaben des ersten und zweiten Quartals 2017 decken fremde Länder ab (Japan, Neuseeland, Mexico, …), Konzerne (Heineken, ABInBev, SABMiller, …), klassische deutsche Bierkultur (Oktoberfest, Bierstadt Dortmund, …), Rohstoffe (Hopfen, Wasser, …), Bierstile (Pils, Bockbier, …), Bierszenen der Nachbarländer (Belgien, Niederlande, …) und mittelständische beziehungsweise regionale Brauereien (Lammsbräu, Forsthaus Templin, Pinkus Müller, …). Dazu kommen Artikel über Themen, die mit Bier im weitesten Sinne zusammenhängen oder unterhaltsame Aspekte wie die lokale Rivalität zwischen Kölsch und Alt beleuchten.

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ein breites Themenspektrum

Liest sich ganz nett, ganz flüssig, ist auch sehr ordentlich redigiert, und die Tipp- und Setzfehler springen dem Leser nicht in jeder Spalte sofort in die Augen.

Aber:

So gut wie nichts über die innovativen Kreativbrauer in Deutschland. Die, die mit ihren Produkten polarisieren und provozieren. Die, die aufgrund der merkwürdigen Interpretation einer veralteten Lebensmittel- und Wettbewerbsvorschrift aus dem Jahr 1516 (dem sogenannten Reinheitsgebot) im halblegalen Raum agieren (müssen), aber die Bierszene erst wieder so interessant gemacht haben, dass sich all die neuen Bierzeitschriften am Markt überhaupt halten können und ihre Auflagen verkauft bekommen.

Ohne diese kleinen, kreativen Brauer wäre die Aufmerksamkeit für Bier nicht auf dem Niveau, auf dem sie heute ist, und auch Bier – Weil’s schmeckt würde somit vermutlich nicht auf ausreichendes Interesse stoßen, um seine Auflage zu rechtfertigen. Aber hier werden sie nicht erwähnt.

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Bier – Weil’s schmeckt

So fügt sich das Bild zusammen: Ein aalglattes Magazin, das dann doch eher den konservativen (Fernseh-) Biertrinker ansprechen soll, der es schon mutig findet, wenn er statt seines Alltagspils mal ein Weißbier trinkt, der aber darüber hinaus von der wirklich spannenden Welt des Biers lieber gefiltert und aufbereitet erfährt, als sie selbst zu erleben. Weichgespült. Angepasst. Innovativ? Gerne, aber nur, so lange alles beim Alten bleibt.

Die Wychwood Brewery bewirbt ihr Hobgoblin-Bier mit der Frage „What’s the matter, Lagerboy, afraid you might taste something?“ – es wirkt, als sei diese Frage an die Leser dieser Zeitschrift gerichtet.

Ein Magazin für Menschen, die gerne bei allem mit dabei sind, solange es nicht anstrengt oder weh tut. Ein Salat mit Chilischoten, aber bitte nicht so scharf. Tattoos unter Narkose. Joggen lieber auf dem Laufband im Studio, als im Sommerregen. In meiner Studienzeit haben wir diese Art von Menschen immer Warmduscher genannt.

Ja, das ist es.

Ein Biermagazin für Warmduscher!

Nachtrag 7. September 2017: Nach nur wenigen Ausgaben wurde das Magazin wieder eingestellt. In einer kurzen Mitteilung berichtet der Motor Presse Verlag:

„Die Motor Presse Stuttgart GmbH & Co. KG wird das Magazin „BIER – WEIL´S SCHMECKT“  nach der Ausgabe #3/2017 nicht fortführen. Nach einem gelungenen und überaus hoffnungsvollen Start im Sommer 2016 konnten spätere Ausgaben die ambitionierten Erwartungen leider nicht vollumfänglich erfüllen. Die Entscheidung zu diesem Schritt haben wir uns nicht leicht gemacht, da das Redaktionsteam stets mit viel Engagement und Herzblut an der Konzeption und redaktionellen Umsetzung des Titels gearbeitet hat.
Wir danken allen Lesern, Fans, Anhängern und Geschäftspartnern  jedoch für das Interesse, den regen Austausch, die Unterstützung und das entgegengebrachte Vertrauen.
Euer BIER | Weil’s schmeckt Team!“

Bier
Weil’s schmeckt
Motor Presse Stuttgart GmbH & Co. KG
Stuttgart, 2017

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4 Comments

  1. Interessant aber auch ein bisschen hart, finde ich. Dass man in den ersten drei Ausgaben nicht sofort voll in die Nieschen und auf die Exoten springt finde ich nachvollziehbar. Es muss sich etablieren. Ich bin gespannt auf die nächsten Ausgaben. Ich gebe dem Heft eine Chance. Lasst uns nach Heft 10 noch einmal Bilanz ziehen, wenn dann nicht schon der Markt grausam geurteilt hat…
    Flutlichtgrüße und ein Küsschen von Thusnelda aus dem Land zwischen Sparrenburg und Hermannsdenkmal…

    • Hallo, Henrik,

      so richtig zustimmen kann ich Dir nicht. Das ist so ähnlich, als würde ein neues Automagazin auf den Markt drängen und dann in den ersten Ausgaben nur von VW und Opel berichten, aber keine Roadster oder Allradfahrzeuge erwähnen. Auch diese Nischen gehören von Anfang an dazu. Sie müssen das Heft ja nicht dominieren, aber sie fast völlig zu ignorieren, finde ich doof.

      Mittlerweile habe ich das Heft 3/2017 gelesen und habe das Gefühl, es wird langsam besser. Aber eben nur sehr langsam. Und das finde ich schade, denn es liest sich sonst wie eine Werbepostille der Fernsehbier-Brauer…

      Mit bestem Gruß,

      VQ

  2. Ich hab‘ das immer gerne gelesen. Gefiel mir auf jeden Fall deutlich besser als die Meininger-Variante, wo jede dritte Seite Werbung oder Interviews für oder über Fernsehbier sind, aber man vorgibt für die Craftbeer-Szene zu stehen. Das fand ich echt ganz fürchterlich.

    Mein Zeitschriftenheini erzählte heute, dass es diese Zeitschrift hier nicht mehr gibt und beim Googlen hab ich dann deinen Blogeintrag gefunden. Schade!

    • Hallo, London Rain,

      ja, Du hast sicherlich Recht. Zwar war die Zeitschrift „Bier – Weil’s schmeckt“ für meinen Geschmack zu sehr auf die Großbrauereien ausgerichtet und zu wenig auf die neue Bierszene, aber die Herausgeber sind damit wenigstens offen umgegangen.

      Im Meininger-Magazin schreibt man mehr über die neue Bierszene, bedient sich aber der Werbefritzen der Großkonzerne, und damit habe ich auch ein Glaubwürdigkeitsproblem. Da fehlt mir irgendwie eine aufrichtige Ansage irgendwann einmal in einem Editorial, oder so.

      Aber egal, ich werde das Meininger-Magazin trotzdem weiter lesen, und den Wegfall des Bier – Weil’s schmeckt bedauere ich auch irgendwo, weil es wenigstens ein weitere Ansatz war, das Thema Bier strukturiert in den Medien zu verankern. Leider gescheitert.

      Mit bestem Gruß,

      VQ

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