Die Bar mit der Leiter: Das Meisterstück München-Haidhausen.
Mit der Leiter?
Tja, in der Tat.
Zunächst halte ich es auch für einen Scherz. Gerade erst sind wir nach einem schönen, gemütlichen Bummel durch die Stadt in der Weißenburgerstraße angekommen und stehen für einen kurzen Moment vor der Front des Meisterstücks. Klein schaut es aus. Nur ein recht schmales Gebäude, und wir wundern uns, waren wir doch erst gestern im Schwesterrestaurant Meisterstück München-Pasing und haben dort das große und weitläufige Gebäude des ehemaligen Pumpwerks bewundert.
Wir gehen durch die Tür und stehen in einem erstaunlich kleinen Gastraum, der noch dazu von einem Kassentresen und einem großen Bierregal okkupiert wird und dazwischen nur wenig Platz lässt. Soll das jetzt etwa alles sein?
Nein, natürlich nicht. Direkt hinter dem Bierregal geht es weiter, an der Theke vorbei und in den hinteren Gastraum. Dort ist die gute Stube, dort können wir es uns gemütlich machen, etwas trinken und – vor allem – etwas essen. Der lange Tag in der Stadt hat uns hungrig gemacht.
Doch halt, was ist das?
Auf den ersten Blick wirkt die Theke völlig normal, wie in jeder Bierbar. Eine große, schwarze Tafel, auf der mit weißer Kreide die derzeit gerade angebotenen Biere verzeichnet sind. Biergläser. Leuchten. Doch was fehlt, sind die Zapfhähne. Die finden sich nämlich nicht an der Theke, sondern an der Wand rechts davon. Eigentlich noch nichts Besonderes, sollte man meinen, wären sie denn an der Wand nicht horizontal, sondern vertikal übereinander angeordnet.
Ein großes, schwarzes Brett und zehn Zapfhähne, die sich zufällig darauf verteilen. Etwa die Hälfte bequem in Reichweite der Arme, drei vielleicht mit etwas Recken zu erreichen, aber die oberen beiden mit Sicherheit out of reach. Ja, wie? Braucht man zum Zapfen hier wirklich eine Leiter?
Ja, man braucht. Bestellt der Gast eine der Bierspezialitäten, die nur ganz oben verfügbar sind, muss der Barmann oder die Barfrau eine kleine Trittleiter nehmen. Das Meisterstück München-Haidhausen verkündet das auch auf der Homepage schon ganz stolz, auch wenn man dort, als wolle man die Kritik der Pisa-Studien bestätigen, horizontal und vertikal verwechselt und sich auch sonst mit der Grammatik etwas schwertut, den Akkusativ Plural mit einem unnötigen „n“ verziert:
Witzig!
Für den Moment wollen wir den Barmann aber nicht stören, ihn nicht zu unnötigen Fitnessübungen zwingen, sondern lassen ihn in Ruhe das Schwarze Brett aktualisieren, um die neuen Angebote bekannt zu geben.
Noch ist im hinteren Gastraum fast nichts los. Wir amüsieren uns über die mit spaßigen Grafiken verzierten Tische, suchen uns ein schönes Plätzchen und blättern durch die Karte. Wie schon in Berlin und in Pasing ist das Angebot auch hier rund um Wurst, Fleisch und Bier gestrickt. Es gibt zwar Salate, es gibt sogar völlig vegetarische Gerichte, aber der Schwerpunkt ist das nicht. Getreu dem alten Motto: „Gemüse schmeckt am besten, wenn es das Schwein vorher gefressen hat.“
Wir entscheiden uns für eine schöne Auswahl an verschiedenen Würsten mit jeweils dazu passendem Senf. Viele Kräuter und Gewürze sind sowohl im Wurstbrät als auch in den Senfsorten verarbeitet, das gefällt. Die Salate und Gemüse, die wir uns als Beilagen dazu ausgesucht haben, sind ebenfalls spannend gewürzt, zum Teil auch schön scharf, und da passt natürlich am besten ein ebenso ausdrucksstarkes Bier dazu. Und davon bietet die Karte genug.
Die Wahl fällt auf ein helles Pale Ale und ein Dunkles Black IPA. Ersteres kommt aus Berlin, vom Straßenbräu: Das Sonnenal(l)e(e). 5,3% Alkohol hat es nur, dafür aber einen kräftigen, hopfigen Geschmack, einen kernigen und gleichzeitig süffigen Charakter. Und es ist spritzig. Ein schöner Durstlöscher, aber einer mit Substanz.
Das Black IPA namens Rudeen kommt aus der Brauerei Bevog, aus Bad Radkersburg in Österreich, nahe der slowenischen Grenze. Aus der Brauerei, die eigentlich eine slowenische sein sollte, aber aufgrund von seinerzeit noch nahezu unüberwindbar scheinenden bürokratischen Hindernissen kurzerhand auf die andere Seite der Grenze nach Österreich verlegt wurde, nur wenige Kilometer weiter. Europa macht’s möglich. Dort, mit weniger Bürokratie und offensichtlich mehr Routine der Ämter ging das Gründen der Brauerei ganz problemlos, und seitdem erfreut Vasja Golar nicht nur Österreich und Slowenien, sondern ganz Europa mit seinen spannenden Bieren, interessanten Biernamen und originellen Etiketten.
7,4% hat das Black IPA, und es kombiniert eine feine, aromatische Hopfenbittere mit Röstaromen und einer leichten Röstbittere vom dunklen Malz. Spannend. Und robust genug, um mit den kräftig gewürzten Würsten mithalten zu können. Eine prima Kombination.
Triumphierend blickt mich meine holde Ehefrau über den Rand ihres Bierglases an. Sie hat das Black IPA überraschend schnell ausgetrunken. „Du weißt, dass Du jetzt fahren musst?“, lautet die eher rhetorische Frage. Ich schiebe ihr resigniert mein noch fast volles Glas des Pale Ale hinüber. Nur einen kleinen Schluck habe ich probiert.
Aber wirklich schlimm sei das doch nicht, klärt mich Andrea Waldecker auf, die mit ihrem Mann Frank die Meisterstück-Lokale betreibt und uns heute Nachmittag persönlich bedient. Nur Augenblicke später habe ich ein alkoholfreies Bier vor mir stehen, das in Geschmack und Qualität einem „richtigen“ Bier nicht nachsteht. Und zwar wirklich nicht, und nicht nur als realitätsfremde Behauptung, wie sie schon in der Clausthaler-Werbung vor dreißig Jahren zu finden war. Dolden-Null aus dem Riedenburger Brauhaus. Ein alkoholfreies India Pale Ale. Hopfig, herb, kernig. Richtig prima. Eine exzellente Empfehlung, Andrea!
Das Meisterstück München-Haidhausen ist täglich von 11:00 bis 22:00 Uhr durchgehend geöffnet; sonntags ist Ruhetag. Zu erreichen ist es recht komfortabel mit der S-Bahn, Haltestelle Rosenheimer Platz. Dort halten fast alle S-Bahn-Linien (S1, S2, S3, S4, S6, S7, S8) und es sind etwa 250 m in ostwärtiger Richtung bis zum Meisterstück.
Das Meisterstück München-Haidhausen
Weißenburgerstraße 16
81 667 München
Bayern
Deutschland
Gibt es leider nicht mehr.
19.08.2024
Dankeschön für Deinen Hinweis, Dieter.
Da werde ich in den nächsten Tagen mal kurz ein Update schreiben.
Mit bestem Gruß,
VQ