Gutsortierte Bierfachgeschäfte, die nicht Masse sondern Klasse bieten? In denen 20 Regalmeter Bier nicht bedeuten, dass fünf verschiedene Marken jeweils vier Meter Bierkastenwand bilden, von denen dann die Wochenend-Griller aus der gesichtslosen Vorstadt pro vorgefahrenem SUV jeweils einen Meter abtragen, um sich im Kreise der Nachbarn und Freunde zur sonnäbendlichen Sportschau oder zum Formel-1-Rennen so richtig auszulitern? Geschäfte, die gut sortiertem Weinfachhandel gleich, lieber von jedem Bier nur eine Handvoll Flaschen anbieten, diese dafür aber sorgfältig auswählen und unter fachkundiger Beratung nicht nur an den Mann (echte Bierfans, die blind zwischen Oettinger, Warsteiner und Krombacher unterscheiden können, können nur Männer sein, heißt es ja), sondern auch an die Frau bringen?
Jahrelang, ach was, jahrzehntelang gab es so etwas nicht. Von ganz wenigen Ausnahmen, den an den Fingern einer Hand abzählbaren Pionieren mal abgesehen, Pionieren wir dem Bierland Hamburg oder P&M Getränke in Bad Godesberg.
Das hat sich zum Glück geändert, und immer mehr gut sortierte kleine Lädchen, meistens von begeisterten Bierfanatikern geführt, entstehen überall im Land. Zum Beispiel auch in Magdeburg, der so oft unterschätzten Provinzmetropole, die zwar Landeshauptstadt ist, aber von gefühlt fünfundneunzig Prozent der Bundesbürger (im Westen 99,8%) auf einer unbeschrifteten Deutschlandkarte nicht einmal auf 150 km genau lokalisiert werden kann.
Magdeburg also. Runter von der Autobahn, ein paar Minuten auf der vierspurigen Straße in Richtung Stadt, zweimal der Straßenbahn ausgewichen, und schon stehe ich vor meinem Ziel: Getränkefeinkost Magdeburg.
Getränkefeinkost? Klingt ein bisschen nach Reformhaus, nach Schonkost, nach veganen Müsliriegeln und Doppelherz. Ist aber ganz etwas anderes. Viel besser, nämlich.
Vor ziemlich genau drei Jahren schon habe ich Alexander Kusserow im Tap House Munich getroffen, begeistert hatte er mir von seinem Lädchen erzählt, und ich habe ihm in die Hand versprochen, dass ich bald mal vorbeikommen würde. Wenn ich mal in der Nähe von Magdeburg sein sollte.
Wenn, ja, wenn…
Wie gesagt: PROVINZ-Hauptstadt…
Jetzt aber. Endlich!
Ein kleiner, flacher Ziegelbau, trotz seiner Schlichtheit allein schon durch das Material gemütlich und anheimelnd wirkend, begrüßt mich, und nachdem ich durch die Tür bin und die erste – positive! – Überraschung hinter mir habe, kommt auch schon Alexander auf mich zu. Mit gespieltem Vorwurf – „Das verstehst Du also unter ‚bald mal‘… – Drei Jahre!“ – führt er mich einmal durch das Sortiment und erzählt ein wenig davon, wie er im Sommer 2012 diesen Laden hier in Magdeburg eröffnet hat und wie in den Jahren danach Schritt für Schritt weitere Läden in Berlin, Leipzig und Münster dazugekommen sind.
Langsam und solide solle das Wachstum sein, nur nichts überstürzen, sich übernehmen und dann vor der Pleite stehen, erzählt Alex. Als nächstes käme jetzt ein zweiter, größerer und schönerer Laden in Magdeburg, und dann würde man weitersehen. Es gebe noch genügend größere Städte im norddeutschen Raum, wo sich weitere Getränkefeinkostläden anbieten würden, Hannover, Bremen, Hamburg, Braunschweig – alles nah genug, um das Netzwerk eng halten zu können.
Aber, so fährt er fort, ich sei doch nicht wegen der Zukunftspläne hier, sondern wegen dem Lädchen selbst, oder?
Wir wandern von Regal zu Regal, und mir gehen die Augen über ob der Vielfalt der Biere. Nur noch ganz wenige größere Brauereien seien im Angebot vertreten, und nach und nach würden auch die ausgephast. Kleine Brauereien, gerne auch Wanderbrauer, mit qualitativ hochwertigen Bieren, das sei das Wichtigste. Dazu ein paar bekanntere Marken, gerade aus Belgien, Großbritannien oder den USA, die müssten auch sein, umgekehrt aber auch ein paar ganz kleine, die vielleicht gar nicht in der Lage wären, einem größeren Kundenansturm standzuhalten. Solche Exoten sind das Tüpfelchen auf dem „i“. Spricht’s und zeigt mir die Kühlschränke im Eingangsbereich. Brewckau-Biere stehen hier, oder Biere der Elbbrauerei Frohse – Biere, von denen selbst ich noch nichts gehört habe. Spannend!
„Und dann haben wir noch unsere Limonaden“, fährt Alex fort und malt mit der Hand einen großen Kreis in die Luft, der die nächsten drei, vier Regale einschließt. Über 50 verschiedenen Sorten sehe ich dort, mit den spannendsten und leckersten Zutaten. Rhabarber? Basilikum? Ingwer? Litschi? Was immer mir auch einfällt, die passende Limonade dazu steht in Reichweite.
Wir schnappen uns jeder eine Flasche und setzen uns am hinteren Ende des Lädchens in den schlichten, aber einladenden Verkostungsbereich. Ein paar Tische, ein paar Stühle und ein paar nette, alte Dekorationsartikel, vom Flohmarkt zusammengeklaubt und liebevoll arrangiert, stehen hier, und über allem thront ein altes Reklameschild der Diamant-Brauerei Magdeburg.
Wenn Zeit sei – und Zeit sei eigentlich viel zu selten – dann fänden hier auch Verkostungen statt. Oder die Kunden würden sich einfach mal eine Flasche aus dem Kühlschrank nehmen und hier oben in Ruhe austrinken, bevor sie ihren Einkauf beendeten, erzählt Alex. Das wären dann immer die besten Momente, wenn er mit den Kunden ins Gespräch käme und merken würde, wie seine Begeisterung für gute und handwerklich toll gemachte Biere anstecken würde.
Mich braucht Alex allerdings nicht erst anzustecken, mir reicht es völlig, als er mir hilft, die – viel zu vielen! – Biere zum Auto zu tragen. Wie immer wollte ich nur eine Handvoll Flaschen mitnehmen. Höchstens. Der Keller daheim ist nämlich voll, der Kühlschrank auch. Aber wie es immer so ist: Eine Handvoll, dann noch eine Handvoll. Dann noch eine Flasche hier und zwei dort. Und aus dem Kühlschrank nun aber wirklich nur eine Flasche. Beziehungsweise zwei. Und nochmal zwei, und aus dem Kühlschrank daneben dann auch noch vier.
Ach, es ist zum Heulen. Wann soll ich das alles nur trinken?
In gespielter Verzweiflung halte ich beim Zahlen das Display des Kartenlesers zu. Ich will gar nicht wissen, was das alles gekostet hat – aber ich weiß, dass jedes einzelne Bier seinen Preis bestimmt wert ist.
Noch einmal blicke ich zurück in den Laden. Tja, Magdeburg. Ist zwar einerseits Provinz, andererseits aber doch auch direkt am Autobahnkreuz. Warum führen mich meine Wege eigentlich so selten in diese Region? Einen Abstecher von der Autobahn ist Getränkefeinkost Magdeburg aber definitiv immer wert. Immer! Zumindest während der Öffnungszeiten.
Der Bier- und Limonadenspezialitätenladen Getränkefeinkost Magdeburg ist montags bis freitags von 13:00 bis 20:00 Uhr und sonnabends von 11:00 bis 20:00 Uhr geöffnet; sonntags ist zu. Ladenschlussgesetz. Wenn man nicht gerade mit dem Auto kommt und sich den Kofferraum randvoll laden möchte, bieten sich die Öffis perfekt an: Der Bahnhof Magdeburg-Buckau ist von Bus über S-Bahn bis zum ICE mit allen möglichen Verkehrsmitteln erreichbar und wurde offensichtlich gezielt direkt neben dem Bierlädchen errichtet.
Getränkefeinkost Magdeburg
Warschauer Straße 20
39 104 Magdeburg
Sachsen-Anhalt
Deutschland
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