Brauerei Reichenbrand GmbH & Co / Bräu-Stübl
Chemnitz
DEU

Ein kleines Beispiel dafür, dass die Social Media nicht nur Spielerei sind…

Eine lange Fahrt vom Allgäu nach Niederschlesien. Zu lang, um keine ausgiebige Pause zu machen. So stellt sich dann gegen Mittag die Frage, wo es denn hingehen soll, wo es jetzt eine leckere Kleinigkeit zum Essen geben wird, ohne dass der Umweg zu groß ist. Mein schlaues Telefon zeigt mir einen Korridor links und rechts der Autobahn, und in Chemnitz die Brauerei Reichenbrand nebst dazugehörigem Bräu-Stübl in diesem Korridor.

Bräu-Stübl? Das klingt gut. Heute ist Sonnabend, da wird die Brauerei sowieso geschlossen sein, da gibt es nicht viel zu kucken. außer vielleicht dem Gebäude selbst, aber Bräu-Stübl, das klingt nach lokaler Gemütlichkeit, nach gutem Essen und nach der Gelegenheit, vielleicht wenigstens ein oder zwei der hier gebrauten Biere zum Essen zu verkosten.

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Brauerei Reichenbrand

Von der Autobahnabfahrt aus sind es kaum mehr als fünf Minuten, und schon stehen wir vor dem langgestreckten Gebäude der Brauerei Reichenbrand. Das Wetter ist trübe und grau, und um so schöner und einladender leuchten die Fenster des Bräu-Stübl.

Im nett und ein wenig altmodisch dekorierten Schankraum finden wir noch ein schönes Plätzchen direkt am Fenster, und Augenblicke, nachdem wir Platz genommen haben, steht die freundliche Bedienung schon an unserem Tisch und bringt die Speisekarte. Mit der einen Hand öffne ich die Karte, mit der anderen versuche ich noch, bei Facebook meinen Standort einzuchecken, und nebenbei bestelle ich ein kleines Kellerbier – das naturtrübe Bier aus der eigenen Herstellung.

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nette Weihnachtsdeko

Meine holde Ehefrau sitzt mir gegenüber und schmunzelt ein wenig spöttisch. „Na, versuchst Du Dich im Multi-Tasking?“, stichelt sie und amüsiert sich über meinen Facebook-Spleen. „Als ob es jetzt zur Mittagszeit jemanden interessiert, dass Du gerade in der Brauerei Reichenbrand bist. Deine Blog-Artikel verstehe ich ja, aber dieses Ein- und Auschecken ist doch Quatsch!“

Vielleicht hat sie nicht unrecht, aber ich drücke dennoch auf die Schaltfläche „ich bin hier“ und widme mich dann meinem mittlerweile schon servierten Bier. Dunkelgoldene Farbe, eine nur leichte, ganz gleichmäßige Trübung, ein feiner, leicht fruchtiger Geruch, eine milde, aber durchaus spürbare Bittere auf der Zunge, 4,8%. Insgesamt ein schön süffiges Bier, das lediglich ein bisschen zu warm gezapft ist.

Da kommt auch schon das Essen. Deftig, große Portionen und schmackhaft. Mensch, da haben wir es doch mal wieder prima erwischt. Zufrieden schauen wir uns an, und gönnerhaft gesteht mir meine Frau noch ein zweites kleines Bier zu: „Ab jetzt fahre ich.“

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ein Glas Dunkles

Schnell, ehe sie es sich anders überlegt, bestelle ich mir ein Dunkles. Ebenfalls 4,8%, kräftig rotbraun, malzig und rund. Noch ein schönes, gut trinkbares Bier. Kein exotischer Stil, sondern solide, alltägliche Braukunst. So, wie es sich in einem Brauereigasthof gehört.

Ein netter Besuch, stellen wir fest. Jetzt kucken wir noch mal, ob das Brauereigebäude wenigstens von außen hübsch ist, und dann geht es weiter. Wir wollen gerade aufstehen, als ein junger Mann zu uns tritt und sich vorstellt: „Michael Bergt, ich bin hier der Brauer und Besitzer. Tilo Jänichen von der Ritterguts Gose hat Ihren Status bei Facebook gesehen und mir Bescheid gegeben, dass Sie hier sind!“

Ich kann einen kleinen triumphierenden Seitenblick zu meiner Frau nicht unterdrücken. „So, so, Ein- und Auschecken bei Facebook sind also Quatsch?“

Es entwickelt sich ein nettes Gespräch, in das sich auch das Servicepersonal des Bräu-Stübl einklinkt, und aus unserer kurzen Mittagspause wird nun doch ein etwas längerer Aufenthalt, denn nach ein paar Minuten bekommen wir noch die Möglichkeit, einen kurzen Rundgang durch die Brauerei zu machen – auch wenn Sonnabend ist und die Produktion natürlich ruht.

Wir eilen durch die verwinkelten Gänge und Treppenhäuser des über hundert Jahre alten Gebäudes. 1874 ist die Brauerei erbaut worden, und seit 1895 ist sie im Familienbesitz der Bergts. Allerdings nicht ununterbrochen, denn zu DDR-Zeiten wurde alles verstaatlicht, was nur ging, und auch die Brauerei Reichenbrand ereilte 1972 dieses Schicksal – Joachim Bergt, dem die Brauerei zu diesem Zeitpunkt gehört hatte, wurde zu einem Angestellten in seinem vormals eigenen Betrieb… Nach der Wende hatte er jedoch die Chance, die Brauerei zurückzubekommen; im April 1990 wurde sie reprivatisiert und ist seitdem wieder im Familienbesitz.

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Blick aufs Sudwerk

Michael Bergt zeigt uns stolz das Sudwerk. Unter der von außen ein wenig korrodierten Kupferhaube verbirgt sich gepflegte und zuverlässige Technik. 120 hl entstehen hier am Brautag – insgesamt fast ein Dutzend verschiedene Sorten. Es sind eher klassische Stile, mit Bockbieren als Saisonbieren, aber auch ein Red Ale ist dabei und – etwas ganz Besonderes – die Ritterguts Gose, die Bergt hier für Tilo Jänichen braut. Mit Milchsäure vergoren und unter Zusatz von Koriander und Salz handelt es sich hierbei um ein ganz ungewöhnliches Bier, dessen Tradition weit länger zurückreicht als die des sogenannten „Reinheitsgebots“.

Wir verfolgen den Weg des Biers, gehen vom Sudwerk am Plattenkühler entlang und kommen in den Gärkeller. Offene Gärung! Mein Herz macht einen Sprung. Es ist immer wieder herrlich, die offenen Gärbottiche zu sehen und zu beobachten, wie sich die dicken Kräusenschichten auf der Würze bilden. Manchmal blubbert es noch ein wenig im Gärbottich, und dann wird deutlich, dass die Bierbereitung doch ein lebendiger, biologischer Prozess ist.

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offene Gärung!

Lange könnte man diskutieren, ob die Vorteile der offenen Gärung (der klassische Gärprozess, das Austreiben von unerwünschten Aromastoffen und die Möglichkeit, die von der Hefe nach oben geförderten Hopfenharze abzuschöpfen) deren Nachteile (die Infektionsgefahr und die aufwändige Reinigungsarbeit von Hand, bei der die festgepappte Brandhefe aus den Bottichen gekratzt und geschrubbt werden muss) aufwiegen oder nicht. Letztendlich muss das immer der Brauer selbst entscheiden. Für den Besucher aber macht es einen großen Unterschied, ob er vor einem wunderschön und appetitlich anzusehenden Gärbottich oder vor einem seelenlosen hochtechnisierten ZKG-Tank steht.

Nach der Gärung kommt die Lagerung, und hier überrascht uns Michael Bergt mit einem kurzen Zick-Zack-Lauf durch ein Labyrinth aus zahlreichen Lagerkeller. Moderne Lagertanks hier, etwas ältere dort und ganz alte wiederum an anderer Stelle. Jeder Raum, jeder Winkel des alten Gebäudes scheint mit Lagertanks gefüllt zu sein, und alle sind sie noch in der Nutzung.

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die vollautomatische Abfüllung

Jetzt schnell noch am Filterblock vorbei, und schon stehen wir in der großen Halle mit der vollautomatischen Flaschenabfüllung. Ich bin von der Größe der Abfüllung überrascht – das hätte ich hier so nicht erwartet. Passend zur Größe der Abfüllung dann auch die Größe des Auslieferungslagers. Die Bierkästen stapeln sich bis unter die Decke, aber an den leeren Flächen zwischen den Palettenbergen sieht man auch, dass das Vorweihnachtsgeschäft gut gelaufen sein muss. „Viel ist nicht mehr da – wir werden im neuen Jahr gleich mit der Abfüllung beginnen müssen“, erläutert Bergt noch. „Aber Ihr braucht so lange nicht zu warten“, fügt er scherzend hinzu und drückt uns zwei Sixpacks in die Hand. Einmal das komplette Sortiment zum Mitnehmen.

Hochzufrieden verlassen wir die Lagerhalle und laufen zurück zum Auto. Eine kurze Mittagspause war geplant gewesen; eine ausführliche Pause mit netten Gesprächen und eine spontane Brauereibesichtigung sind daraus geworden. Den Social Media und dem „albernen Status-Update“ sei Dank!

Die Brauerei Reichenbrand liegt im gleichnamigen Chemnitzer Stadtteil und ist mit dem Auto in fünf Minuten von der Autobahn aus zu erreichen. Alternativ bietet sich die Regiobahn an – der Haltepuntk Chemnitz-Siegmar ist etwa fünf Minuten zu Fuß entfernt. Zur Brauerei gehört das Bräu-Stübl, das täglich außer montags ab 11:00 Uhr durchgehend geöffnet ist.

Bilder

Brauerei Reichenbrand GmbH & Co / Bräu-Stübl
Zwickauer Straße 478
09 117 Chemnitz
Sachsen
Deutschland

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