Beruflich unterwegs in Aachen. Das Hotel liegt an einer vierspurigen Straße am Rand der Innenstadt, mit wenigen Schritten sind alle wesentlichen Attraktionen erreicht. Dom, Rathaus, Theater, Elisenbrunnen. Dazwischen: Beton-Ödnis und Bausünden der 60er Jahre. Schön ist anders, und so ist der Stadtrundgang schnell beendet. Ein wenig frustriert ziehe ich mein Telefon aus der Tasche. Ob’s hier wenigstens gutes Bier gibt?
Hopfen + Malz verkündet mein schlauer Begleiter, der jetzt schon mehr weiß, als je im The Hitchhiker‘s Guide to the Galaxy verzeichnet war. Nur fünf Minuten zu Fuß vom jetzigen Standort entfernt. Ein Bierladen. Auf geht’s also, denn in allen guten Bierläden kann man wenigstens ein feines Bier aus dem Kühlschrank angeln und im Stehen trinken, während man seinen Einkaufskorb füllt.
Da ist der kleine Laden auch schon. Durch das Schaufenster sehe ich die Regale mit den Bierflaschen, ein paar nette Dekoartikel und, links an der Kasse, auch ein paar Zapfhähne. Na bitte. Wusst’ ich’s doch! Man kann auch Bier verkosten, nicht nur kaufen.
Ich drücke die Tür auf und staune zunächst über die sorgfältig sortierten Regale. Von jeder Sorte immer nur drei, vier Stück, dafür aber unzählige Sorten, in Dosen und Flaschen, in allen Größen, von klein bis ziemlich groß. Da vorne ist auch der Kühlschrank, den ich schon erwartet habe, und dahinter…
… toll, dahinter öffnet sich ein Bereich mit Sitzgelegenheiten. Dicke, rustikale Holzmöbel, aus alten Werkbänken oder Eisenbahnschwellen gefertigt, oder woher auch immer das Holz stammt. Also mehr als nur ein Bierladen; eher eine Kombination aus Bottle Shop und Bierbar. Sehr schön!
Mein Arbeitskollege steht noch vorne zwischen den Regalen und staunt, während ich schon die schwarze Tafel hinter der Kasse studiere. Fünf Biere gibt’s vom Fass; und guter Craftbier-Sitte folgend, gibt es sie alle auch in Probiergrößen. Ein Beer-Flight, fünf Gläser, ist schnell gezapft. Genau genommen, gleich zwei Flights, denn der Kollege ist neugierig geworden, möchte auch mitverkosten.
Wir nehmen an einem der dicken Eichenbalken Platz, und während der nette junge Mann, der den Laden heute schmeißt, zehn Gläser auf dem Tisch verteilt, entdecke ich an der Rückwand schon wieder etwas Neues, was mein Interesse erregt: Ein kleines Hobby-Sudwerk, eine Brau-Eule. Aha, hier werden also auch Braukurse abgehalten.
Insgesamt sogar zwölf Gläser (und ein Schälchen Erdnüsse) stehen nun vor uns, die Verkostung kann beginnen. Jeweils fünf Biere und dazu ein Glas Wasser, zum Neutralisierung und gegen den ersten Durst, denn zum Durstlöschen sind die Verkostungsgläser zu klein.
Erstes Bier, ganz klassisch: Peters Kölsch. Ein ganz normales Alltagsbier. „Müssen wir haben, denn es kommen viele Gäste, die auch einfach nur ihren Durst stillen möchten. In angenehmer Bier-Atmosphäre, aber ohne Experimente.“ 4,8%, hell, wenig Schaum, und: Viel Geschmack ist nicht. Ein Kölsch ist ein Kölsch ist ein Kölsch. Ungewöhnlich ist hier und heute nur, es aus dem Teku-Glas zu trinken, statt aus der klassischen Stange. Schnuppern, einen Verkostungsschluck nehmen, das Bier sachte über die Zunge rollen und dann langsam über den Gaumen laufen lassen. Das typische Verkostungsprogramm. Viel an Eindrücken bleibt nicht hängen, und so stürze ich den Rest des Glases kurzerhand in einem Schluck hinterher. So, wie ich das mit der Kölsch-Stange auch gemacht hätte. Da, und nur da liegt die Bestimmung eines Kölschs: Hopp und wech! Und am besten gleich noch eins.
Stattdessen folgt jetzt aber ein anderes Bier. Ebenfalls noch ein eher zu den Kipp- und nicht zu den Nipp-Bieren gehörender Stil: Helles. Das Lennet Bier. Die Eigenmarke von Thorsten Alles, der auch hinter dem Hopfen + Malz Bierladen steht. Laut eigener Beschreibung ein vollmundiges Pils, was ich allerdings für ein Paradoxon halte. Entweder Pils oder vollmundig. Pils hat schlank und trocken zu sein. Oder es handelt sich um ein Bier im Stil eines tschechischen Pilsners, dann sollte man es aber auch Pilsner netten und sich die Zeit für die drei zusätzlichen Buchstaben nehmen. Pils ist die nur in Deutschland benutzte, verkürzte Form, und Pils ist schlank. Basta! – Das Lennet Bier ist aber ganz in Ordnung. Würzig gehopft, in der Tat mit einem für ein Pils zu kräftigen Malzkörper, und mit einem feinen, kräftigen Aroma im Abgang, das fast schon ein wenig röstig wirkt.
Jetzt wird es aber ein wenig experimentierfreudiger. Bam Noire, von Jolly Pumpkin aus Michigan. Leicht säuerlich, leicht ledrig, also wohl mit Brettanomyces Hefe vergoren. Tiefschwarz, würzig, etwas fruchtig. Und das Ganze mit nur 4,5% Alkohol. Interessant, aber nachdem ich mein Probierglas geleert habe, stelle ich fest, dass mir diese Geschmackskombination auf Dauer etwas zu ermüdend wäre. Ein halber Liter von diesem Bier? Das wäre anstrengend.
Bier Nummer Vier: Opulent von der Brauerei Ale Farm. Es macht seinem Namen alle Ehre. Wuchtig, fruchtig, malzig, hopfig. Von allem viel. Auch vom Alkohol: Immerhin 8,0%. Sehr ausgewogen und anspruchsvoll. Auch hier wäre ein halber Liter recht viel, aber doch schon eher machbar. Am besten über einen längeren Zeitraum verteilt, im tiefen Ledersessel, in ein gutes Gespräch vertieft, immer mal wieder ein kleiner, genussvoller Schluck. Sehr schön, und ich vergebe gerne einmal fünf Sterne – eine Bewertung, mit der ich sehr sparsam umgehe.
Zum Abschluss unserer Probe noch das Oatmeal Raisin Cookies von Cigar City. Jetzt wieder wenig Alkohol (5,5%), dafür aber intensive Düfte und Aromen. Fruchtig, intensive Gewürznoten, recht voll und vieldimensionale auf der Zunge. Keksaromen, frischer Kuchen, Lebkuchen, es ist vieles drin. Bis es dann zum Schluck kommt. Dann ist alles vorbei. Der Abgang ist dünn, fast wässrig. Nach den Gerüchen und der Fülle im Mund erwartet man beim Schluck viel, aber es kommt nichts mehr. Ein degustatorischer Coitus Interruptus, gewissermaßen. Und so reicht es angesichts dieser fehlenden Befriedigung am Ende doch nur für vier Sterne. Aber immerhin.
Wir schauen auf die Uhr. Eigentlich wäre es ja Zeit, zurück ins Hotel zu gehen. Aber es ist, wie es immer ist: Wenn es gemütlich ist, geht ein Bier immer noch. Diesmal aus der Flasche, denn das Angebot an den fünf Zapfhähnen haben wir ja durch. Ein Brown Ale namens Young Adam folgt noch. Aus der Brauerei Clucking Hen Creative Brewing. 8,2% Alkohol. Adambier ist ein alter Dortmunder Bierstil, obergärig, extrem hohe Stammwürze, lange gelagert und ganz leicht säuerlich. Der Stil war eigentlich ausgestorben, einige wenige Brauereien versuchen gerade, ihn wiederzubeleben. Allerdings hat sich die Dortmunder Bergmann Brauerei den Markennamen Adambier schützen lassen, und so müssen sich die jungen Sauerländer Brauer von Clucking Hen eben anpassen. Brown Ale „Young Adam“ steht auf der Flasche. Vollmundig, ölig fast ist das Bier, kräftig, malzig und wuchtig. Ein schöner Abschluss für eine schöne Verkostung.
Gemütlich fülle ich mir den Rucksack noch mit weiteren Bierspezialitäten. Eine Flasche nach der anderen wandert hinein. Es ist ja zum Glück nicht weit bis zum Hotel; die paar Minuten werden die Trageriemen das Gewicht wohl halten.
Eine schöne Adresse, mitten in Aachen, ganz zentral gelegen. Ein gemütlicher Ort, der die grässlichen Bausünden in der direkten Nachbarschaft vergessen lässt. Schön hier!
Der Bottle Shop nebst Craftbeer Bar (oder ist es umgekehrt?) Hopfen + Malz Bierladen ist montags bis freitags von 12:00 bis 22:00 Uhr und sonnabends von 10:00 bis 22:00 Uhr geöffnet; sonntags ist zu. Er liegt zentral in Aachen am Südrand der Innenstadt, vom Hauptbahnhof etwa 400 m entfernt; keine fünf Minuten zu Fuß.
Hopfen + Malz Bierladen
Franzstraße 17
52 064 Aachen
Nordrhein-Westfalen
Deutschland
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