Nachtrag 29. August 2021: Erneut sind wir auf der Rückfahrt von einer bierigen Veranstaltung – diesmal war es die Hamburg Beer Week 21. Alle Züge waren pünktlich, aber der Fahrplan sieht trotzdem in Augsburg einen Aufenthalt von rund 40 Minuten vor. Die Kalkulation ist einfach: Fünf Minuten Fußweg mit den Koffern hin, fünf Minuten zurück, fünf Minuten Puffer, es bleiben also fünfundzwanzig Minuten für ein entspanntes Bier.
Pandemiebedingt sind der Biergarten und damit auch der hintere Eingang geschlossen; wir können das Riegele WirtsHaus nur über den Haupteingang erreichen. Statt gemütlichem Hocken mit Blick auf die vorüber rollenden Züge können wir heute nur auf der vorderen Terrasse sitzen. Nicht ganz so gemütlich, aber man hat sich Mühe gegeben, den Freisitz ansprechend zu gestalten.
So nehme ich direkt vor dem Bierbrunnen Platz; sein gemütliches Plätschern verschafft uns in der sommerlichen Nachmittagswärme Wohlbehagen. Noch schöner wäre es natürlich, würde aus seinen Rohren, so wie es beim Brauereifest manchmal ist, Bier statt Wasser fließen.
Stillleben mit Feinem Urhell vor Bierbrunnen
Es herrscht Selbstbedienung, und so hole ich mir drinnen an der Theke einen Krug einfaches Helles. Das Feine Urhell, wie es von der Brauerei genannt wird und mit der hohlen Werbephrase „klassisch gebraut“ versehen wird, ist mild, nicht allzu stark (4,7% Alkohol) und hat eine hohe Durchtrinkbarkeit. Kein Problem also, die stets vorhandene Ungeduld meiner holden Ehefrau, die sich Sorgen macht, den Zug zu verpassen, zu besänftigen und das Glas zügig und dennoch mit Genuss zu leeren.
Es bleibt sogar noch genügend Zeit, um an den Baum zu pinkeln. Die Toilette hier im Riegele WirtsHaus bietet nämlich für Hobby-Wildbiesler die Möglichkeit, völlig hygienisch an einen Baum zu urinieren. Der Baum ist zwar künstlich, und an ihm ist ein Pissoir befestigt, das es natürlich zu nutzen gilt, aber dennoch: Es ist mal ein anderes Toilettenerlebnis.
an den Baum pinkeln erlaubt
Gemütlich spazieren wir zurück zu den Bahnsteigen. Natürlich ist noch reichlich Zeit, und heimlich überlege ich, dass es vermutlich sogar noch für ein zweites Bier gereicht hätte. Hier, in der wohl schönsten Bahnhofskneipe Deutschlands.
Riegele WirtsHaus
Nachtrag 24. November 2019: Die Bauarbeiten am Augsburger Hauptbahnhof sind ein bisschen weiter fortgeschritten – mittlerweile kann man vom Bahnsteig 1 aus auf einem schönen, aus dicken Holzbohlen konstruierten Fußweg direkt in den Biergarten des Riegele WirtsHaus gehen, an den Schienen entlang und über die Straße. Jetzt, im Spätherbst, ist er zwar leer, aber die Hintertür zur Gaststube ist geöffnet.
Wir suchen uns einen schönen Platz und genießen das angenehme Ambiente, den freundlichen Service, das schmackhafte Essen und … natürlich das gute Bier. Zwar sind wir gerade erst auf dem Rückweg vom Craft Bier Fest Wien, aber trotzdem ist die Lust auf ein feines Bier da:
Speziator Doppelbock
Orange leuchtend steht der Speziator Doppelbock im einfachen Glaskrug vor mir. Ein feines Malzaroma, eine dezente Süße, eine schöne und runde Vollmundigkeit und ein weicher, fast samtiger Abgang – ein schönes und sehr süffiges Bier. Schnell könnte man seine 7,5% Alkohol vergessen und zu viel davon erwischen. Aber nicht hier und heute, unter den wachsamen Augen meiner holden Ehefrau, die mahnend den Zeigefinger hebt: „Es bleibt bei diesem kleinen Glas. Ich denke, wir haben die letzten beiden Tage genug gehabt!“
Sie hat, wie immer, recht, und so beschränken wir uns in der Tat auf ein Glas Bier, genießen das Essen und verbringen so die Wartezeit auf den Anschlusszug in bester Atmosphäre.
die direkte Verbindung mit dem Bahnsteig macht das Riegele WirtsHaus zur schönsten Bahnhofskneipe Deutschlands
Durch die direkte Anbindung mit dem Holzsteg ist das Riegele WirtsHaus nun ein ernstzunehmender Kandidat für die Kür zur schönsten Bahnhofskneipe Deutschlands!
Riegele WirtsHaus
Die Deutsche Bahn ist nicht ganz so schlecht wie ihr Ruf, aber dennoch kann es natürlich passieren, dass einem der Anschlusszug vor der Nase wegfährt und man ganz unverhofft mit einer oder gar zwei Stunden Aufenthalt konfrontiert wird. Passiert einem das in Augsburg, so wie mir heute am 2. Mai 2019, dann ist es allerdings nicht ganz so schlimm…
Nur wenige Schritte vom Bahnhof entfernt – nimmt man den richtigen Ausgang, dann ist es sogar nur einmal über die Straße – befindet sich nämlich das Brauhaus Riegele, eine Brauerei, die in den letzten Jahren nicht nur mit guter und konsistenter Bierqualität auf sich aufmerksam machte, sondern unter der Bezeichnung „Brauspezialitäten“ auch eine ganze Reihe von kreativen Bieren auf den Markt gebracht hat. Sebastian Priller-Riegele, der unter anderem im Jahr 2011 Weltmeister der Diplom-Biersommeliers geworden war, zeichnet für diese besonderen Biere verantwortlich.
Mitten auf dem Brauerei-Gelände: Das Riegele WirtsHaus
Mitten auf dem Gelände der Brauerei steht das Riegele WirtsHaus, und mit seinen sehr gastfreundlichen Öffnungszeiten bereits ab 10:00 Uhr morgens ist es die ideale Anlaufstelle für ein Weißwurstfrühstück, ein Mittagessen, eine Zwischenmahlzeit oder ein deftiges Abendbrot.
Viertel vor zehn ist es, als ich die Rücklichter meines Zuges sehe, und ganz, ganz langsam und gemütlich laufe ich zum Riegele WirtsHaus hinüber, so dass ich quasi mit dem Glockenschlag am Eingang stehe. Der erste Gast des Tages.
Gar so langsam hätte ich eigentlich gar nicht zu gehen brauchen, denn im Eingangsbereich des Wirtshauses befindet sich der Riegele Bierladen, und der hat bereits ab acht Uhr in der Früh geöffnet. Bierspezialitäten, Souvenirs, Deko-Artikel und kleine, bierige Geschenke – hier hätte ich die Zeit schon problemlos rumgekriegt.
Blick in den Bierladen
Die großen Schankräume sind mit viel Holz, aber mit klaren Linien und Verzicht auf Schnörkel in geradezu skandinavischer Schlichtheit eingerichtet. Geht man bis hinten durch, kann man am Fenster sitzen und den Zugverkehr im Bahnhof beobachten; bei gutem Wetter kann man auch draußen sitzen. Biergartenfeeling mit Bahnanschluss – genau das Richtige für Bier- und Eisenbahnliebhaber.
Zum Weißwurstfrühstück mit frischen Brezeln gehört natürlich, ganz klassisch, ein Hefeweißbier: Sebastian Riegele’s Weisse. Feine, fruchtige Aromen, ein voller und weich-hefiger Geschmack, eine kräftige und erfrischende, aber nicht übermäßige Spundung – das Bier ist sehr rund, und so kommt es, wie es kommen muss: Noch bevor die Weißwürste gegessen sind, ist das Bier schon alle.
Für einen Moment überlege ich. Es ist erst halb elf. Andererseits – ich bin in meiner Freizeit unterwegs, fahre mit dem Zug und nicht mit dem eigenen Auto, werde gleich ein paar Stunden bequem sitzen, vielleicht sogar schlafen können… Ach, egal!
„Ich hätte jetzt gerne noch eine Dunkle Weisse“, bitte ich die freundliche Bedienung, und Augenblicke später steht die Riegele Alte Weisse vor mir. Ebenso wie das helle Weißbier hat sie 5,0% Alkohol, ist aber im Glas fast klar. Ein feiner und etwas röstiger Charakter und leichte, fast karamellig wirkende Aromen gefallen mir gut. Es passt nicht ganz so perfekt zu den Weißwürsten wie das helle Weißbier, schmeckt aber zur Brezel ganz vorzüglich. Ich bin zufrieden.
fast schon nordische Schlichtheit
Während sich um mich herum die Tische langsam füllen, blättere ich noch ein wenig durch die Speise- und Getränkekarte. Rund ein halbes Dutzend Biere gibt es vom Fass, dazu noch einige aus der Flasche, unter anderem das ganze Sortiment der Brauspezialitäten – Biere in Stilrichtungen, die bis vor wenigen Jahren in Deutschland noch ganz unbekannt waren. Porter, Imperial Stout, Belgisches Dubbel, Pale Ale und India Pale Ale – mit diesen Bierstilen hätte man noch vor zehn Jahren die Kundschaft verschreckt, inzwischen sind sie zu einem Standbein und Aushängeschild des Brauhaus Riegele geworden.
Die Speisekarte ist ebenso umfangreich wie die Bierliste. Neben klassischen bayerischen Brauhausgerichten finden sich auch internationale Spezialitäten, und man verschließt sich neuzeitlichen Ideen genauso wenig wie alten, längst vergessen geglaubten Zutaten. So finden sich Bulgur, Chia und Goji genauso wie Pastinaken oder Rübstiel, und auch der Abschnitt mit den vegetarischen und veganen Speisen umfasst nicht nur einen Alibi-Salat und Nudeln, sondern eine schöne Auswahl unterschiedlicher und innovativ zubereiteter Gerichte.
die Getränkeauswahl wäre auch für einen längeren Aufenthalt ausreichend
Zufrieden schaue ich auf die Uhr. Die Wartezeit auf den nächsten Zug habe ich in perfekter Weise gefüllt – fast schon ertappe ich mich beim Gedanken, bei der nächsten Reise von vornherein eine große Umsteigepause in Augsburg einzuplanen. Ein Besuch im Riegele WirtsHaus wäre diese zeitliche Investition immer wert.
Oder vielleicht ließe sich ein solcher Aufenthalt auch einmal mit einer Brauerei-Besichtigung verbinden, schießt es mir durch den Kopf, als ich vor dem Wirtshaus eine Gruppe sehe, die darauf wartet, zur Führung abgeholt zu werden. Dann allerdings wäre es mit einer Stunde Zeit nicht getan…
Das Riegele WirtsHaus ist täglich ab 10:00 Uhr durchgehend geöffnet; kein Ruhetag. Der Riegele Bierladen ist montags bis freitags von 08:00 bis 20:00 Uhr und sonnabends von 10:00 bis 20:00 Uhr geöffnet. Zu erreichen sind beide mit allen öffentlichen Verkehrsmitteln hervorragend – es liegt direkt neben dem Augsburger Hauptbahnhof.
Riegele WirtsHaus
Frölichstraße 26
86 150 Augsburg
Bayern
Deutschland
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