Tag der offenen Flasche – 7. Februar 2020
Langenargen
DEU

Weit über 600 verschiedene Biere von rund 100 Brauereien und ein langer Abend, sie alle zu verkosten!

Was sich anhört, als würde gerade eine Woche nach der Braukunst Live! 2020 schon wieder das nächste große Bierfestival im süddeutschen Raum starten, ist eigentlich „nur“ eine Bierverkostung mit Tap Takeover in Langenargen.

Es ist der erste Freitag im Monat, Zeit für den Tag der offenen Flasche im KommproBier, dem „Bierlädele“ am Bodensee. Dieses Mal mit der Mashsee Brauerei aus Hannover. Eigner und Brauer Kolja Gigla hat den langen Weg aus dem hohen Norden auf sich genommen und stellt seine Biere im Schankraum aus, übernimmt die dort installierten fünf Zapfhähne, und gleichzeitig öffnen Helmut und Uli Heine, die KommproBier betreiben, die Türen zu ihren Kühlräumen, zu ihren vielen hundert verschiedenen Bierspezialitäten.

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Kolja Gigla von der Mashsee Brauerei

Wir kommen schon am Nachmittag an. Durchgefroren vom langen Spaziergang am Bodensee entlang suchen wir uns ein gemütliches Plätzchen in der großen Halle, direkt vor dem Heizgebläse. Während meine holde Ehefrau sich dort breitmacht und ihren Stuhl so lange hin und her rückt, bis sie genau im Strahl der warmen Luft sitzt, lege ich nur meinen Mantel ab und gehe erstmal in den Schankraum am anderen Ende. Kolja hat sich hier schon eingerichtet und nicht nur die fünf Zapfhähne okkupiert, sondern auch noch einen sechsten daneben installiert und angeschlossen. Sechs Mal Mashsee vom Fass – sechs spannende und durchweg hervorragend trinkbare Biere. Das ist es, wofür Mashsee bekannt ist: Biere in hervorragender und gleichbleibender Qualität, immer mit dem gewissen Etwas, gerne auch mal mit ungewöhnlichen Zutaten, aber immer hervorragend trinkbar, nie so ermüdend, dass nach ein oder zwei durchaus aufregenden Schlucken die Lust nachlässt und sich eine gewisse Trinkmüdigkeit einstellt. Durchtrinkbare Biere, also.

Ich greife mir einen der hier immer vorbereitet stehenden Tester und bin erstmal ratlos. Fünf Gläschen im Tester, sechs Zapfhähne. „Naja“, sagt Kolja, „Du kennst meine Biere doch sowieso fast alle. Nimm‘ halt das nicht, das Du schon am besten kennst.“ Die Wahl fällt auf das Trainingslager, Koljas erstes und erfolgreichstes Bier. Ausgezeichnet und immer wieder gut, aber eben auch das, was ich von ihm bisher am häufigsten getrunken habe.

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5 x Mashsee

Während Kolja mir die Gläschen füllt, erzählt er, wie schön es ist, im Februar hier nach Langenargen zu kommen. Gemeinsam mit seinem Vater nutzt er die Gelegenheit, zunächst hier sein Bier auszuschenken, viel Spaß zu haben und spannende andere Bierspezialitäten zu verkosten, und danach geht es noch ein paar Tage in die Berge, zum Skifahren.

Hinter mir drängelt ungeduldig der nächste durstige Bierliebhaber, und so mache ich den Weg frei und gehe mit meinem Tester zurück an unseren Tisch vor dem Heizgebläse.

Gemeinsam machen meine Frau uns an die Verkostung und löschen unseren ersten Bierdurst. Der Leichtathlet macht den Auftakt, ein Session Lager mit nur 3,8% Alkohol. Man spürt zwar, dass es ein Leichtbier ist, weil der Körper und die Vollmundigkeit fehlen, eine kräftige und aromatische Hopfung sorgt aber dafür, dass es trotzdem hervorragend schmeckt. Vier Sterne für ein Leichtbier, das gibt es bei mir nicht oft.

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Go-to Hell – fast zu schnell getrunken, um noch ein Foto zu machen

Statt des Trainingslagers ist im nächsten Glas nun das Go-to Hell drin, ein einfaches Helles für den großen Schluck. 4,8% Alkohol. Ein klassisches Biergartenbier. Nur, dass es heute nicht warm genug ist für echte Biergartenstimmung, und so kommt uns das Bier in seiner Normalität und Trinkbarkeit regelrecht langweilig vor. Schnell also weiter zum nächsten Glas, dem Beverly Pils. Zwar ebenfalls nur mit 4,7% Alkohol und ebenfalls als Trinkbier gedacht, aber mit seinen Hopfen Citra und Magnum und der kräftigen Kalthopfung macht es Eindruck. Es ist dann zwar kein „richtiges“ Pils mehr, schmeckt aber um so besser. Kolja macht auch keinen Hehl daraus, dass er den Stil Pils mit diesem Bier recht kreativ interpretiert und schreibt „Pils gehört eigentlich nicht so :)“. Wir sind zufrieden!

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Aha!

Es geht weiter mit Mashine. Ein Imperial Pale Lager mit 6,8%. Das spannende bei diesem Bier: Jeder Sud wird anders gehopft. Wer also als Hopfenliebhaber immer mal was Neues verkosten möchte, der darf sich auf den jeweils neuen Sud der Mashine freuen. Ausdrucksstark, aber nicht überhopft – die holde Ehefrau und ich sind hochzufrieden.

Den Abschluss des Mashsee-Reigens macht das Moonshine, das in Zusammenarbeit mit der Hamburger Buddelship Brauerei von Simon Siemsglüss entstanden ist. Ein Imperial Pils ist es, also ein kräftig gehopftes Lagerbier mit höherem Alkoholgehalt – 7,0%. Es erinnert mich ein wenig an einen klassischen, norddeutschen Maibock. Ob Einbecker, Barre oder welcher Maibock in Niedersachsen auch immer – diese Biere waren früher recht hopfig und ziemlich hell, hatten knapp sieben Prozent Alkohol und waren im Gegensatz zur bayerischen Interpretation eines Bockbiers auch nicht übermäßig vollmundig oder gar mastig. Braut man einen solchen norddeutschen Maibock etwas schlanker ein, etwas trockener – schon ist man nahe dran am Imperial Pils Moonshine. Ein außerordentlich schöner Abschluss unseres kleinen Biertests.

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langsam füllen sich die Tische vor der „Wall of Beer“ mit durstigen Gästen

Aber der Tag der offenen Flasche ist mehr als nur die Verkostung von einem halben Dutzend Bieren eines extra angereisten Brauers. Zusätzlich darf sich jeder Gast nun nach Herzenslust in den Kühlräumen des Getränkemarkts bedienen. Egal welche Flasche, egal welcher Stil, welche Größe, welcher Preis. Einzige Bedingung ist: Das Leergut wird in extra dafür vorbereiteten Holzkisten gesammelt, und am Ende wird an der Kasse bezahlt, was getrunken wurde.

„Ich habe Lust auf etwas ganz Feines, etwas Holzfassgereiftes“, entscheidet sich meine holde Ehefrau. „Heute trinken wir nichts gegen den Durst, sondern genießen ganz exklusive Spezialitäten!“

Ihr Wunsch ist mir Befehl, und so beginnen wir mit einem Bier der estnischen Põhjala Brewery, und zwar aus deren Cellar Series das Sombrero. Laut Etikett ist es ein Barrel Aged Imperial Porter, a Mezcal Barrel Aged Imperial Porter brewed with Belyzian Chocolate and Flamed Orange Zest, und hat 11,5% Alkohol. Sämig viskos fließt es ins Glas, tiefschwarz ist es, und es bildet sich eine dünne Schicht leicht beigefarbenen, kremigen Schaums. Dezent fruchtige Noten, ein bisschen harzig vielleicht, sind zu riechen, sie kommen wohl von den Agaven, aus denen der Mezcal gebrannt worden ist, werden aber durch die Orangenschalenanteile verstärkt. Die Kakao- und Schokoladennoten des gerösteten Malzes und der hinzugegebenen Schokolade paaren sich auf’s Feinste mit ihnen, und in winzigen Schlucken genießen wir dieses Bier.

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Dinosaurs in Lederhosen

Während wir noch so den letzten Schlucken nachsinnen, kommen Helmut und Uli feixend an unseren Tisch: „Wir haben da was ganz Besonderes! Ein Bier, dass von Sebastian Sauer ausschließlich für die USA gebraut worden ist. Nur zwei Dosen haben den Weg nach Europa getrunken, und eine davon haben wir hier, und die trinken wir jetzt!“ Freigeist – Dinosaurs in Lederhosen, nennt sich das Bier und ist ein Kveik Gose Ale. Fünf Prozent Alkohol, gebraut als Gose, soll heißen als Sauerbier mit einem Hauch Salz und Koriander, und vergoren mit norwegischer Kveik-Hefe. Im Resultat ein dezent säuerliches, rundes, leicht mineralisch schmeckendes Bier. Die Beschreibung, der Name und das grelle Etikett lassen vermuten, dass hier in bester amerikanischer Manier geschmacklich alles übertrieben wurde, aber dem ist nicht so. Ganz im Gegenteil: Säure, Salz, phenolische Hefearomen – alles ist dezent und schön ausbalanciert. Selbst mir, der ich Sauerbiere doch eigentlich gar nicht mag, behagt das Bier sehr!

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im Kühlraum auf der Suche nach neuen Spezialitäten

Nach dem kleinen und unterhaltsamen Zwischenspiel suchen wir im Kühlraum wieder nach etwas Fassgelagertem. Die Holzknackerbiere von BrewAge aus Wien fallen mir ins Auge. Zwei Barrel Aged Barley Wines stehen nebeneinander, einer im Rumfass gereift, der andere im Bavarian Single Malt Fass. Ich kann mich nicht entscheiden und nehme mal beide Flaschen mit an den Tisch. „Beide! Nacheinander!“, entscheidet meine Frau.

Die Limited Edition III, gereift im Rumfass, 12,9% stark, begeistert. Voll und rund, feine Rumaromen, aber nicht zu dominant, eine schöne, runde alkoholische Wärme. Ein wunderbares Bier. Die Limited Edition V, die aus dem Fass mit Bavarian Single Malt, ist bei gleichem Alkoholgehalt ebenfalls ein fantastisches Bier, im direkten Vergleich aber einen Hauch weniger rund, der Alkohol einen Hauch spritiger. Trotzdem reicht es auch beim zweiten Bier locker für die Höchstwertung mit fünf Sternen – lediglich im direkten Vergleich fällt die Edition V gegenüber der III ab.

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Holzknacker – Limited Edition III

Zwei herrliche Biere, die den Abend für heute beschließen sollen. Während andere Gäste ihre Holzkisten mit Leergut schon randvoll haben, schauen wir auf gerade einmal drei kleine Flaschen. Aber rechnen wir den Genuss und den Alkohol hoch, dann haben wir es uns sicherlich nicht schlechter gehen lassen als die anderen.

Vor das Zahlen und den Abschied haben die Götter aber noch ein Hindernis gestellt, und zwar in Form von Uli, der Gastgeberin: „Wir probieren jetzt noch das Cuvee Barrique 18,2 vom Schorschbräu. Vorher geht Ihr mir nicht aus dem Haus!“ Sie verteilt den Inhalt der kleinen Flasche auf vier Probiergläser, und gemeinsam genießen Helmut, Uli, meine Frau und ich in winzigen Schlucken diese Spezialität. Weich, kremig, geradezu samtig läuft das Bier über die Zunge. Süßlich und voll, aber nicht klebrig. Hoch alkoholisch, aber nicht spritig. Wenn wir die Gläser schwenken, dann bilden sich feine Flüssigkeitsnasen am Glasrand, fast wie bei einem Weinbrand. Ein Bier, bei dem alles stimmt. Scherzhaft diskutieren wir darüber, ob ich für dieses Bier nicht meine Bewertungsskala nach oben auf sechs Sterne erweitern müsse, und genauso im Scherz biete ich Schorsch Tscheuschner per Textnachricht an, den Rest dieses Suds aufzukaufen. „Sind aber 4500 Flaschen“, kommt postwendend die Antwort. Für einen Moment überlegen wir. „Wenn wir alle vier zusammenlegen? Jeder nimmt 1000?“ Großes Gelächter. Aber es ist wahr: Dieses Bier, das war jetzt wirklich der beste Abschluss, den der heutige Tag der offenen Flasche für uns haben konnte.

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eine von 4500

Der Tag der offenen Flasche – jeden ersten Freitag im Monat öffnet der Getränkemarkt KommproBier seine Kühlräume für ein kleines Bierfest und lädt einen befreundeten Brauer zum Tap Takeover ein. Es beginnt irgendwann im Laufe des Nachmittags und endet, wenn der letzte Gast den Weg aus dem Kühlraum wieder herausgefunden hat.

Bilder

Tag der offenen Flasche – 7. Februar 2020
KommproBier
Mühlstraße 28
88 085 Langenargen
Baden-Württemberg
Deutschland

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