Bad Schussenried? Eigentlich nicht mehr als ein kleines Städtchen in Oberschwaben. Noch nicht mal 10 000 Einwohner. Kaum der Rede wert.
Und warum sind wir dann heute hier?
Weil es mitten im Örtchen seit über 100 Jahren eine Brauerei gibt, die mit ihren Bieren, aber auch mit dem Brimborium, das sie rund um ihre Biere und ihre Brauerei veranstaltet, in der ganzen Region und teilweise auch darüber hinaus bekannt ist: Die Schussenrieder Brauerei Ott. 1906 kam eine alte Brauerei in den Besitz der Familie Ott, und dort befindet sie sich seit mehreren Generationen.
Blick auf das Sudhaus
Wir fahren auf das Stadtzentrum zu, und da sehen wir auch schon linker Hand die großen Hinweise auf die Brauerei und auf das Bierkrugmuseum, das sich ebenfalls hier befindet. Zwischen einem riesigen Holzfass und einer ziemlich verfremdeten Stahlskulptur eines bierkrugschwingenden Biertrinkers fahren wir hindurch und stellen den Wagen auf dem großen Parkplatz ab.
der bierkrugschwingende Trinker
Unser Weg führt uns hinter dem Brauereigebäude entlang. Hier befindet eine schöne Sammlung von alten Kutschen und Biertransportern. Kleinlastwagen von vor fünfzig und mehr Jahren, schöne Bierkutschen, alles steht ordentlich präsentiert und beschriftet, und die Besucher der Brauerei können wie in einem Museum an den Exponaten entlangschlendern. Schade nur, dass die großen Scheiben, hinter denen die Fahrzeuge stehen, so stark in der Sonne spiegeln, dass man nicht alles gut erkennen kann. Aber vielleicht sind die Ausstellungsstücke ja abends beleuchtet und sind dann besser erkennbar?
ein alter Bierlaster vom Typ Magirus
An der Außenwand des Sudhauses stehen zahlreiche überdimensionierte Ostereier – eine ganz erkleckliche Sammlung. Auch sie sind Teil der Erlebniswelt rund um die Schussenrieder Brauerei Ott. Die Stadt hat diese Kunststoffeier vor Jahren zur Verfügung gestellt, und sowohl Privatpersonen wie auch Geschäftsleute und Firmen konnten die weißen Eier künstlerisch gestalten und sich so verwirklichen und Werbung in eigener Sache machen. Viele diese Eier haben nun den Weg zur Brauerei gefunden und stehen hier quasi als Dauerausstellung herum. Ob sie von der Brauerei gezielt gekauft oder gesammelt wurden, oder ob es sich einfach nur als „Ostereierfriedhof“ ergeben hat? Ich weiß es nicht, aber ein Blickfang sind die Eier allemal.
ein Ostereierfriedhof?
Wir bummeln weiter und kommen zur Vorderseite des Sudhauses und dem gegenüberliegenden Biergarten. Hier wie überall sind die Bereiche der Brauerei sorgfältig beschriftet – die Besucherin oder der Besucher weiß jederzeit, wo sie oder er sich gerade befindet, welchem Zweck ein Gebäudeteil dient und was hinter den Mauern passiert. Man kann also einen ganz individuellen Brauereirundgang machen, ohne Führung. Und wenn man Glück hat, so wie heute, dann steht bei gutem Wetter auch die Tür zum Sudhaus weit offen und man kann die Pfannen und Bottiche ohne störende Glasscheibe sehen.
Blick in das Sudhaus
Allerorten stehen zwischendurch auch irgendwelche Skulpturen herum, ein großer Maibaum erhebt sich über dem Parkplatz, überdimensionale Bierkrüge aus Holz oder ebenfalls aus Holz geschnitzte Biertrinker und Biertrinkerinnen dienen als nette Fotomotive. Und immer wieder: Die großen Eier.
Jetzt sind wir aber genug über das Gelände gebummelt, jetzt haben wir Hunger und Durst und setzen uns in den Biergarten unter die schattigen Bäume. Von zwei Seiten gleichzeitig sausen ein junger Mann und eine junge Dame auf uns zu und wollen uns die Speisekarte bringen. „Oh, so viel Aufmerksamkeit“, denken wir noch und freuen uns.
der Biergarten
Bei trotz 30°C kräftigen Windböen kämpfen wir mit dem großen Papierblatt, und irgendwann haben wir uns dann auch entschieden, was wir essen und trinken wollen. Aber nun beginnt das Problem: Was wir eben noch als viel Aufmerksam interpretiert haben, ist leider ein völlig chaotischer Ablauf im Biergarten. Alle Bedienkräfte, wirklich alle, sind ausnehmend freundlich, hoch motiviert, flitzen hin und her und haben für jeden Gast und jede Gästin ein fröhliches Wort und ein Lächeln parat. Aber koordiniert ist da nix. Gar nix!
So dauert es unendlich lange, bis wir unsere Getränke bestellen können, und dann noch mal so lange, bis wir sie auch bekommen. Bevor wir das Essen bestellen können, ist der junge Mann, der das Bier gebracht hat, aber schon wieder weggehuscht. Wir winken eine Weile nach seiner Kollegin, die irgendwann dann auch an unseren Tisch kommt. „Wir würden gerne etwas zu essen bestellen“, signalisieren wir ihr, und sie freut sich: „Ich komme sofort.“
während wir auf den Service warten, entdecken wir immer neue Deko
Sie hat ein leeres Tablett in der Hand, und wir beobachten, wie sie in aller Eile die Treppe in den Schankraum hinaufflitzt, das Tablett dort auf der Theke deponiert und immer noch eilig, eilig wieder zu uns zurückflitzt, die Bestellung aufnimmt und die gleiche Treppe wieder hochsaust, um die Bestellung dort weiterzugeben, wo sie eben auch das Tablett abgeliefert hat. Warum sie zweimal rauf und runter gelaufen ist, anstatt Tablett und Bestellung gleichzeitig nach drinnen zu bringen, das wissen wir nicht, aber wir sehen, dass diese Ineffizienz so typisch für alle hier Bedienenden ist. Die Tische sind nicht zwischen den Servicekräften aufgeteilt, jeder flitzt überall herum, und die typische Verhaltensweise, auf dem Weg eben schnell noch Geschirr, Tabletts oder so mitzunehmen oder die Getränke für zwei Tische gleichzeitig mitzubringen, ist nicht zu beobachten.
Uns tun die Damen und Herren fast schon leid – sie machen es sich selbst so schwer …
Ott Spezial
Zum Glück habe ich mein Bier schon vor mir stehen, das goldglänzende und schön ausgewogen schmeckende Spezial mit 5,3% Alkohol. Es hilft mir, die Wartezeit zu überbrücken, und der Glaskrug eignet sich hervorragend, mein breites Grinsen zu verdecken, wenn ich mal wieder sehe, wie sich zwei Bedienungen gleichzeitig um einen Tisch kümmern, während der Gast zwei Tische weiter vergeblich versucht, eine Bestellung aufzugeben.
Ach, sie sind alle viel zu lieb und freundlich, als dass wir uns jetzt wirklich aufregen sollten …
Nachdem wir gegessen, getrunken und bezahlt haben, nutzen wir noch die Gelegenheit und gehen in das obere Stockwerk über dem Schankraum und besichtigen dort das Bierkrugmuseum. Auf verhältnismäßig kleiner Fläche werden hier Bierkrüge aus aller Welt und aus allen Epochen gezeigt. Schmuckkrüge, die aufgrund ihrer vielen Verzierungen gar nicht zum Trinken geeignet sind, einfache Steingutkrüge, aus Holz geschnitzte oder wie Fässer aus Dauben zusammengesetzte Humpen, dicke Gläser – es ist alles dabei. Reservistenkrüge, Oktoberfestkrüge, Hochzeitskrüge, Erinnerungskrüge an irgendwelche Jubiläen. Ein wirklich buntes und abwechslungsreiches Sammelsurium.
im Bierkrugmuseum
Und dazwischen immer wieder irgendwelche bierigen Exponate.
Ein kurzweiliger und spannender Rundgang über zwei Ebenen, für den man sich Zeit nehmen sollte, um all die interessanten Kleinigkeiten am Rande nicht zu übersehen.
Bevor wir zum Auto zurückgehen, werfen wir noch einen Blick in die Schankräume, die heute, bei bestem Sommerwetter, natürlich verwaist sind. Auch sie sind über und über mit Dekoartikeln verziert, und man könnte hier am Stammtisch sitzen, sein Bier genießen, stundenlang den Blick über die Wände schweifen lassen und immer wieder etwas Neues entdecken.
üppige Dekoration in den Schankräumen
Kein Wunder, dass die Schussenrieder Brauerei Ott sich auch Erlebnisbrauerei nennt und deswegen auch zu einem Ausflugsziel geworden ist. Die Biere sind nicht schlecht, aber auch nicht wirklich innovativ – sie alleine würden eine längere Anreise nicht unbedingt rechtfertigen. Aber das nette Ambiente rundherum lohnt einen kleinen Ausflug.
Die Schussenrieder Brauerei Ott hat ihren Rampenverkauf montags bis freitags von 08:00 bis 16:30 Uhr geöffnet; die Brauereigaststätte ist mittwochs bis sonntags ab 11:00 Uhr durchgehend geöffnet. Bei gutem Wetter ist Biergartenbetrieb. Das Bierkrugmuseum ist mittwochs bis sonntags von 11:00 bis 17:00 Uhr geöffnet. Vom Bahnhof Schussenried aus ist es etwa eine Viertelstunde Fußweg in Richtung Norden bis zur Brauerei und zum Museum.
Schussenrieder Brauerei Ott GmbH & Co. KG
Wilhelm Schussen Straße 12
88 427 Bad Schussenried
Baden-Württemberg
Deutschland
Vor rund zehn Jahren hatte ich die Schussenrieder Brauerei Ott schon einmal besucht – der Beitrag dazu findet sich hier.
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