Reklame?*
James Watt und Martin Dickie von BrewDog können einem mit ihrer oft provozierenden Art durchaus „auf den Sack gehen“. Ständig kommen sie mit neuen marktschreierischen Aktionen und beanspruchen Aufmerksamkeit wie kleine Kinder. Aber manchmal, und in letzter Zeit durchaus häufiger, zeigen sie ein Engagement, das durchaus Beachtung verdient, und zwar im Umwelt- und im Klimaschutz. Fast so, als würden die beiden Spätpubertierenden nun doch erwachsen.
Zusammen mit Mike Berners-Lee, einem Nachhaltigkeitsexperten, der sich mit Analyse und Reduktion von CO2-Fußabdrücken beschäftigt, haben die beiden Gründer der Brauerei BrewDog eine Reihe von Maßnahmen eingeleitet, mit denen sie ihre Brauerei und den ganzen Konzern drumherum CO2-negativ machen wollen beziehungsweise dies nach eigenen Angaben bereits geschafft haben. Soll heißen, dass alle Maßnahmen zusammengenommen, also sowohl die Produktion und Distribution und andere wirtschaftliche Aktivitäten als auch das parallel stattfindende Aufforsten von Wäldern, Nutzen von Abwärme und Windkraft oder das Zurückgewinnen von Gärungskohlensäure und dergleichen, mehr CO2 verbrauchen, als sie erzeugen. Eigener Aussage nach wird seit dem 22. August 2020 sogar doppelt so viel Kohlendioxid gebunden wie erzeugt.
immer für eine kernige Wortwahl gut
BrewDog gibt offen zu, dass die Analyse eines CO2-Fußabdrucks immer mit Unsicherheitsfaktoren versehen ist („Jede Analyse eines CO2-Fußabdrucks basiert auf einer Reihe von Annahmen und Schätzungen – das ist keine 100% exakte Wissenschaft.“), und wirkt gerade dadurch glaubwürdig. „Fuck you, CO2“ lautet ihr Motto.
„Es gibt keinen Planeten B“, äußern Umwelt- und Klimaschützer besorgt, und mit Planet A hat BrewDog jetzt ein neues Bier auf den Markt gebracht, mit dem die Brauerei ihr Engagement für Nachhaltigkeit deutlich unterstreichen möchte. Produziert wurde es in Zusammenarbeit mit Rettergut, einem Projekt, das direkt neben der Berliner BrewDog-Brauerei DogTap residiert. Rettergut hat es sich zur Aufgabe gemacht, Lebensmittel, die während des Herstellungsprozesses oder bereits gar auf dem Acker aussortiert werden, weil sie gewisse, meist rein optische, Qualitätsstandards nicht erfüllen, weiter zu verwerten. Früchte, die zu klein oder zu groß für eine standardisierte Weiterverarbeitung sind, krumme, schiefe oder sonstwie verwachsene Gemüse, Obst, das die falsche Farbe aufweist – Beispiele gibt es genug, und es ist bedrückend, dass auf dem Weg vom Feld bis zum Teller je nach Berechnung bis zu ⅓ aller Lebensmittel entsorgt werden.
das Rettergut-Prinzip
Planet A ist ein New England IPA, bei dessen Produktion altes Brot einen Teil der Malzschüttung ersetzt hat und sogenannte Misfit-Aprikosen, also Aprikosen, die nicht in das Standardschema der Lebensmittelindustrie passen, als weitere Zutat verwendet wurden.
Nur ein Tropfen auf dem heißen Stein?
Mag sein, aber besser ein kleiner Tropfen als überhaupt keine Anstrengung, den Berg unnötig entsorgter Lebensmittel zu verringern.
sorgfältig und offensichtlich recht umweltfreundlich verpackt: Planet A
In einem kleinen Karton, verpackt und gedämmt ausschließlich mit Pappe und Papier, ohne Kunststoff, erreichen mich zwei Dosen des Biers Planet A als Probe, um deren Rezension ich gebeten werde. Ich kann nur hoffen, dass die Aluminiumdosen vollumfänglich in die CO2-Kalkulation und – noch weit wichtiger – in eine Gesamtbetrachtung der Umweltbelastungen mit eingeflossen sind, denn bei allen unbestreitbaren Vorteilen der Dose (besserer Lichtschutz als Glas, bruchsicher, leichter als Glas und damit Transportkosten und Sprit sparend, nahezu 100%ige Recyclingfähigkeit des Aluminiums) steht ein sehr großer Nachteil bei Aluminium immer im Raum: Der extrem umweltbelastend erfolgende Bauxit-Abbau! Wer einmal eine Bauxit-Mine mit eigenen Augen gesehen hat (dazu muss man nicht weit reisen – bereits in Ungarn in Ajka gibt es das live zu sehen, und auch ohne den Dammbruch von 2010, bei dem der Rotschlamm die Gegend vergiftete, sieht das schon schlimm genug aus), macht sich da unweigerlich ernste Gedanken.
auch lange vor dem Dammbruch sah der Bauxit-Abbau in Ajka schon schlimm aus (1993)
Aber zurück zum Inhalt der Dose, zum Bier mit Zutaten, die ansonsten entsorgt, also weggeworfen worden wären. Schmeckt das, ein NEIPA mit Brot und Aprikosen?
Im Glas präsentiert sich das Bier extrem trüb, geradezu milchig, und insofern durchaus stilgerecht. Lediglich der in der Sonne noch orange wirkende, drinnen aber eher ins Bräunliche tendierende Farbton ist ungewöhnlich dunkel. Der Schaum ist üppig und stabil. Die Nase identifiziert fruchtige Aromen über einem eher kräftig-aromatischen Hintergrund. Ist es das Wissen um die Zutaten oder tatsächlich objektive Wahrnehmung, die mich an Brotkruste und Aprikosen denken lassen? Der Antrunk ist sehr sämig, rasch füllen sich Mund und Rachenraum mit kräftigen Aromen und einer deutlich spürbaren Bittere, die aber von süßer Fülle gut ausbalanciert wird. Der Schluck ist fest, voll und rund, und retronasal kommen wieder die brotigen und fruchtigen Aromen zum Vorschein. Der Alkoholgehalt von immerhin 6,3% ist nicht spürbar. Obwohl es nicht mein Lieblingsstil ist, muss ich diesem New England India Pale Ale oder kurz NEIPA Respekt zollen – sehr ungewöhnlich, aber dennoch nicht verschreckend, sondern gut trinkbar, gerne auch zum asiatisch angehauchten Essen. Ein sehr schönes Bier!
nicht nur optisch, sondern auch geschmacklich ein sehr schönes Bier
Das Brot- und Aprikosenrecycling ist also hervorragend gelungen. Ein gelungenes Bier, von dem ich jederzeit auch größere Mengen trinken könnte und wollte.
Ein wohlschmeckender Tropfen auf den heißen Stein also.
Planet A
Im Marienpark 23
12 107 Berlin
Berlin
Deutschland
* Reklame? Es gibt immer wieder Diskussionen, ob die Beschreibung von Artikeln, die ich kostenfrei zur Verfügung gestellt bekommen habe, Reklame ist. Im Zweifelsfall sollte ein Blogbeitrag daher entsprechend gekennzeichnet werden. Ich habe zwei Dosen des Biers Planet A gratis von BrewDog und Rettergut bekommen. Bei der Rezension der Biere habe ich versucht, mich davon nicht beeinflussen zu lassen.
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