Die zwei Wochen der Corona bedingten isolierten Unterbringung neigen sich dem Ende zu. Die Biervorräte auch. Langsam reicht es aber auch. Zumindest mit der Quarantäne, denn mit dem Bier reicht es definitionsgemäß nie.
und wieder stehen zwei Bierflaschen vor meiner Zimmertür
Ebenso unerschöpflich wie meine Geduld hier im Hotelzimmer ist aber auch die Großherzigkeit der Hannoveraner Bierszene. Schon zwei Mal bin ich von den Hannoveranern in diesen zwei Wochen reich mit Bier beschenkt worden (siehe hier und hier), und selbst heute, am vorletzten Quarantänetag, erreichen mich noch einmal zwei ganz vorzügliche und seltene Bierspezialitäten.
Eine große Freude für mich, bevor die große alkoholfreie Reise losgeht …
Brouwerij De Molen
Bommen & Granaten Barley Wine-ish
Brouwerij De Molen – Bommen & Granaten Barley Wine-ish
Eines von vielen Extrembieren der niederländischen Brouwerij De Molen. Beim Einschenken schon lässt dieses schwere, 11,9%ige Bier seine Stärke spüren – ölig und viskos fließt es ins Glas. Es plätschert gar nicht richtig, sondern gluckert zähflüssig, bildet gleichwohl einen angemessenen Schaum. Die Farbe ist kupfern, und das vorsichtig dekantierte Bier ist nur ganz leicht getrübt. In der Nase spüre ich schwere Malzaromen, dunkle Früchte und einen Hauch von Marzipan und Bittermandel, begleitet von etwas Karamell. Sämig fließt das Bier auf die Zunge, dick und süß füllt es den Mundraum. Schon vor dem Schluck kommen die ersten Malz- und Marzipanaromen retronasal zu Geltung, bevor dann, nach dem Schluck, eine dicke Süße und eine feine Wärme im Hals spürbar werden. Ein Bier für das langsame, genießerische Nippen, eines, das eine Nachspeise entweder ganz ersetzt oder aber mit ihr gut kombiniert werden kann – beispielsweise kann ich mir ein Vanille- oder Walnusseis vorzüglich zu diesem Bier vorstellen.
Handwerksbrauerei Zwanzger
Späthopfung – nur gestopft, nicht verbraut!
Handwerksbrauerei Zwanzger – Späthopfung – nur gestopft, nicht verbraut!
Ein ganz merkwürdiges Bier mit ganz besonderen Geschmackseffekten hat Christian Zwanzger in seiner Experimentalbrauerei Handwerksbrauerei Zwanzger (sonst braut er auf der großen Anlage als Brauerei & Gasthof Zwanzger) hergestellt. Basis ist eine Art Weizenbock oder gar Weizendoppelbock mit 8,3% Alkohol. Während des Brauvorgangs ist kein (!) Hopfen verwendet worden, sondern es wurde lediglich das fast fertig vergorene Jungbier mit drei Hopfensorten, Crystal, Fantasia und Azzaca gestopft. Kann das schmecken?
Das Bier, das mit 19°P Stammwürze eingebraut worden ist, fließt hellgelb und sehr, sehr trüb ins Glas, bildet rasch einen sehr üppigen Schaum, der ziemlich langlebig ist und auch während des Trinkens nicht zusammenfällt, sondern mit jedem Schluck einen Ring im Glas hinterlässt. Der Geruch ist fruchtig und süß, wirkt für Momente vielleicht sogar ein bisschen künstlich. Stachelbeere, Rhenekloden und unreife Pflaumen identifiziere ich, aber auch eine mentholartige Kühle wie in Eisbonbons. Der Geruch wirkt kremig, dicht, als ob er beim Einatmen die Nase verstopfen wolle. Der erste Eindruck auf der Zunge ist schwer, süßlich, dick und kremig, ich spüre aber auch eine gewisse angenehme Säure. Bereits die ersten Tropfen des Biers lassen den Speichel nur so fließen – irgendetwas im Bier wirkt da sehr anregend. Die Fruchtaromen füllen den ganzen Mundraum, ein mächtiger Malzkörper unterfüttert sie. Im Schluck spüre ich einen leicht adstringierenden Eindruck am Zungenrücken und im Rachen, aber deutlich anders als es üblicherweise der Hopfen verursacht. Weniger rau, eher pelzig. Sehr ungewöhnlich. Oberhalb dieser leichten Pelzigkeit spüre ich noch eine leichte alkoholisch-spritige Note, die vielleicht auch wieder ein wenig in mentholartige Kühle übergeht. Ein sehr interessantes und spannendes Bier, das im ersten Moment hervorragend schmeckt, aber auch eine so intensive und ungewohnte Sensorik aufweist, dass man seiner schnell überdrüssig werden kann. Eine kleine 0,33-l-Flasche ist zunächst mal genug. Gerne zu anderer Gelegenheit wieder, aber nicht sofort und gleich.
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