Oliver Wesseloh
Bier Leben – Die neue Braukultur

Oliver Wesseloh – Weltreisender in Sachen Bier, Bierbrauer mit seiner Kehrwieder Kreativbrauerei, Biersommelier-Weltmeister. Kaum jemand kennt sich in der Welt der Biere, in den Bieren der Welt besser aus als er. Trifft man ihn auf einem der zahlreichen Bierfeste, auf denen er mit seinem Bier vertreten ist, bleibt man unvermeidlich an seinen Lippen hängen. So viel hat er zu erzählen, so lebendig sind seine Schilderungen. Und so wurde es eigentlich auch höchste Zeit, dass er ein Buch geschrieben hat. Natürlich über Bier. Eine Liebeserklärung an das Bier – und genau so heißt auch das erste Kapitel in seinem Buch Bier Leben – Die neue Braukultur.

Oliver Wesseloh
Bier Leben – Die neue Braukultur

Die Freude an diesem Buch beginnt eigentlich schon vor dem Lesen, bereits dann, wenn man es nur in die Hand nimmt. Ein Taschenbuch ist es, das ja, aber ein edles. Der Einband ist fester und dicker Karton, der bündig mit dem Papier des Buchs ausgestanzt ist. Nichts steht über, keine spitzen Ecken oder Kanten. Die Ränder des Kartons offen, man sieht und fühlt seine Struktur. Der Druck des Einbands seidenmatt und glatt. Fühlt sich gut an. Besonderes, als ich das farblose, nur durch leichten Glanz auffallende Relief auf der Bierflasche entdecke, die auf dem Einband abgebildet ist. Mit dem Finger fahre ich darüber, ertaste die Struktur und halte das Buch dann ein bisschen schräg, um erkennen zu können, was abgebildet ist. Eine stilisierte Hopfendolde, eine ebenso stilisierte Gerstenähre, kleine Kreise, die sowohl für Wassertropfen als auch für Hefezellen stehen können. Und ein Herz. Das Ganze in Form eine Bierflasche. Da ist sie, die Liebeserklärung an das Bier.

Acht sehr persönlich geschriebene Kapitel umfasst das Buch, plus ein kurzes Vorwort von Olivers Ehefrau Julia, die ihn beim Schreiben und Editieren fleißig unterstützt hat. Wie er zum Bierfreak geworden ist, beschreibt Oliver im ersten Kapitel, bevor er dann – es scheint in einem Bierbuch einfach unvermeidlich … – im zweiten einen kurzen Abriss der Entstehungsgeschichte des Kulturgetränks Bier bringt. Hm …

Spannender dann wieder das dritte Kapitel, eine Schilderung der Bierszene weltweit. Italien, Belgien, Großbritannien und natürlich die Vereinigten Staaten von Amerika, das Ursprungsland der Craftbier-Bewegung. Eingestreut sind kurze Interviews, machen das Ganze noch kurzweiliger.

Dann der Blick nach Deutschland im Kapitel Vier. Der für mich schönste Teil des Buchs. Auf jeweils zwei kurzen Seiten stellt Oliver die Pioniere der neuen Bierkultur in Deutschland vor. Buddelship, Mashsee, Ale*Mania, Hanscraft, Pax, Heidenpeters, und, und, und. Schöne Kurzporträts. Und ein paar Gedanken zum sogenannten „Reinheitsgebot“ und seiner Rolle für die Qualität des Biers in Deutschland.

Pioniere der neuen Bierkultur in Deutschland

Das fünfte Kapitel widmet sich der Frage, was Bier überhaupt ist und beschreibt die Rolle seiner wichtigsten Zutaten. Was sich trocken anhört, ist auch hier lebendig beschrieben und durch kurze Interviews aufgelockert.

Bierstile, die Vielfalt der Welt der Biere – das ist Thema des sechsten Kapitels. Es gibt so viel mehr als das immer gleiche Pilsener oder Lagerbier, wie es in den Bierfabriken rund um den Globus großtechnisch hergestellt wird. Deutschland, England und Belgien dienen mit ihrer jeweils nationalen Bierkultur ein wenig als Leitlinie für dieses Kapitel.

Tja, und wie genießt man nun die vielen verschiedenen Biere „richtig“, also so, dass das Genusserlebnis am größten wird? Das ist die Frage, mit der sich Oliver im siebten Kapitel beschäftigt. Wie bekomme ich Zugang zu der Welt der reichen Aromen und Geschmäcker, welches Glas passt am besten, welche Trinktemperatur ist angeraten? Ein Kapitel, das anregt, Appetit macht, durstig macht. Spätestens hier wird der Leser aufstehen und in den Bierkeller gehen, um weiter lesen zu können. Ohne ein Glas Bier in der Hand ist dieses Kapitel nicht zu ertragen. Ich möchte die Aromen nicht nur schwarz auf weiß vor mir sehen, sondern ich möchte sie selber erfahren, riechen, schmecken.

Ein wenig enttäuschend dann das letzte, das achte Kapitel. Heimbrauen. Zu kurz, um wirklich die Grundlage für eigene Brauerfahrungen zu sein. Da fehlt schon die eine oder andere detaillierte Information, um den ersten eigenen Sud in der Küche zu einem (Geschmacks-) Erfolg werden zu lassen. Aber zu lang, um einfach mal überflogen zu werden. Nicht Fisch, nicht Fleisch. Ich hätte es einfach weggelassen, es gibt bereits genügend gute und bewährte Bücher als Brauanleitung. Stattdessen hätte Oliver noch mehr Interviews oder noch mehr Brauereiporträts unterbringen und so das Buch für mich persönlich noch lesenswerter machen können.

Aber trotzdem, ein schönes Buch. Große Leseempfehlung. Die erste Hälfte des zweiten Kapitels und das ganze achte Kapitel kann man ja getrost überblättern.

Oliver Wesseloh
Bier Leben – Die neue Braukultur
Rowohlt Taschenbuch Verlag
Reinbek bei Hamburg, 2015
ISBN 978-3-499-62946-4

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