Dreizehn beeindruckende Biere von One Pint Germany.
Ich glaube, ich verliere die Übersicht … Zum Glück im positiven Sinne!
Da steht heute ein Paket im Hausflur, und ich habe nicht die geringste Ahnung, warum.
Erst, nachdem ich es reingeschleppt habe und auf den Absender schaue, beginnt es mir zu dämmern: Da war doch mal ein kurzer Nachrichtenaustausch bei Instagram kurz vor Weihnachten?
Lange muss ich die Timeline zurückrollen, aber dann stelle ich fest: Stimmt! Da war mal was: „Hallo Volker, ich hoffe dir geht es gut und du geniesst schon die schöne Vorweihnachtszeit … Gerne wollte ich dir mal ein paar Muster zuschicken. Wohin darf ich das gerne schicken … ?“, so lautete die Kontaktaufnahme durch den Vertrieb von One Pint Germany. Natürlich habe ich meine Adresse gerne „rausgerückt“.
elf verschiedene Dosen und zwei Flaschen
Das wunderbare Paket heute ist das Ergebnis! Elf verschiedene Dosen und zwei Flaschen – alles Biere, die ich noch nicht kenne. Es wird mir ein Fest sein, die alle zu verkosten. Eine Verkostung, an denen ich Euch alle weiter unten auch teilhaben lasse.
Wem war das noch ein Fest? Meinem Enkel. Die Biere waren nämlich in Berge von Noppenfolie verpackt. „Oh, Opa, ist das die Folie mit den Blasen, die man mit den Fingern zerdrücken kann? Darf ich?“ Und schon war der Bengel stundenlang beschäftigt.
Ein doppelter Volltreffer also.
Mein herzlicher Dank dafür geht an One Pint Germany in Handewitt. Was für eine wunderbare Überraschung – und ein klares Statement für das beeindruckende Portfolio, das diese Firma nach Deutschland importiert.
Verkostungsnotizen
Robinsons Brewery – Trooper; To Øl / Superfreunde – To all øl my Superfreunde – Tandem Thrills – Hoppy Pilsner Dry Hopped with Ekuanot & Rakau; Tennent’s – Beer Aged with Whisky Oak; D9 Brewing Co. – Carnaval – Sour Ale with Passion Fruit
Robinsons Brewery – Trooper (4,7%)
Die über 180 Jahre alte Robinsons Brewery ist aus dem Unicorn Inn hervorgegangen und daher auch als Unicorn Brewery bekannt. Seit fast zehn Jahren braut sie für Bruce Dickinson, den Sänger von Iron Maiden, die Biere der Trooper Reihe. Zunächst war es nur ein klassisches Ale unter dem Namen Trooper, mittlerweile aber auch weitere Bierspezialitäten, bei denen der Name Trooper dann immer durch die Bezeichnung des Bierstils ergänzt wird. In der vor mir stehenden schwarzen Dose findet sich das klassische Trooper, mit dem die erfolgreiche Rock- und Bier-Geschichte 2013 begonnen hat, und natürlich findet sich auf der Dose auch das Maskottchen der Band, Eddie, als Trooper in historischer Uniform und mit Union Jack.
Das Bier hat eine leuchtend kupferne Farbe und ist glanzfein gefiltert; der kremefarbene und feinporige Schaum hält sich mengenmäßig zurück, bildet aber eine recht lange haltbare, dünne Schicht, die schöne Trinkränder hinterlässt. Der Duft ist angenehm komplex, aber nicht aufdringlich. Weiche malzige Noten paaren sich mit würzigen und herb-fruchtigen Hopfenaromen – Biskuit trifft Harz und Pampelmusenschale. Der Antrunk ist weich; die Spundung niedrig. Zuerst dominieren die malzigen Eindrücke, eine kremige Süße und die dazugehörenden retronasalen Aromen, dann kommt aber zunehmend der Hopfen ins Spiel. Eine angenehme Bittere macht sich an den Zungenrändern bemerkbar, harzige und würzige Aromen machen sich breit. Im Schluck gewinnt dann endgültig der Hopfen. Eine spürbare, leicht adstringierende Bittere (die leichte Elemente aufweist, die charakterlich an Oxidation erinnern), harzige Aromen. Ein schönes Bier zum gleichmäßig Vor-sich-hin-Trinken.
To Øl / Superfreunde – To all øl my Superfreunde – Tandem Thrills – Hoppy Pilsner Dry Hopped with Ekuanot & Rakau (4,8%)
Das Bier ist gebraut bei To Øl, einer kleinen und aufstrebenden Brauerei in Dänemark. Laut eigener Aussage ist die Brauerei eine Vision von Tore Gynther und Tobias Emil Jensen, die 2005 als Hobbybrauer gestartet sind, seit 2010 als Wanderbauer ihre Biere kommerziell verkaufen und in wechselnden Brauereien (meistens der Proefbrouwerij in Belgien) gebraut haben und seit 2019 eine eigene Brauerei namens To Øl City ihr eigen nennen, in der sie nicht nur brauen, sondern eine Erlebniswelt rund ums Bier anbieten – einen „craft beverage hub“. Die Superfreunde brauen seit 2015 als Wanderbrauer, haben dabei aber keine Stammbrauerei, sondern brauen mal in Franken (in Kemmern beim Wagnerbräu oder Breitengüssbach beim Brauhaus Binkert), mal in Berlin (Craft Zentrum Berlin), mal in Neumünster (Wittorfer Brauerei). Gemeinsam haben sie dieses Bier in Dänemark eingebraut, und ich schaue es mir nun etwas näher an:
Hm, ein Bier mit einem Auftritt, der mich erstmal skeptisch macht. Ich gehe immer sehr vorsichtig an diese knallbunten überstylten Dosen heran, bei denen ich erst stundenlang das Kleingedruckte lesen muss, um überhaupt zu erfahren, was für ein Bier ich da vor mir habe. Viel Grafik, einige Wortspiele, Phantasienamen, und irgendwo dann der Vermerk: Hoppy Pilsner Dry Hopped with Ekuanot & Rakau. Aha. Also irgendetwas Pilsnerähnliches. Von der Optik her allerdings schon mal nicht. Hellgelb ist die Farbe, das würde noch passen, aber das Bier ist deutlich trüb. Das passt für ein Pilsner ausdrücklich nicht. Der schneeweiße und lange haltbare Schaum, der Schluck für Schluck schöne Trinkränder hinterlässt, der passt dann schon wieder eher. Jetzt der Geruch. Herb-fruchtig mit harzigen, etwas kräuterigen Aromen im Hintergrund. Keine süßen Tropenfrüchte, sondern eher Pampelmuse, Bitterorange, Kaktusfrucht und ähnliches Obst, tendenziell eher unreif und noch etwas grün. Angenehm. Der Antrunk ist pfeffrig-scharf, auf der Zunge wirkt das Bier eher trocken und bitter. Retronasal tauchen die beschriebenen Aromen wieder auf, verschieben sich jetzt aber deutlich ins Herbbittere und in Richtung unreifes, aber nicht zwingend saures Obst. Der Abgang betont dann die Hopfenbittere. Zwar nicht adstringierend oder gar kratzig, aber dennoch intensiv macht sie sich bemerkbar und verstärkt eher das Durstgefühl, anstatt es zu löschen. Hochinteressant und mir persönlich sehr zusagend, aber mit einem Pils hat das außer von der Grundfarbe und von den Bitterwerten her nicht viel zu tun. Ein schönes Bier, das jedoch unter einer von mir als falsch empfundenen Flagge segelt.
Tennent’s – Beer Aged with Whisky Oak (6,0%)
Die Wellpark Brewery in Glasgow in Schottland ist fast nur unter ihrem Namen Tennent’s, beziehungsweise Tennent Caledonian Breweries bekannt. Manche Quellen behaupten, sie sei 1740 von Hugh und Robert Tennent gegründet worden, das Etikett schreibt aber „Wellparkbrewery since 1556“. Wer weiß. Auf alle Fälle schon ganz schön alt. Die vor mir stehende Flasche enthält nun nicht das normale Tennent’s Lager, das Standard-Bier, mit dem die Brauerei ihren Grundumsatz macht, sondern ein mit Whisky Oak gereiftes Bier.
Bier in einer klaren Flasche – irgendwie sieht das nicht attraktiv aus. Im ebenso klaren Glas stört mich das dann aber überhaupt nicht mehr. Schön kupferfarben leuchtet das blankfiltrierte Bier, und es trägt eine nicht übermäßig stark ausgeprägte, aber lange haltbare, weiße Schaumkrone. Der Duft verrät schon, um was es hier geht – ein eher mildes Bier, das die Noten von Whisky und getoasteter Eiche bereitwillig aufnimmt. Zunächst bleiben die Whisky-, Vanille- und Holznoten noch recht dezent, nach dem nicht sehr spritzigen, sondern eher weichen Antrunk werden sie aber rasch sehr intensiv. Während sich das süßliche Bier im Mund verteilt, dampfen retronasal gewaltige Kaskaden von Whisky, Vanille, getoastetem Holz und ein bisschen Biskuit durch die Nase. Fein, fein. Der Schluck ist glatt, es bleibt fast keine Herbe haften, nur die Aromen werden noch ein bisschen kräftiger. Und nach einem kurzen Moment entwickelt sich eine feine alkoholische Wärme, die ich angesichts von „nur“ sechs Prozent nicht erwartet hätte.
D9 Brewing Co. – Carnaval – Sour Ale with Passion Fruit (5,5%)
Die D9 Brewing Co. ist wie so viele andere US-amerikanische Brauereien den Weg vom Hobbybrauen zur kommerziellen Brauerei gegangen. Neben einer größeren Produktionsbrauerei, wie die Firma ihre größte Niederlassung nennt, verfügt sie über drei Mikrobrauereien und ein Verteilerzentrum – alles im Großraum Charlotte in North Carolina.
Das Bier kommt in einer quietschbunten, schlanken 355-ml-Dose daher – das Motiv zeigt, passend zum Namen des Biers, eine in ein buntes Federkostüm gekleidete Tänzerin. Das Bier selbst ist eher farblos. Blassgelb, leicht trüb und mit zurückhaltendem, um nicht zu sagen mickrigen Schaum macht es optisch nicht allzu viel her. Die Nase erschnuppert eine deutliche, aber nicht unangenehme, weil weiche und nicht scharfe Säure, die begleitet wird von leicht ledrigen und erdigen Aromen; die im Namen des Biers versprochene Passionsfrucht identifiziere ich lediglich im Hintegrund. Der Antrunk ist spritzig und spürbar sauer, aber auch hier: Eine weiche Säure. Diese verteilt sich rasch im ganzen Mundraum und wird mit dem zweiten, dritten Schluck durchaus angenehm. Retronasal bleibt es dabei: Die säuerlich-erdigen Aromen dominieren über die Passionsfrucht. Bittere oder gar Hopfenaromen sind fast gar nicht zu spüren; lediglich ein ganz fein trockenes Gefühl neben den säuerlichen Noten im Abgang deutet ganz leise auf eine vielleicht vom Hopfen kommende Sensorik hin. Ein in sich harmonisches Bier, bei dem ich mir angesichts des Namens lediglich eine etwas intensivere Passionsfruchtkomponente gewünscht hätte.
Enigma Brewery – Hoptnytized – Everyday IPA; Stone Brewing Co. – Hazy IPA; Firestone Walker Brewing Co. – Union Jack – West Coast Style IPA; Amundsen Bryggeri – Ink & Dagger – Modern Day IPA
Enigma Brewery – Hoptnytized – Everyday IPA (5,5%)
Die Enigma Brewery verbindet US-amerikanische mit belgischer Braukunst. Ihr Brauer lebte viele Jahre in New York und bringt daher einen entsprechenden Twist in die im belgischen Heusden-Zolder entstehenden Biere. Der unvollständige Totenkopf (eigentlich nur der Gesichtsschädel, ohne Unterkiefer und Schädeldach) ist zentrales Element in den Bieretiketten dieser Brauerei.
Das Everyday IPA stammt aus der Hoptynized-Serie der Brauerei. Die Flasche ist ein bisschen unterfüllt. Nicht, dass es mir um zwei, drei Milliliter mehr Bier ginge, aber ein so großer Kopfraum birgt die Gefahr der Oxidation des Biers – je nach Qualität des Abfüllers. Mit einem lauten und vernehmlichen Zischen öffne ich die Flasche, auch das vom großen Kopfraum verursacht. Im Glas zeigt sich das Bier hellgelb, leicht trüb und mit ziemlich viel recht großblasigem Schaum, der recht rasch an Volumen verliert, dann aber einen stabilen und lange haltbaren Schaumrest ausbildet, der wiederum kräftige Trinkränder im Glas hinterlässt. Der Duft ist klassisch für ein India Pale Ale im US-amerikanischen Stil: Bittere, herbe Zitrusfrüchte. Pampelmuse. Bitterorange. Der Antrunk ist spritzig, und dann auf der Zunge zeigt sich das Bier schlank, trocken und etwas dünn. Die Bittere ist sehr präsent, wirkt aber aufgrund des fehlenden Malzkörpers kräftiger, als sie vermutlich ist. Retronasal rieche ich erneut Pampelmuse und Bitterorange, vielleicht auch einen Hauch grüne Limonen. Der Abgang ist herb bis bitter und etwas eindimensional. Zu der eigentlich schönen und kräftigen Hopfung fehlt diesem Bier der Körper.
Stone Brewing Co. – Hazy IPA (6,7%)
Stone Brewing? Da war doch mal was, oder?
Oh, ja, und wie! Greg Koch, der Chef dieser Brauerei, war der Meinung, sich wie ein neureiches Arschloch benehmen zu müssen und verscherzte es sich mit großen Teilen der deutschen Brauszene, als er zur Grundsteinlegung seiner Brauereierlebniswelt Stone Brewing World Bistro & Gardens in Berlin mithilfe eines Gabelstaplers einen Felsbrocken auf viele Flaschen deutschen Bieres fallen ließ. Diese arrogante Geste nahmen ihm viele übel, und eben diese Personen feixten nur wenige Jahre später, als Greg seine millionenteure Brauerei aus wirtschaftlichen Gründen an BrewDog verscherbeln musste. Seine vom US-amerikanischen Markt geprägten Ideen trugen im eher bierkonservativen Deutschland nicht; das ausschließliche Setzen auf Dosenbier kam ein paar Jahre zu früh; und im Portfolio seiner Biererlebniswelt fehlten schlicht und einfach ein paar durchtrinkbare Allerweltsbiere für die Gäste, die sich an die Kreativbierszene noch nicht so recht gewöhnt hatten – hier schreckte er mit seinen Extrembieren zu sehr ab.
Das Hazy IPA, das nun vor mir steht, wäre vielleicht als Zwischenschritt zu den Extrembieren à la Arrogant Bastard durchaus geeignet gewesen:
Das Bier hat eine hellgelbe Farbe und ist deutlich und gleichmäßig trüb, und es trägt einen schönen, schneeweißen Schaum. Der Duft ist betörend – ein Reigen tropischer Früchte, allen voran reife Ananas, aber auch ein paar Zitrusfrüchte und etwas Maracuja. Der Antrunk ist spritzig, sogar ein kleines bisschen pfeffrig. Auf der Zunge entwickelt das durchaus schlanke Bier eine deutliche, aber fein ziselierte Bittere und prunkt retronasal noch einmal mit dem Obstkorb vom Wochenmarkt auf Madeira. Der Schluck entwickelt die Bittere weiter, macht sie intensiver, raumfüllender, aber sie behält dabei ihre Manieren, bleibt weiterhin fein. Ebenso entwickeln sich auch die Aromen – die Ananas tritt in den Hintergrund, macht Platz für zitronig-frische Noten, etwas Mango und ein paar Wassermelonenakzente. Ein schönes Bier für einen warmen Sommerabend am See.
Firestone Walker Brewing Co. – Union Jack – West Coast Style IPA (7,0%)
Firestone Walker, eine in Paso Robles beheimatete, kalifornische Brauerei. Vor vielen, vielen Jahren, es dürfte 2011 gewesen sein, habe ich deren genialen Brauer, Matt Brynildson, mal auf der Brau Beviale in Nürnberg getroffen und mich eine Weile mit ihm unterhalten – ohne zu wissen, wen ich da vor mir hatte. Ach, was hätte ich in der Rückschau alles für spannende Fragen stellen können. Stattdessen haben wir nur fröhlich rumgeflachst – aber immerhin viel Spaß gehabt.
Das Union Jack gehört zum Markenkern der Brauerei. Ein West Coast Style IPA, das noch nicht so stark in die tropenfruchtige Aromenrichtung abdriftet und es gleichzeitig mit der stiltypischen Bittere nicht übertreibt.
Die leuchtende orangene Farbe und die feine, gleichmäßige Trübung sind ästhetisch, ebenso der schöne, weiße Schaum, der allerdings nur mit einer mittelmäßigen Haltbarkeit aufwarten kann. Der Duft ist klassisch für ein dem britischen Original etwas näher verhaftetes India Pale Ale: Vor einem Hintergrund herbfruchtiger Pampelmusenaromen dominieren harzige, würzige Hopfennoten. Ein bisschen frisch aufgeschnittenes Nadelholz, fast wie beim Weihnachtsbaumschlagen im Wald, rieche ich. Der Antrunk ist dezent spritzig, und auf der Zunge spüre ich zunächst einen kräftigen, leicht sämigen Malzkörper, bevor Augenblicke später eine deftig-kernige Hopfenbittere zu Tage tritt. Diese bleibt aber weich und samtig, wird niemals kratzig. Über diesen Sinneseindrücken entwickeln sich die retronasalen Aromen in schöner Harmonie – Nadelholz, Fichtennadeln, Baumharz und ein bisschen Pampelmusenschale. Der Schluck ist weich, die Bittere macht sich auch am Gaumen und im Rachen breit, bleibt aber samtig und präsentiert die sich weiter verstärkenden retronasalen harzigen Aromen wie auf einem weichen Ordenskissen. Im gleichen Maße, wie diese Eindrücke sachte abklingen, macht sich eine ganz leichte alkoholische Wärme bemerkbar und weist unverkennbar auf die zwar nicht beeindruckenden, aber doch spürbaren 7,0% Alkohol hin. Ein rundum stimmiger Genuss!
Amundsen Bryggeri – Ink & Dagger – Modern Day IPA (6,5%)
Die norwegische Amundsen Bryggeri ist mir bisher nur durch ihre Serie „Dessert in a Can“ bekannt – alkoholstarke, aromatisierte Biere vom Pastry Stout über Sauerbier bis zum Pale Ale. Alles mit intensiven Aromen. Früchte, Erdnüsse, Popcorn, Kokosnuss, gesalzenes Karamell, Haselnuss – alles dabei. Was für ein Gegensatz nun das vor mir stehende Modern Day IPA – gebraut ausschließlich mit Wasser, Gerstenmalz, Hopfen und Hefe. Nur 6,5% statt der zweistelligen Alkoholwerte der „Dessert in a Can“-Serie.
Die quietschbunte und grafisch ein bisschen überladene Dose birgt ein eher blassgelbes, gleichmäßig trübes Bier, das zwar einen schönen Schaum entwickelt, der auch feine Trinkränder hinterlässt, aber nur in einem dünnen Rest länger hält. Beeindruckend, dass aus eben diesem dünnen Rest die Trinkränder überhaupt entstehen können! Der Duft ist dominiert von feinen Ananas- und Passionsfruchtnoten. Der Antrunk ist spritzig und leitet direkt über zu einem überraschend dünnen Bier. Das direkt vorher getrunkene (und oben beschriebene) Union Jack war bei nur geringfügig höherem Alkoholgehalt so viel voller und nahrhafter. Auch die Bittere, die sich jetzt entwickelt, wirkt etwas weniger weich, etwas kantiger. Die retronasalen Aromen sind angesichts der Duftwolke beim Einschenken überraschend dezent – die schönen Ananas- und Passionsfruchtaromen sind zwar leicht identifizierbar, aber nicht sehr intensiv. Der Schluck offenbart eine leicht raue Bittere, und zu meiner Überraschung kommt nun ein Hauch Schwefel (-dioxid, SO2, also Streichholzaroma) hervor. Nicht unangenehm, aber zu diesem Bier nicht wirklich passend. Da wäre die umgekehrte Reihenfolge (erst Amundsen, dann Firestone Walker) wohl harmonischer gewesen.
BrewDog vs. Superfreunde – One More Minute – India Pale Lager; Kona Brewing Co. – Pipeline – Porter Brewed with Hawaiian Kona Coffee; Amundsen Bryggeri – Fruitopia – Blueberry, Mango, Blackberry & Blood Orange Hyper Smoothie Sour; Rogue Ales – Chocolate Stout Nitro; Rogue Ales – Dead Guy Ale
BrewDog vs. Superfreunde – One More Minute – India Pale Lager (5,6%)
Das vor mir stehende Bier ist eine Kollaboration zwischen BrewDog und den Superfreunden. Die schottische Brauerei BrewDog hat sich in Berlin ein zweites Produktionsstandbein aufgebaut, indem sie die vom oben genannten Greg Koch gegen die Wand gefahrene Stone Brewing Berlin übernommen hat. Die Superfreunde hingegen sind ein Bierprojekt, das in Berlin gegründet worden ist und mittlerweile nach Hamburg verlegt hat. Zum gemeinsamen Brauen sind die Superfreunde aber wieder zurück nach Berlin gereist und haben dieses India Pale Lager entworfen – ein mit amerikanischen Hopfensorten gebrautes Bier, das aber statt mit einer obergärigen Hefe wie beim India Pale Ale mit einer untergärigen Lagerhefe eingebraut worden ist – das One More Minute India Pale Lager.
Blassgelb ist dieses Bier, und leicht trüb. Das ist jetzt nicht so spannend, aber die Optik wird durch eine schöne und schneeweiße Schaumkrone gerettet. Und natürlich durch den Berg im Hintergrund auf dem Foto … Der Duft ist herb. Fruchtig herb, aber die die Fruchtnoten selbst sind nicht so spielerisch fruchtig, wie in den meisten anderen vergleichbaren Bieren, sondern sie kommen in einer harzig-terpenartig wirkenden Einbettung daher, so als habe man das Bier mit den weißen, ledrigen Häutchen (dem Mesokarp, wie der Biologe weiß) zwischen Schale und Fruchtfleisch einer Pampelmuse gebraut. Angenehm! Der Antrunk ist recht weich, greift aber diese eigenartige Herbe direkt auf, leitet sie auf die Zunge, und dort spüre ich an den Zungenrändern die Bittere, retronasal die Mesokarp-Aromen. Der Schluck entwickelt die leichte Bittere weiter und verstärkt den retronasalen Eindruck noch ein wenig. Ein höchst interessantes Bier.
Kona Brewing Co. – Pipeline – Porter Brewed with Hawaiian Kona Coffee (5,3%)
Fast sechzig Jahre ist es her, dass Paul Kuhn das Lied „Es gibt kein Bier auf Hawaii“ geschrieben hat, und bis heute wird es auf Bierfesten, Karnevalsfeiern oder feuchtfröhlichen Kegelabenden fleißig mitgegröhlt. Ob es 1963 gestimmt hat, dass es auf Hawaii kein Bier gibt, weiß ich nicht – 2022 stimmt es auf alle Fälle nicht. Die Bierdose mit dem Coffee Porter vor mir stammt aus der hawaiianischen Brauerei Kona Brewing, die bereits 1994 in Kailua-Kona auf der Big Island Hawaiis gegründet worden ist.
Das Bier ist tiefbraun und wenn überhaupt (das ist bei dieser Farbe fast nicht mehr feststellbar) nur ganz leicht trüb. Der Schaum entwickelt sich nur zurückhaltend und mag auch nicht sehr lange halten. Um so schöner ist dann aber der Duft: Feine Röstaromen mit schönen Kaffeenoten und einer nur ganz leichten metallischen Note im Hintergrund. Der Antrunk ist nicht so weich und viskos, wie erwartet, sondern durchaus spritzig. Auf der Zunge entwickelt dieses Bier eine feine Röstbittere, die begleitet wird von Mokkaaromen, die retronasal sehr schön hervorkommen. Der Abgang ist recht schlank, die Bittere haftet für einen Moment, und während sie sanft abklingt, werden auch die Mokkaaromen langsam schwächer.
Amundsen Bryggeri – Fruitopia – Blueberry, Mango, Blackberry & Blood Orange Hyper Smoothie Sour (6,0%)
Und noch ein weiteres Bier von der Amundsen Bryggeri. Erneut kein „Dessert in a Can“. Stattdessen eine Art Fruchtschaum, der nicht mal mehr im Entferntesten an ein Bier erinnert – weder optisch noch seitens seiner Aromatik.
In kräftigem Dunkelrot blubbert das Bier fast schon ein wenig zähflüssig ins Glas. Eine dicke, trübe Pampe, gekrönt von großblasigem, rosafarbenem Schaum, der allerdings recht rasch und spurlos zerfällt. Der Duft erinnert im ersten Moment an Erdbeerkompott, was ein bisschen überrascht, weil Erdbeeren wohl so ziemlich die einzigen Früchte zu sein scheinen, die nicht in diesem Bier verarbeitet worden sind. Bei genauerem Hinriechen werden aber die Brombeeren etwas deutlicher, und auch Mangoaromen glaube ich zu identifizieren. Der Antrunk ist zähflüssig, und auf der Zunge macht sich sofort eine sehr kräftige Säure bemerkbar. Zu sauer für meinen persönlichen Geschmack, aber es passt zum Früchtepüree. Blutorangenaromen kann ich retronasal identifizieren, und so fehlen mir nur noch die Blaubeeren zu meinem Verkosterglück. Die kommen dann nach dem Schluck. Während die Säure des Biers im Rachen langsam abklingt und die Bittere sich gar nicht zeigt, steigen jetzt noch ein paar Blaubeerenaromen auf. Na bitte! Ein Bier für Bierliebhaber, die Bier gar nicht liebhaben, sondern lieber einen Früchtecocktail, ein Smoothie oder ein Sorbet bevorzugen.
Rogue Ales – Chocolate Stout Nitro (5,8%)
Rogue Ales – eine Brauerei aus Oregon, die 1988 gegründet wurde und im Laufe ihrer abwechslungsreichen Geschichte ihrem Namen Rogue, zu Deutsch Schurke, Ehre machte, als sich herausstellte, dass es mit dem Arbeitsklima und den Arbeitsbedingungen in der Brauerei nicht weit her war, sondern das Personal ausgenutzt und an der Gründung einer Personalvertretung gehindert wurde.
Das Chocolate Stout Nitro ist mit Schokolade versetzt und mit Stickstoff statt mit Kohlendioxid unter Druck abgefüllt. Beim Öffnen der Dose zischt es kräftig, und ich höre, wie sich der Stickstoff entbindet. Beim schnellen Einschenken – ehe der Effekt verfliegt – fließt ein flüssiger, brauner Schaum ins Glas. Dort steigen die winzigen Bläschen in einem spannenden Schauspiel auf und bilden nach kurzer Zeit eine kremige, beigefarbene Schaumschicht, die bombenstabil auf dem schwarzen, undurchsichtigen Bier thront. Der Duft ist schokoladig und weist sehr schöne Mokkaaromen auf. Ein seidig weicher Antrunk wird von kräftiger, malziger Fülle gefolgt. Retronasal steigen die Schokoladen- und Mokkaaromen in die Nase, gleichzeitig gleitet das Bier kremig über die Zunge in Richtung Rachen. Eine schöne Bittere macht sich breit; was ich aber fast gar nicht bemerke, das sind die für ein Stout typischen Röstaromen. Auch der Schluck bleibt samtig und weich, ohne jede Ecke, ohne jede Kante. Die recht rasch abklingende Bittere ist ebenfalls zart und ohne jede Kratzigkeit. Ein Bier statt eines Desserts, gerne aber auch zum Dessert – bevorzugt zu aromatischem Vanilleeis.
Rogue Ales – Dead Guy Ale (6,5%)
Das Dead Guy Ale ist so etwas wie das Paradepferd für die Brauerei Rogue Ales. Vor fast neun Jahren habe ich es das erste Mal getrunken – und für mich steht es nach wie vor stellvertretend für den Stil der „echten“ India Pale Ales, also der IPAs, die nicht von gefühlt tausend verschiedenen Modeerscheinungen verändert und manchmal auch verschlimmbessert worden sind.
Dunkelorangefarben und leicht trüb steht es im Glas, gekrönt von einer üppigen Schaumschicht, die ganz leicht beigefarben ist und in ihrer fast schon trocken wirkenden Konsistenz ewig lange hält. Der Duft ist intensiv hopfig und herb, dabei harzig und kräuterig-würzig. Ich zerbreche mir den Kopf über die Kräuternoten – ist es Rosmarin, den ich da glaube, identifizieren zu können? Und dahinter? Ein bisschen ätherischer Basilikum? Auch ein wenig Mandarinenschale finde ich. Sehr ansprechend! Dann kommt der erste Schluck. Weich, aber trotzdem vom ersten Moment an kräftig bitter präsentiert sich das Bier. Die Bittere wird aber von einem kräftigen Malzkörper ausbalanciert. Die resultierende Vollmundigkeit gefällt sehr und bildet ein stabiles Fundament für eine ganze Kaskade von retronasalen Aromen, die alle den harzigen, terpenartigen Charakter dieses Biers unterstreichen. Im Abgang ist reichlich Bittere vorhanden, aber sie ist weich, geradezu samtig, ohne Ecken und Kanten. Und immer noch spüre ich diese schönen, harzigen Aromen, nun noch etwas süßlich unterfüttert, wie frisch aufgeschnittene Orangen – aber nicht die aus dem Supermarkt, sondern die, die man in Spanien auf dem Markt zu kaufen bekommt. Die fruchtig-aromatisch-süßen, eher kleinen Früchte, die offensichtlich für den Export viel zu schade sind und die man daher im Urlaub genießen muss, wo immer man sie bekommt. Ein grandioses Bier und ein ebenso grandioser Abschluss der Verkostungsreihe dieses feinen Bierpakets.
Ein herzliches Dankeschön geht an One Pint Germany für all diese Biere.
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