Verfrühte Ostergrüße von Frank, dem Sommelier.
Es ist Faschingsdienstag. Von Karneval, Fastnacht, Fasching oder Fasnet weit und breit keine Spur. Stattdessen hält die Welt den Atem an, wie es wohl in der Ukraine weitergehen wird. Bomben fallen, Raketen schlagen ein.
Was können wir von hier aus tun? Nur wenig, aber das wenige, das wir tun können, das tun wir auch. Spenden, Aufrufe, politisches Engagement. Und parallel dazu versuchen wir, unser normales Leben so gut es geht weiterzuleben. Selbstkasteiung wäre fehl am Platz; besser und der seelischen Stabilität förderlicher ist es, sich trotzdem für einige Momente dem Genuss hinzugeben.
So freue ich mich auch aus vollem Herzen über ein Bierpaket von Frank Di Marco, dem Biersommelier. Frank hat ein paar Osterbiere und ein paar Spezialitäten aus der Region zusammengestellt und einfach so mal rübergeschickt.
Bis Ostern sind es noch sechseinhalb Wochen, das sollte Zeit genug sein, diese Bier alle auch sorgfältig zu verkosten. Auch wenn morgen, Aschermittwoch, die Fastenzeit eingeläutet wird – es gilt immer noch: „Liquida non frangunt ieunum“. Flüssiges bricht Fasten nicht.
Und im Übrigen sind mir Fastenzeiten sowieso völlig egal …
Verkostungsnotizen
Speidel’s Brauerei’le – Craft Beer – Schornsteinfegerle – Lager Dunkel; Lammbrauerei Hilsenbeck – Gruibinger Bier – Osterhäsle – Märzen; Hochdorfer Kronenbrauerei – Maibock
Speidel’s Brauerei’le – Craft Beer – Schornsteinfegerle – Lager Dunkel (5,3%)
Das Bier ist ganz, ganz dunkel, aber nicht völlig schwarz. Gegen eine starke Lichtquelle schimmert es dunkelrubinrot und scheint ein kleines bisschen trüb zu sein. Darüber thront ein beigefarbener Schaum, dessen Haltbarkeit aber begrenzt ist. Der Duft ist angenehm röstig mit ein paar Schokoladen- und Mokkanoten, die ihn weich ergänzen. Der Antrunk ist schön weich und rund, die Spundung zurückhaltend. Auf der Zunge entwickelt sich ein warmer, voller Malzkörper mit Röst- und Mokkanoten, die aber samtig bleiben und keine kratzige Bittere erzeugen. Retronasal drehen die Aromen langsam wieder in Richtung des Schokoladigen, ein Effekt, der sich nach dem Schluck noch einmal ein bisschen verstärkt. Edle, kakaobetonte Bitterschokolade. Die leichte Bittere im Rachen, die noch ein bisschen verweilt, passt sehr gut dazu. Sehr gelungen und harmonisch.
Lammbrauerei Hilsenbeck – Gruibinger Bier – Osterhäsle – Märzen (5,6%)
„Ein malzaromatisches, kräftiges Bier“, verspricht das Etikett, und da bin ich ja mal gespannt. Das „PLOPP!“ beim Öffnen des Bügelverschlusses klingt jedenfalls noch nicht so kräftig – eher wie ein „plopp!“. Auch die Farbe ist überraschend hell: Ein blasses Gelb, glanzfein filtriert, aber immerhin mit schönem, feinporigem und schneeweißem Schaum. Dann der Duft: Ja, doch, jetzt wird’s kräftig. Rund und malzig, mit deutlichen Biskuitnoten gefällt das Bier von diesem Moment an. Der Antrunk ist weich und rund, und auf der Zunge setzt sich der weiche, runde, biskuitartige Malzeindruck stetig fort, mit kräftigen retronasalen Malznoten, die mich in eine Keksfabrik entführen, und dann ein ebenso weicher und runder Schluck, der von einer milden, ausgewogenen und feinaromatischen Hopfenherbe begleitet wird. Aber nur für einen Moment, und dann klingt dieses Bier harmonisch ab. Sehr malzbetont und trotzdem sehr durchtrinkbar.
Hochdorfer Kronenbrauerei – Maibock (7,5%)
„Traditionell gebrautes, bernsteinfarbenes Bockbier – malzaromatisch und kräftig“, steht auf dem Rückenetikett. Ich muss an einen Artikel in der polnischen Bierzeitschrift Piwowar denken, in dem unlängst rechtliche Aspekte solcher Bezeichnungen diskutiert wurden, und zwar mit dem Ergebnis, dass „traditionell gebraut“ bedeutet, das Bier müsse nach mindestens seit 25 Jahren unverändertem Verfahren hergestellt werden. Ob das hier der Fall ist? Ich weiß es nicht …
Das Bier ist schön kupferfarben („bernsteinfarben“ ist immer so eine Sache – ich habe Bernstein schon von goldgelb bis fast schwarz gesehen und frage mich, welcher dieser Bernsteinbrocken denn als Maßstab für „bernsteinfarben“ gelten soll …), klar und trägt einen leicht eierschalenfarbigen, aber schnell verschwindenden Schaum. Malzige, melanoidinige Düfte schweben über dem Bier. Der Antrunk ist weich und sämig, und vollmundig-kräftig macht sich das Bier auf der Zunge breit. Der malzige Eindruck wird von einer feinen, deutlich spürbaren Hopfenbittere begleitet, die verhindert, dass das Bier zu mastig wird. Leichte Honigaromen steigen retronasal auf und werden nach dem Schluck noch ein bisschen deutlicher. Gleichzeitig wird auch die Herbe etwas präsenter, bleibt aber immer deutlich hinter dem Malzcharakter. Leicht alkoholisch-warm macht sich das Bier noch lange nach dem Schluck bemerkbar. Ausgewogen und rund – sehr schön für den Abend im Frühling, wenn die Sonne nicht mehr wärmt und auf dem Balkon oder im Biergarten ein erstes Frösteln einsetzt.
Speidel’s Brauerei’le – 1763 – Speidel’s Helles; Haller Löwenbräu – Oster-Bier; Schwarzbräu – Marie Hausbrendel Hell
Speidel’s Brauerei’le – 1763 – Speidel’s Helles (4,8%)
Das Bier hat eine dunkelgelbe Farbe und ist leicht trüb; darüber steht ein schöner und sehr lange haltbarer, weißer Schaum. Der Duft ist zunächst blumig, fast schon parfümiert wirkend, und verändert sich nach ein paar Minuten, in denen das Bier wärmer wird, in Richtung einer kräftigen Butternote – Diacetyl! Der Antrunk ist weich und rund, auf der Zunge fühlt sich das Bier vollmundig an. Aber auch hier: Ein kräftiges Diacetyl-Aroma, das nun – retronasal – noch dominierender wird. Der Abgang ist mild, es ist nur eine sparsame Bittere zu spüren.
Haller Löwenbräu – Oster-Bier (5,4%)
„So schmeckt der Frühling“, steht auf dem grünen Etikett, und ich überlege mir, ob das Bier dann an eine bunte Wiese, an blühende Obstbäume oder doch eher an des Bauern Gülle erinnern wird, wenn ich es mir einschenke. Noch eine weitere Zeile finde ich: „Limited Edition“. Für die ganz Begriffsstutzigen, die nicht wissen, dass Ostern nur einmal im Jahr ist?
Das Bier hat eine wunderschöne, rötlich-goldene Farbe, ist glanzfein und trägt einen schneeweißen Schaum. Davon zwar nicht übermäßig viel, aber dafür hält er sich sehr, sehr lang. Der Duft ist malzig mit ein paar Reminiszenzen an Kuchenteig und mit einer feinen Honignote. Der Antrunk ist überraschend spritzig und ein bisschen spitz, auf der Zunge wird das Bier hingegen rasch weich und bedeckt mit seiner kremigen Malzigkeit die Schleimhäute. Die Kuchenteig-Malz-Honig-Aromen werden retronasal noch ein bisschen deutlicher, lassen das Bier aber auch sehr vollmundig wirken. Angenehm sättigend, wenn man nur ein Bier trinken und genießen möchte, aber auch ein bisschen bremsend, wenn man vielleicht in geselliger Runde mehrere große Gläser hintereinander trinken wollte. Besonders deutlich wird dieses Gefühl nach dem Schluck, wenn der Malzkörper noch kremig und kräftig auf der Zunge und im Rachen hängen zu bleiben scheint, ganz so, als wolle sich das Bier noch nicht ganz verabschieden wollen.
Schwarzbräu – Marie Hausbrendel Hell (4,8%)
Die Schwarzbräu aus Zusmarshausen schätze ich wegen ihren Verkostungspäckchen mit dem Aged Bock – drei Flaschen dunklen Bocks, die ein, zwei beziehungsweise drei Jahre lang gereift sind. Dazu ein sehr schönes Verkostungsglas, und schon hat man einen ganzen Abend lang zu tun.
Das Marie Hausbrendel Hell befindet sich am diametral entgegengesetzten Ende des Bieruniversums. Es ist leuchtend goldgelb, blank filtriert und trägt eine sehr schöne, üppige und sehr lange haltbare, schneeweiße Schaumkrone, die beim Leeren des Glases feine Trinkränder hinterlässt. Der Duft ist sehr dezent, wie es sich für den Stil gehört: Ein paar weiche, flüchtige Malznoten mit getreidigen Akzenten. Dem weichen und sanften Antrunk folgt eine schöne Malzsüße, die aber nicht muskelbepackt, sondern ganz geschmeidig und weich daherkommt. Mild und süßlich legt sie sich auf die Zunge und gleitet beim Schluck sanft den Rachen hinunter. Nur eine ganz leichte Bittere ist zu spüren, gerade ausreichend, um daran zu erinnern, dass der Brauer das grüne Gold nicht ganz vergessen hat, hinzuzufügen. Auch der Hauch zitronigen Aromas, der retronasal zum Vorschein kommt und das Tüpfelchen auf dem „i“ dieses ganz ausgewogenen Biers formt, ist natürlich dem Hopfen geschuldet. Dezenter Trinkgenuss auf hohem Niveau.
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