Nur wenige Schritte vom S-Bahnhof Ostkreuz entfernt gibt es seit November letzten Jahres einen Taproom, der das mittlerweile gähnend langweilig gewordene Einerlei von Craftbeer und Burgern zumindest insoweit auflockern möchte, dass nicht nur bunt gehopfte und trübe Obstkörbchen NEIPAs und immer gleiche Riesenburger serviert werden, sondern dass die Burger einen indischen Touch bekommen und die Biere auch mal dunkel und malzaromatisch sein dürfen: Bräugier Ostkreuz.
Bräugier wurde 2018 im Stadtteil Prenzlauer Berg gegründet, produziert dort auch die meisten Biere und stützt sich für die „Dauerbrenner“ im Angebot auf die Anlage von BrewDog in Mariendorf ab. Bräugier Ostkreuz ist die erste Ausgründung – ein mutiger Schritt im zweiten Winter der Pandemie.
Es ist zwar noch recht früh, als ich den Taproom betrete, aber dennoch wundere ich mich, dass der große Raum fast leer ist und auch draußen auf der Terrasse nur ein Pärchen sitzt. Ja, es ist Montag, und da müssen die Berliner sich vom Wochenende erholen, aber trotzdem: So leer?
schön, aber leer
Die beiden Jungs hinter dem Tresen begrüßen mich freundlich, gleichzeitig aber auch mit Bedauern: „Sorry, aber seit heute ist unsere Küche geschlossen. Personalprobleme!“ Sie zucken mit den Achseln, und auf Nachfrage fügen sie noch hinzu: „Leider auch keine Snacks. Gar nichts. Nur Getränke.“
Naja, das könnte die Leere erklären. Nur Bier, ohne etwas Festes dazu, das ist nicht wirklich verlockend.
Rasch überlege ich mir: Erst mal ein Bier gegen den Durst, dann in der unmittelbaren Nachbarschaft eine Kleinigkeit essen, und dann wieder zurück auf ein zweites oder gar drittes Bier? Na klar, warum nicht? Um einen freien Platz werde ich mir keine Sorgen machen müssen …
Ich bestelle mir ein „Heavy Water Sabotage“, ein India Pale Ale, das mit norwegischer Kveik-Hefe vergoren worden ist. 6,4% Alkohol hat es und weist angeblich tropische, Steinobst- und Nadelbaum-Aromen auf, so heißt es in der Bierkarte. Rasch wird es serviert. Kräftig gelblich trüb steht es vor mir, trägt eine sehr stabile und lange haltbare Schaumkrone und riecht so, wie ein Obstkörbchen-IPA halt riecht. Viel, viel tropische Früchte. Nadelbaum finde ich leider nur ganz im Hintergrund; vielleicht ist das Bier dafür zu kalt. Aber in der Summe gefällt es mir gut.
Jetzt aber schnell zahlen und zwei, drei Türen weiter etwas essen – der Hunger regt sich.
>>> Sushi-Pause <<<
Sehr zufrieden kehre ich aus dem kleinen japanischen Restaurant Imaki 1961 in der Nachbarschaft zurück. Das Essen hat hervorragend zum Bier vorher gepasst. Noch besser wäre es natürlich gewesen, beides parallel zu haben, aber wo gibt es schon Brewpubs mit japanischer Küche, oder umgekehrt, japanische Restaurants mit eigener Brauerei? Ich kann mich eigentlich nur an einen Fall erinnern, nämlich an die Godspeed Brewery in Toronto. Dabei passt asiatisches Essen so hervorragend zu hellen, stark gehopften Bieren!
Aber egal. Die Aromen vom Essen noch präsent bestelle ich mir ein Hazy IPA, das „Cloned Mule Juice“ mit 6,6%. Wie heller Pampelmusen- oder Ananassaft sähe es aus, wäre da nicht die weiße und stabile Schaumkrone. Die Aromen sind … fruchtig, zitrusartig, blumig. Obstkörbchen-IPA. Nett, aber nicht so harmonisch und stimmig wie das erste Bier. Trotzdem fein.
ansprechende Einrichtung
Ich schaue mich um. Die Einrichtung des Taprooms gefällt mir. Ein bisschen Shabby Chic, ein bisschen Berliner Graffiti, ein bisschen LED-Coolness. Passt schon. Riesengroße Fensterscheiben geben viel Licht. Und sie ließen sich komplett öffnen, wenn’s draußen doch nur wärmer wäre. Dann würde der Taproom mit der Terrasse verschmelzen, alles wäre luftig und offen.
Mittlerweile sind auch ein paar mehr Gäste da. Immer noch nicht genug, dass es gemütlich würde, aber immerhin. Das eine oder andere Pärchen ist auch umgekehrt, als es hieß, es gibt gerade nichts zu essen. Ärgerlich für die Betreiber, und ich kann nur hoffen, dass sich bald eine Lösung für das Problem findet.
Ein drittes und letztes Bier gönne ich mir noch, und zwar das „#Erlaubt“. Mit Hashtag. Ein Cold IPA soll das sein. Was immer ein Cold IPA auch ist. 6,6%. Fast keine Trübung. Auch nur ganz wenig Schaum. „Gehopft wie NEIPA. Crisp wie Lagerbier“, verspricht die Karte. „Zitrus, tropisch, Nadelbaum“, steht noch dahinter. Und diesmal stimmt’s. Das Obstkörbchen-IPA weist auch ein paar Nadelbaumaromen auf. Ein bisschen harzig duftet es, und auch retronasal sind die harzigen, terpenartigen Aromen präsent.
ein sehr gutes Bier, zwei sehr solide Biere
Ein sehr gutes Bier, zwei sehr solide Biere. Die Ausbeute für heute stimmt. Mit indisch inspiriertem Essen, so wie es bisher angeboten wurde, wäre es noch besser gewesen; hoffentlich sind die Personalprobleme in der Küche rasch gelöst. Der Service ist freundlich und aufmerksam, man kümmert sich gerne um seine Gäste und ist auch offen für ein kleines Schwätzchen. Gerne also wieder.
Der Taproom Bräugier Ostkreuz ist montags bis donnerstags ab 17:00 Uhr, freitags ab 15:00 Uhr und an den Wochenenden ab 12:00 Uhr geöffnet – jeweils durchgehend bis Mitternacht. Vom S-Bahnhof Ostkreuz sind es anderthalb Minuten zu Fuß Richtung Nordwesten. Perfekt mit den Öffis erreichbar.
Bräugier Ostkreuz
Sonntagstraße 1
10 245 Berlin
Berlin
Deutschland
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