Verkostungspaket
aus Hannover

Also, verdient haben wir das nicht!

Schon wieder steht ein Verkostungspaket aus Hannover im Hausflur. Der Absender? Bekannt: Unsere lieben Freunde aus der Hannoveraner Nordstadt, die ebenso gerne Bier trinken wie wir. Die aber offensichtlich beim Einkaufen fast schon schneller sind als wir beim Trinken. Denn noch sind die letzten beiden Pakete von ihnen gar nicht ausverkostet – da fehlen noch einzelne Biere, die der genauen organoleptischen Analyse harren …

Ach, egal. Die Freude ist trotzdem riesengroß!

die Zahl des Tages: Acht

Acht Biere finde ich in dem Paket. Acht Mal Vorfreude. Acht Mal Trinkfreude. Acht Mal der Auftrag, zu verkosten und eine Rückkopplung zu geben.

Acht Mal: Juchhu!

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Verkostungsnotizen

Heinder naturtrüb GbR – Böhmisch Pils; Liquid Story Brewing – … What a Question – Double IPA; Liquid Story Brewing – Zer0 Fox Given – #2 IPA; Liquid Story Brewing – Life’s a Mosaic – IPA; Liquid Story Brewing – Zer0 Fox Given – #1 IPA; Heinder naturtrüb GbR – Märzen; Liquid Story Brewing – Waiting in the Dark – Hoppy Black Ale; Heinder naturtrüb GbR – Bock

Heinder naturtrüb GbR – Böhmisch Pils (5,1%)

Heinde. Eine kleine Siedlung in Bad Salzdetfurth. Nicht weit von Hildesheim. Irgendwo im flachen Land. Aber: Nicht weit weg von der A7, und auch nicht weit weg vom Bahnhof Groß Düngen. Also gut erreichbar. Nur … warum? Was soll man hier?

Die Antwort findet sich auf dem Etikett der Bierflasche vor mir: Heinder Bier trinken.

Wobei mir nicht ganz klar ist, ob es wirklich in Heinde gebraut ist, oder ob die Firma Heinder Naturtrüb GbR nur hier gemeldet ist und das Bier ganz woanders entsteht. Sowohl Website als auch Etikett geben sich (bewusst?) mehrdeutig.

Amüsant ist aber immerhin bei der Recherche der Zufallsfund im Impressum: „Markus Behme und Jan Reichert und Paul Franke und Peter Gieseke und Marius Mende und Oliver Türschen – Brauereigesellschaft bürgerlichen Rechts“. Das ist doch mal ein Firmenname, oder?

Das Böhmisch Pils vor mir im Glas leuchtet golden und klar im Glas, und darüber bauen sich Schaumberge auf, die fast mit den Gewitterwolken von vor zehn Minuten mithalten können. Draußen geht die Welt unter, und im Glas türmen sich die Schaumwolkenberge. Der Geruch ist herb, leicht metallisch und geradlinig. Ein paar feine Malznoten, etwas an Kuchenteig erinnernd, kann ich noch identifizieren. Aber für ein Böhmisch Pils fehlt etwas warme, zerlassene Butter im Duft. Diacetyl. Kein Böhmisches Lagerbier ohne eine wenigstens ganz leichte Diacetylnote. Der Antrunk ist frisch, leicht malzig, und auf der Zunge breitet sich eine grasige und dezent auch ins Heuartige tendierende Hopfennote aus, die retronasal recht deutlich zu spüren ist und die Bitternoten auf der Zunge auf interessante Art und Weise ergänzt. Der Schluck bringt die Bittere noch ein bisschen nach vorne, und ich beginne, zu zweifeln, ob die Angabe „Bittere 23 IBU“ wirklich stimmt. Mir deucht es deutlich bitterer. Was für ein kerniges Böhmisches Pils in Ordnung ist … solange auch ein Hauch Diacetyl mitschwingt. Oder besser: Konjunktiv. Mitschwänge. Denn leider ist ja kein solcher Hauch da …

Liquid Story Brewing – … What a Question – Double IPA (8,0%)

Im vorletzten Verkostungspaket aus Hannover war schon einmal etwas von Liquid Story Brewing drin. Jetzt geht es mit dieser Brauerei fröhlich weiter. Ein Double IPA mit dem merkwürdigen Namen „… What a Question“, das beim Brauhaus Binkert in Franken entstanden ist.

Das Bier ist ganz hellorangefarben, kräftig und gleichmäßig trüb, und trüge es nicht die schneeweiße Schaumkrone, sähe es aus wie Mangosaft. Immerhin riecht es aber wie ein solcher: Intensive Mangoaromen erschnuppere ich, und dahinter spüre ich noch einen Hauch Menthol. Als hätte ich im Bier ein Gletschereisbonbon aufgelöst. Der Antrunk ist weich, und auf der Zunge macht sich das Bier mit nur geringer Restsüße, dafür aber mit einer kräftigen Bittere und vielen retronasalen Fruchtaromen breit. Noch viel Mango ist zu spüren, ebenso etwas Gletschereis, und nun auch ein Hauch von Vanille, der das Ganze harmonisch abrundet. Der Schluck offenbart dann die ganze Kraft der Bittere, die im Rachen beginnt, die retronasalen Fruchtaromen zu übertrumpfen. Die Früchte klingen ab, die Bittere bleibt noch ein Weilchen.

Liquid Story Brewing – Zer0 Fox Given – #2 IPA (6,5%)

„Zer0 Fox Given“ – ist dieses rumpeldumme Transkribieren der Bezeichnung ein Zugeständnis an die US-Amerikaner, die Facebook und Instagram dominieren? Die, die keine Skrupel haben, kleine Kinder mit scharfen Waffen spielen zu lassen, aber sich als Erwachsene bei Titties und Bier in die Hose machen? Auf dass beim Nennen des Biernamens nicht gleich der ganze Account blockiert wird?

Wer weiß …

Das Bier ist jedenfalls gut. Es hat eine hellgelbe Farbe, ist deutlich trüb und trägt einen schönen, weißen und haltbaren Schaum. Der Duft ist fruchtig – Ananas- und Passionsfruchtaromen stehen im Vordergrund, etwas Zitrusschale eher im Hintergrund. Ein eher weicher Antrunk leitet zu einer schönen, intensiven, aber nicht zu kernigen Bittere über, die mit den retronasalen Fruchtaromen und einer seidigen Textur eine schöne Assemblage ergibt. Harmonisch gibt sich das Bier auch über den Schluck hinweg bis in die Phase, in der die Hopfenbittere langsam und gleichmäßig abklingt.

Liquid Story Brewing – Life’s a Mosaic – IPA (6,2%)

Das Leben ist ein Mosaik, und der Name des Biers vermutlich ein Hinweis auf den verwendeten Hopfen. Oder? Ganz sicher bin ich mir nicht, denn in der Zutatenliste steht nur „Hopfen“, aber nicht die verwendete Sorte. Aber glauben wir es mal, dass der Mosaic-Hopfen die Hauptrolle in diesem, in Berlin bei BRŁO gebrauten Bier spielt.

Das Bier ist mittelgelb und kräftig trüb. Das in der Zutatenliste aufgeführte Hafermalz tut seine Wirkung: Das Bier sähe fast aus wie ein Fruchtsaft, wäre da nicht noch der üppige, schneeweiße und durchaus lange haltbare Schaum. Der Duft ist fruchtig, mit Zitrusschalenaromen und etwas Mango als prägenden Akzenten. Der Antrunk ist saftig, aber nur bis zu dem Moment, wo das Bier die Zungenränder erreicht. Schlagartig macht sich eine recht kräftige Bittere breit, die die Mundschleimhäute leicht viskos belegt. In dieser Phase entwickeln sich retronasal erneut ein paar Aromen, vorwiegend wieder die Fruchteindrücke, aber auch ein Hauch Kräuter. Ist es glatte Petersilie? Der Schluck ist glatt, die Bittere klingt im Rachen deutlich schneller ab als auf der Zunge, und zurück bleiben – nun aber für eine ganz erstaunlich lange Weile – die Frucht- und Kräuterimpressionen.

Liquid Story Brewing – Zer0 Fox Given – #1 IPA (6,5%)

Noch einmal diese rumpeldumme Bierbezeichnung? Bitte, gerne … ! Denn das Bier dahinter war ja fein. Jetzt also als Nummer 1: #1 IPA.

Das Bier ist dunkelgelb, schön gleichmäßig trüb und trägt eine reichliche, aber nicht sehr lange haltbare Schaumkrone. Der Duft? Ein bisschen Maracuja, etwas Mango, etwas Papaya – aber alles recht dezent, nicht so überbordend wie bei anderen fruchtigen Obstkorb-IPAs. Der Antrunk ist relativ weich, aber nicht zu füllig und saftig, und auf der Zunge entwickelt sich eine feine Bittere, die schön mit den retronasalen Fruchtaromen harmoniert. Letztere bringen zu den schon im Duft identifizierten Tropenfrüchten ein wenig Birne und etwas Quitte hinzu. Der Abgang präsentiert eine feine Bittere, die zum Weitertrinken anregt, und klingt gleichmäßig und unaufgeregt ab.

Heinder naturtrüb GbR – Märzen (5,8%)

Es geht wieder in die niedersächsische Provinz, nach Heinde.

Das Märzen gefällt mit einer schön rötlich-braun leuchtenden Farbe, einer nur dezenten Trübung und einem sich selbstbewusst entwickelnden, aber nicht allzu doll übertreibenden, kremigen und ewig lange haltbaren, beigefarbenen Schaum. Der Duft macht deutlich auf die im Märzen typischerweise verwendeten Malzsorten aufmerksam: Karamell und ein für Wiener und Münchner Malz typisches melanoidiniges Aroma entdecke ich. Der Blick auf die Zutatenliste bestätigt meinen Eindruck tendenziell, denn das Bier ist mit Cara- und Melanoidinmalz gebraut. Der Antrunk ist leicht spitz, und auf der Zunge dominiert zunächst das Karamell. Kräftig und selbstbewusst, fast schon aufdringlich verhält es sich und dominiert die an den Zungenrändern zu spürende, durchaus nicht zaghafte Bittere mit Leichtigkeit. Retronasal bleibt es bei Karamell und Melanoidin – kräftig, dominant und sättigend. Im Abgang gelingt es der Bittere, sich etwas stärker in den Vordergrund zu drängen und etwas Röstigkeit zu entwickeln.

Liquid Story Brewing – Waiting in the Dark – Hoppy Black Ale (6,5%)

Tja, irgendwie ist Bierverkostung doch immer subjektiv – egal, wie gut man als Verkoster ausgebildet ist und wie sehr man sich um Objektivität bemüht … Bierverkostung ist auch immer kontextsensitiv, und so ist es heute ein anderer Käse, eine andere Wurst als Begleitung, und schon bekommt das Bier einen Stern mehr als noch vor drei Monaten.

Das Bier ist fast schwarz – ganz dunkelbraun. Der beigefarbene Schaum ist lange haltbar. Der interessante und komplexe Geruch überzeugt mit feinen hopfig-herben Aromen, die aber auch leichte Fruchtkomponenten aufweisen, zum Beispiel etwas Grapefruit. Dahinter sind aber auch Röstmalzaromen gut identifizierbar. Der recht weiche Antrunk leitet über zu einer durchaus überraschend ausgeprägten Bittere, die sich mit dem Malzkörper und dessen Restsüße harmonisch verbindet. Retronasal rieche ich erneut Grapefruit, dahinter aber auch Röstaromen und etwas Kakao. Der ebenso wie der Antrunk sehr weiche Abgang gefällt. Ein bisschen Bittere, ein bisschen Bitterschokolade, und sachte klingt der gute Eindruck ab. Oh, schon vorbei? Schade!

Heinder naturtrüb GbR – Bock (6,8%)

Heinde. So ein kleines Dorf. Und so viele Heinder Biere in diesem Probierpaket …

Der Bock präsentiert sich rötlich-gelb, fast schon orange, leicht trüb und mit viel, viel Schaum. Letzterer reduziert sein Volumen recht rasch, bildet dann eine dünnere, aber immer noch ordentliche Schicht aus, und sieht am Ende sehr kremig und fest und leicht beigefarben aus. Der Duft ist malzig, erinnert ein bisschen an Kuchenteig und wirkt recht dicht, geradezu kremig in der Nase. Der Antrunk ist ganz fein pfeffrig, und auf der Zunge entwickelt das Bier eine kremige, viskose Dichte, die die Schleimhäute rasch belegt – das aber nicht in einer schleimig-unangenehmen, sondern einer vollen und runden Art und Weise. Am Zungenrand ist eine gut spürbare Bittere vorhanden, und retronasal machen sich die Kuchenteigaromen wieder bemerkbar. Der Abgang bringt die Herbe etwas stärker in den Vordergrund und gefällt mit einer recht lange anhaltenden, malzigen Kuchenteigpräsenz. Ein Bier, fast wie ein Kaffeekränzchen.

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