Seit März 2016, also seit schon immerhin sechseinhalb Jahren, gibt es in Nürnberg die bierwerk – charakterbierbar. Und ich war immer noch nicht da!
Heute aber, am 21. Oktober 2022, habe ich kurzfristig einen kurzen Zwischenstopp in der Frankenmetropole und mache mich vom Hotel auf, das bierwerk zu erkunden. Gute zehn Minuten sind es vom Bahnhof durch die Gassen der Altstadt, bis ich schließlich am Unschlittplatz stehe und die hell und warm erleuchteten Fenster der Bar sehe.
schon von außen wirkt es sehr einladend
Mit etwas Glück finde ich ohne Warten (und ohne Reservierung …) einen Platz und darf mich freuen, dass die jungen Damen und Herren außerordentlich aufmerksam sind: Blitzschnell bekomme ich die Bier- und Speisekarte, und als ich noch ein wenig unschlüssig nach einem Einstiegsbier suche, kommt sofort der Tipp: „Wenn Du gleich was Deftiges essen möchtest, empfehle ich Dir unser werkbier edelmärzen, das passt perfekt und ist auch was gegen den ersten Durst!“
Na, das lasse ich mir nicht zwei Mal sagen, und Augenblicke später steht schon der rundliche Halbliterkrug mit dem kupferfarbenen Bier vor mir. Ein schöner, leicht beigefarbener Schaum, eine leichte, nicht zu intensive Trübung und ein voller, runder und malziger Geruch gefallen mir schon mal. Auch der Geschmack ist rund und voll. Kräftig und malzbetont ist das Bier, und damit ein sehr schöner Vertreter dieses Stils. Mir persönlich hätte noch eine deutlich kräftigere Hopfung getaugt, aber auch so ist es sehr in Ordnung.
Als nach ein paar Minuten Wartezeit die bestellte Wurstplatte kommt und mich ob der schieren Menge an Fleisch und Wurst fast schon erschreckt, stelle ich fest: Märzen und Hartwurst – das passt! Vorzüglich sogar!
Märzen und Hartwurst – das passt!
Tapfer kämpfe ich mich durch das Brotzeitbrett und genieße. Nicht nur Wurst und Bier, sondern auch die sehr ansprechende Atmosphäre. Große und kleine Gruppen und Grüppchen sitzen im Schankraum, Gäste aller Altersklassen, und auch einige internationale Touristen. An der einen Wand hängen zahlreiche unterschiedliche Zapfhähne, an der anderen Holzbrettchen mit Brauereiwappen. Direkt über mir hängen ein großer Ochsenkopf und ein paar Urkunden an der unverputzten Steinwand. Die Möbel sind aus dickem, massivem Holz, und in der Ecke wird sogar eine alte Werkbank als Tisch benutzt. Alles fügt sich zu einem harmonischen Gesamteindruck. Sehr schön!
Gegenüber der Theke steht ein Schrank mit lauter abschließbaren Einzelfächern, wo die Stammtische ihre persönlichen Bierkrüge einschließen können, und hinter der Theke hängt, unvermeidlich, eine große schwarze Tafel mit den hier derzeit angebotenen Biersorten. Stimmig!
Das Märzen ist alle, die Wurstplatte noch lange nicht. Ich suche nach etwas weniger Vollmundigem und werde auf das 6,4%ige local ipa aufmerksam. Felix vom Endt braut es in seiner Brauerei orca brau im Norden Nürnbergs. Für dieses Bier verwendet er nur lokale Rohstoffe, insbesondere also Hopfen und Malz nur aus der Region, und legt zusätzlich noch Wert auf Bio-Anbau. Ein bisschen überspundet ist es, das local ipa, ansonsten aber geschmacklich hervorragend.
Damit könnte es für heute sein Bewenden haben. Gut gegessen, gut getrunken, anderthalb Stunden in angenehmer Atmosphäre entspannt. Jetzt könnte es zurück zum Hotel gehen.
Aber mich packt der Übermut und ich gönne mir noch das blondi helles lager, ein 5.2%iges, klassisches Lagerbier. Serviert wird es im zylindrisch geformten Halbliterkrug und sieht, genauso wie das Märzen eben, sehr appetitlich aus. Aber, ach!, neben seiner sonst angenehmen und ausgewogenen Aromatik hat es einen recht starken Beigeschmack nach Erbswasser. „DMS“, denke ich. Dimethylsulfid oder Methylthiomethan. Eine Substanz, die besonders beim Brauen mit hellen Malzen entsteht und durch kräftiges und längeres Kochen der Würze ausgetrieben werden kann.
blondi helles lager
In Zeiten hohen Zeitdrucks und teurer Brennstoffpreise wird es für den Brauer ein Balanceakt, sich zwischen langem und zuverlässigem Kochen und energiesparendem, kürzerem und etwas risikoreicherem Simmern zu entscheiden. Bei diesem Bier wurde offensichtlich nicht lange genug gekocht. Oder nicht heftig genug. Oder die Brüden sind kondensiert und mitsamt dem gerade abgedampften DMS wieder in die Würze zurückgetropft. Vielleicht hat es aber auch einen ganz anderen Grund, dass das Bier so schmeckt, wie es schmeckt. Schade.
Gerne hätte ich jetzt noch ein weiteres Bier verkostet, aber der Abend ist schon spät, und die Verdauungsmüdigkeit setzt jetzt auch ein – das Wurstbrettchen war doch sehr mächtig.
Ich beschließe den sehr angenehmen Besuch hier in der bierwerk – charakterbierbar mit einem letzten Rundumblick. Neben den beiden Standardbieren, die ich gerade getrunken habe, bietet das bierwerk noch ein halbes Dutzend weiterer Fassbiere, teils aus eigener Produktion, teils von befreundeten Brauereien aus der Region. Und die Anzahl der Flaschenbiere mag ich gar nicht abschätzen – der Kühlschrank ist jedenfalls gut bestückt. Es lohnt sich also, hier mal wieder einzukehren.
Die bierwerk – charakterbierbar ist täglich ab 18:00 Uhr geöffnet; sonntags ist Ruhetag. Durch die Lage am Westrand der historischen Altstadt ist sie bequem in wenigen Minuten vom Hauptbahnhof aus zu erreichen. Ein kleiner Spaziergang durch die Gassen reicht völlig.
bierwerk – charakterbierbar
Unschlittplatz 9
90 403 Nürnberg
Bayern
Deutschland
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