Tauschpaket aus Rödermark
Rödermark
DEU

Ein buntes Verkostungssammelsurium.

Vor drei Wochen bin ich nach Szczecin gezogen. Nicht komplett umgezogen, sondern nur in ein Pendler-Appartement, aber immerhin. 900 km weg von zu Hause.

Als ich zum ersten Mal wieder heim ins Oberallgäu fahre, begrüßt mich meine Frau freudestrahlend: „Du wirst es nicht glauben, aber nicht nur ich warte hier auf Dich, sondern auch schon wieder ein Verkostungspaket. Aus Rödermark vom Frank K.“

zwölf interessante Biere

Das ist natürlich eine schöne Überraschung. Blitzschnell ist das Teppichmesser angesetzt, das Bier ausgepackt und die Strecke gemustert: Zwölf Bierflaschen und Dosen, die meisten davon von irgendwelchen deutschen Kleinbrauereien. So klein, dass ich oft noch nicht einmal den Namen der Brauerei gehört habe.

Das wird wieder sehr spannend mit der Verkostung. Wie schön!

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Verkostungsnotizen

StoXbräu – Blonde – naturtrübes helles Lagerbier; Lüßbacher Hobbybrauerei – Unter falscher Flagge – Oberbozner Export; Schussenrieder Brauerei – Weißbräu – naturtrübes Hefeweizen; Gutshofbrauerei Das Freie – Rethmarer Rotbock; Schlossbrauerei Friedenfels – Friedenfelser Steinwald Zoigl; Voll-Horst – Voll-Bock – Mai-Bock

StoXbräu – Blonde – naturtrübes helles Lagerbier (4,9%)

Tja, manchmal passiert das, gerade bei Bügelflaschenbieren: Das Bier der StoXbräu hat wohl beim Transport einen leichten Schlag abbekommen, der Bügelverschluss sitzt nicht mehr 100%ig dicht, und das Bier ist schon umgekippt. Schade

Lüßbacher Hobbybrauerei – Unter falscher Flagge – Oberbozner Export (5,7%)

Ein Hobbybrauerbier.

Die Farbe ist ein kräftiges Dunkelgelb, fast schon ein Hellbraun. Stark und gleichmäßig getrübt ist das Bier, und es trägt eine schöne kremige, feinporige und ewig lange haltbare, leicht gelbliche Schaumkrone. Der Duft ist sehr herb und hat ein paar dezente Noten nach verbranntem Gummi.

Der Antrunk ist zunächst sehr frisch, aber auf der Zunge zeigt sich eine deutliche, etwas dumpf wirkende Hefebittere, die retronasal erneut mit ein paar Noten von angesengtem Gummi aufwartet – vielleicht ein Zeichen für zu viel Hefe und fortgeschrittener Autolyse. Im Abgang bleibt die Bittere sehr präsent, und das Bier erzeugt im Hals eine für diesen recht niedrigen Alkoholgehalt überraschend starke Wärme.

Schussenrieder Brauerei – Weißbräu – naturtrübes Hefeweizen (5,1%)

„So muss Hefeweizen“, nehme ich mal die finale Bewertung vorweg.

Das Bier der Schussenrieder Brauerei steht dunkelgelb und schön gleichmäßig trübe im Glas; es bildet eine schöne und kremige, lange haltbare Schaumkrone. Der Duft ist kräftig bananig mit ganz feinen kümmeligen Noten im Hintergrund.

Der Antrunk ist, obwohl das Bier sehr spritzig ist, trotzdem weich und fast schon kremig. Irgendwie gelingt es der Bier-Textur, gegen das Bizzelige gut anzukommen. Auf der Zunge macht sich das Bier auf runde und volle Art breit im Mund, retronasal unterstreicht es die bananigen Aromen und wartet mit einer nur dezenten Bittere auf. Der Abgang ist genauso weich und kremig wie der erste Eindruck – ein sehr harmonisches Bier, das trotz seiner ausgeprägten Vollmundigkeit nicht zu sättigend wirkt, sondern den Eindruck macht, dass ich davon durchaus noch ein zweites oder gar drittes wegtrinken könnte!

Gutshofbrauerei Das Freie – Rethmarer Rotbock (6,6%)

Das Bier ist schön kupferfarben und fast klar; der Schaum sieht ansprechend kremig aus, ist leicht beigefarben, hält sich aber nicht übermäßig lang. Der Duft ist eine interessante Mischung aus intensiven Malznoten (Münchner oder gar Wiener Malz?) und einer dahinterliegenden Hopfennote mit viel herben Zitrusaromen. Das gefällt.

Der Antrunk ist recht spritzig, und auf der Zunge wirkt das Bier erstaunlich schlank. Nicht malzig und fett, wie viele andere Bockbiere, sondern durchaus trocken, hopfenbitter und zwar malzig, aber nicht malzig-süß. Die Aromatik, die ich schon im Duft bemerkt habe, setzt sich hier fort: Intensive Malznoten und kräftige Pampelmusenaromen ergänzen sich harmonisch. Der Schluck bringt eine kernige Hopfenbittere in den Vordergrund, die auch die Schleimhäute trocken macht. Ein sehr untypischer Bock, der mir aber sehr gut gefällt.

Schlossbrauerei Friedenfels – Friedenfelser Steinwald Zoigl (4,8%)

Tja, zu schade, dass man sich in der Oberpfalz die Bezeichnung Zoigl nicht rechtzeitig und umfassend hat schützen lassen – Zoigl, das ist nämlich eigentlich ein im Kommunbrauhaus gebrautes, dann zuhause vergorenes und auf dem eigenen Grundstück ausgeschenktes Bier. Zoigl in der Flasche und aus einer „normalen“ Brauerei kann es demgemäß also eigentlich gar nicht geben. Aber manche bezeichnen ihr ungefiltertes Keller- oder Zwickelbier dann einfach als Zoigl und reiten die Konsumwelle.

Wobei in diesem Fall der Steinwald Zoigl gar nicht so schlecht ist.

Dunkelgelb, fast schon orange steht das Bier im Glas, ist nur leicht trüb und trägt einen mittelprächtigen, aber lange haltbaren Schaum. Der Duft ist malzig mit einer moorigen, leicht säuerlichen Note.

Der Antrunk hingegen ist einfach nur malzig, vollmundig und rund – so, wie sich das Bier dann auch über die Zunge ergießt. Das Malzaroma ist leicht erdig und kräftig, die Restsüße hält sich in Grenzen, und meine Nase, angesichts der orthonasalen Moor- und Säurenoten in höchster Aufregung, meldet: Fehlalarm. Ein bisschen deftige Erdigkeit bleibt zwar, aber moorig oder gar sauer ist das Bier gar nicht, auch nicht im retronasalen Eindruck. Stattdessen weist es eine gewisse Kernigkeit auf, die mit etwas mehr Hopfenherbe durchaus harmonieren würde. Der Abgang ist malzig und recht mächtig und erinnert noch eine ganze Weile an die intensiven und erdigen Malzaromen. Was ganz Eigenes.

Und: Man ist ehrlich und gibt Röstmalzbier als Zutat auf dem Etikett an. Die kräftige Farbe ist also ein bisschen geschönt. Dir Puristen mögen sich nun also wahlweise achselzuckend oder resigniert wegdrehen.

Voll-Horst – Voll-Bock – Mai-Bock (5,5%)

Ich gelte im Freundeskreis gelegentlich als skurril. Zum Beispiel dann, wenn ich eine Bierflasche aus einer mir unbekannten Brauerei sicherheitshalber in der Küchenspüle oder auf dem Balkon öffne.

Nach der Flasche von Voll-Horst weiß ich aber wieder, warum. Schaum ohne Ende, ein dicker Hefebodensatz, der den zunächst noch hellen Schaum dick braun einfärbt, und am Ende nichts mehr zum Probieren im Glas. Stattdessen eine riesige Pfütze auf dem Balkon.

Da hat die Mikrobiologie wohl nicht mitgespielt. Schade.

Ursa Maior – Rosa z Kremenarosa – American Wheat; Schlappeseppel – „Unser Seppel’sche“ die Specialität!; Van Pur – Edelmeister; Browar Trzech Kumpli – Piwo w Stylu Grodziskie; Artos Brauerei – Lässig – Lager; Hopfenretter – Böhmisch Dunkel #2.3

Ursa Maior – Rosa z Kremenarosa – American Wheat (4,6%)

Ein Bier aus der Brauerei Ursa Maior ganz im Osten Polens, kurz vor der ukrainischen Grenze. Einige Jahre ist es her, dass ich dort war und Agnieszka Łopatas Brauerei besucht habe. Natürlich habe ich mich durch das gesamte Angebot verkostet, und dieses Bier, das Rosa z Kremenarosa, war seinerzeit auch dabei.

Das Bier hat eine dunkelgelbe Farbe mit einem ganz dezenten Roséschimmer. Es ist gleichmäßig trüb und trägt eine zurückhaltende, schneeweiße Schaumschicht. Der Duft ist überraschend zurückhaltend. Nur ganz dezente Pampelmusenaromen treten hervor, die aber nur bei aufmerksamem Schnuppern zu identifizieren sind.

Der Antrunk ist spritzig und frisch, begleitet von einer feinen Säure. Auf der Zunge wird die Säure ein bisschen präsenter, allerdings ohne wirklich zu stören. Sie geht den schmalen Grat zwischen „Muss das so? Ist das Absicht?“ und „Ist das Bier schon umgekippt?“ Irgendwie gefällt sie mir, die Säure, aber ich bin mir wirklich nicht sicher, ob das Absicht ist. Das Mindesthaltbarkeitsdatum ist … morgen. Hm …

Retronasal werden die Pampelmusenaromen jetzt ein bisschen deutlicher; was mir für ein American Wheat eigentlich fehlt, ist die Hopfenbittere. Von der spüre ich nämlich fast nichts. Auch im Abgang bleibt das so. Eine erfrischende Säure, kaum Bittere, ein leichtes Pampelmusenaroma.

Schlappeseppel – „Unser Seppel’sche“ die Specialität! (5,6%)

Das Bier hat eine schöne Kupferfarbe und ist blitzblank filtriert, so dass es sehr schön leuchtet. Der Schaum ist schneeweiß und hält recht lang, und so bekommt das Bier für seine Optik schon mal das Prädikat „1A“. Der Duft ist malzig, ganz leicht brotig und schön ausgewogen und rund, ohne dabei zu intensiv zu werden.

Gleiches gilt für den Antrunk. Gerade recht gespundet, nicht zu bizzelig und schön vollmundig. Auf der Zunge dominiert die Malzigkeit, ohne dass das Bier zu süß wird. Vollmundig, weich, mit einem Hauch Honig und ein bisschen frischer Brotkruste wirkt es nahrhaft, ohne mastig zu sein. Eine dezente Herbe rundet den Eindruck im Mund ab und hält sich bereit, nach dem Schluck einen Hauch intensiver zu werden. Bitter wird das Bier dadurch noch lange nicht; der Hopfen hält lediglich einen zurückhaltend im Hintergrund wirkenden Ausgleich gegen das Malz bereit und will sich nicht ganz kampflos schlagen.

Der Gesamteindruck ist dadurch sehr harmonisch, und lediglich eine leichte, irgendwie überraschend auftauchende Wärme im Hals scheint nicht so recht dazuzugehören.

Van Pur – Edelmeister (4,5%)

Das Bier ist leuchtend goldgelb und blank gefiltert. Der Schaum ist schneeweiß, mittelkräftig ausgeprägt und nicht übermäßig lang haltbar. Der Duft ist dezent hopfig mit leicht blumigen Noten und einem metallischen Akzent.

Der Antrunk ist nicht allzu spritzig – das Bier ist gerade hoch genug gespundet, dass es nicht schalt wirkt. Auf der Zunge wirkt es im ersten Moment blumig mit leichten Rosennoten, bevor dann eher heuartige und metallische Noten in den Vordergrund treten. Eine leichte Restsüße ist zu spüren; ebenso eine leichte Hopfenherbe. Letztere wird nach dem Schluck ein bisschen präsenter, ohne jedoch überzeugen zu können. Insgesamt bleibt das Bier eher malzig-süßlich geprägt und wirkt aufgrund der blumigen Noten parfümiert.

Browar Trzech Kumpli – Piwo w Stylu Grodziskie (2,9%)

Piwo Grodziskie – der ur-polnische Bierstil, und zwar ein leichtes, alkoholarmes Rauchweizen, das insbesondere in der Stadt Grodzisk Wielkopolski (deutsch: Grätz) gebraut wurde. Die dortige Brauerei wurde vor rund zwanzig Jahren geschlossen und „ausgeweidet“, wenig später kam der Bierstil wieder in Mode und mittlerweile wurde nach entsprechenden Investitionen wieder begonnen, in Grodzisk auch Piwo Grodziskie zu brauen.

Dieses hier ist allerdings von den Wanderbrauern der Browar Trzech Kumpli.

Das Bier ist dunkelgelb, leicht trüb und entwickelt im ersten Moment ob seiner hohen Spundung viel Schaum, dieser fällt aber genauso rasch wieder in sich zusammen. Der Duft ist dezent rauchig, und weist neben den eher holzigen Rauchnoten nur schwache chemisch wirkende Phenolnoten auf.

Der Antrunk ist sehr spritzig – typisch für diesen Bierstil. Auf der Zunge hat das Bier eine dünne Textur, es bizzelt ordentlich, und neben den retronasalen Holzraucharomen spüre ich leichte Phenolaromen, die ein bisschen nach Apotheke riechen und schmecken. Gepaart ist das Ganze mit einer feinen Adstringenz, die die Schleimhäute etwas rau macht – letzteres insbesondere auch nach dem Schluck. Einerseits erfrischen, andererseits aber mich persönlich auch sehr schnell sättigend. Der Rauchgeschmack und der leichte, schlanke Körper harmonieren für mich persönlich jetzt nicht wirklich doll.

Artos Brauerei – Lässig – Lager (4,9%)

Das Bier ist dunkelkupferfarben, fast schon kräftig braun. Es ist leicht trüb und entwickelt, weil überspundet, eine gewaltige Menge an beigefarbenem Schaum. Der Duft ist, nachdem der Schaum sich gesetzt hat, hopfig-würzig mit leicht harzigen Aromen, ein bisschen karamellig und, nachdem das Bier etwas wärmer wird, auch mit dezent phenolischen Aromen.

Der Antrunk ist – Überraschung! – sehr spritzig und bizzelig, auf der Zunge vergeht das zum Glück aber sehr schnell. Dort ist dann eher eine leicht karamellige Malzsüße zu spüren, die sich mit leicht kratzigen Röstaromen zu einem interessanten Kontrast vereinigt. Nach dem Schluck werden sowohl die Karamellnoten als auch die leichte Kratzigkeit etwas intensiver und führen zu einer gewissen Unausgewogenheit. Kann man trinken, aber der Name „Lässig“ impliziert irgendwie etwas anderes …

Hopfenretter – Böhmisch Dunkel #2.3 (4,2%)

Das Bier hat eine dunkelbraune Farbe, ist deutlich trüb und völlig überspundet. Ein großer Teil spritzt aus der Dose durch die Küche; der Rest, der im Glas landet, bildet unendlich viel Schaum aus. Der Duft ist leicht malzig, dezent röstig und hat eine leichte Note nach Spülmittel und Detergenzien.

Der Antrunk ist sehr spritzig (was jetzt nicht wirklich überrascht), und auf der Zunge paart sich das röstige Aroma mit einer kräftigen, kratzigen Bittere. Restsüße ist kaum vorhanden. Der Abgang unterstreicht die raue Bittere noch deutlich. Kein echter Genuss.

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4 Kommentare

  1. Zum Thema Zoigl und die Versuche dies zu schützen: Ich habe den Anlauf vor mehreren Jahren intensiv mitverfolgt. Resume: Weder die Antragsteller, noch die teuren Patentanwälte und auch nicht die Richter hatten wirklich eine Ahnung von der Materie. Kein Wunder daß der Antrag gescheitert ist.

    • Hallo, Gernot,

      dazu kann ich jetzt nichts sagen – das habe ich seinerzeit nicht verfolgt.

      Unabhängig davon sieht man aber, dass die Vermarktungsstrategie des Echten Zoigls (der ja nun eine Art Ersatz des geschützten Begriffs sein soll) ein zweischneidiges Schwert ist. Ist sie zu erfolgreich, zeigen sich negative Effekte – der Tag des Zoiglbiers am 3. Oktober ist ja wieder abgeschafft worden, als die dadurch nach Windischeschenbach und Neuhaus gelockten (Sauf-)Touristenmassen nicht mehr zu bewältigen waren.

      Mit bestem Gruß,

      VQ

  2. Vor Jahren trank ich ein erstes „neues“ Grodziskie aus Grodzisk. Weißt Du, ob die damals bei Ihren Versuchen wirklich Weidenrinde eingesetzt haben?
    Vom StoxBräu hatte ich vor zwei Jahren mal eine Kiste gekauft. Einige Flaschen waren schon vor dem MHD nicht mehr wirklich trinkbar, obwohl korrekt verschlossen. Die Brauerei scheint da ein Problem zu haben (m. W. ist es Lohnabfüllung)

    • Hallo, Ludger,

      leider weiß ich zur Genese des „neuen“ Grodziskie nicht viel – das Original ist wohl gelegentlich mit Weidenrinde gebraut worden. Allerdings gibt es zum Original so viele verschiedene Rezepte, dass ich bei meinen Recherchen seinerzeit den Eindruck bekommen habe, dass das Bier in Abhängigkeit der Verfügbarkeit der Rohstoffe jedes Mal anders gebraut worden ist.

      Zum StoXbräu: Das Bier altert nicht gut. Ich habe zwei Mal von denen ein Probierpaket bekommen, die sind echt nett. Aber das Bier schmeckt nur, wenn es knallfrisch ist. Schon nach kurzer Zeit bekommt es dezente Fehlaromen. Das scheint wirklich irgendetwas im Abfüllprozess nicht zu stimmen.

      Mit bestem Gruß,

      VQ

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