Also eigentlich aus Erfurt, aber verschickt aus Hannover …
Unsere lieben Hannoveraner Freunde waren in Erfurt. Was immer sie da auch sonst noch so gemacht haben, ist egal, aber wichtig ist: Sie waren in der Brauerei Heimathafen und haben an uns gedacht.
„Kennst Du die Biere von Heimathafen in Erfurt?“, hieß es in einer Kurznachricht. „Nee“, lautete meine ehrliche Antwort. „Nun, dann kennst Du sie bald!“
neun verschiedene Erfurter Biere
Und bald ist heute – heute ist nämlich das Paket mit neun verschiedenen Erfurter Bieren eingetroffen. Prima! Das werden schöne Verkostungen.
Verkostungsnotizen
Gabi – Helles; Jack – Pale Ale; Hefeweizen; Festbier – 1250 Jahre Großenehrich; IPA – India Pale Ale
Heimathafen – Erfurter Braumanufaktur – Gabi – Helles (4,9%)
Das Etikett zeigt sich humorig: „Mit Gabi fing alles an. Gabi steht aber nicht für die Ehefrau des Brauers, sondern für ‚Garagenbier‘, denn in der Garage wurde es in einem 20-Liter-Brautopf zum ersten Mal gebraut.“
Das Bier hat eine schöne goldgelbe Farbe, ist leicht trüb und entwickelt nur einen zurückhaltenden Schaum, der verhältnismäßig rasch verschwindet. Der Duft ist angenehm malzig, hat ein paar Keksnoten und wird sehr harmonisch und zart.
Er wird gefolgt von einem sehr weichen Antrunk und einem ebenso weichen Mundgefühl. Samtig, zart legt sich das Malzaroma auf die Zunge, ist dabei aber nicht zuckrig und süß, sondern malzig und rund. Eine Hopfenbittere ist fast gar nicht zu spüren. Der Schluck ist ebenso samtig und weich wie der Gesamteindruck – das Bier rinnt wunderschön harmonisch und ausgewogen den Rachen hinunter. Dort bleiben die Keks- und Malznoten für einen kurzen Moment präsent und klingen dann sachte ab. Ein sehr schönes Trinkerlebnis.
Heimathafen – Erfurter Braumanufaktur – Jack – Pale Ale (5,1%)
Wurde „Gabi“ noch ausführlich und humorig auf dem Etikett erläutert, so ist „Jack“ offensichtlich einfach nur so benannt, weil es „einer der beliebtesten englischen Vornamen“ ist. Der Jackl unter den Pale Ales …
Das Bier ist dunkelgelb, leicht trüb, und sein Schaum ist eher etwas zurückhaltend. Und lange halten tut er auch nicht. Schade, eigentlich. Der Duft ist, wie es der Name „Jack“ ja schon suggeriert, typisch englisch. Soll heißen, hier stehen nicht die fruchtigen Obstkörbchen-Aromen im Vordergrund, sondern eher harzige und kräuterige Hopfennoten. Gefällt mir sehr gut!
Der Antrunk ist recht neutral, aber auf der Zunge wird der hopfige, kräuterige und harzige Charakter dieses Pale Ales sehr schnell deutlich. Eine leichte Restsüße ist zu spüren, aber darüber legt sich eine kernige Hopfenaromatik, die alle Register der klassischen Aromahopfen zieht. Die Bittere ist sehr präsent, aber nicht übermäßig stark – da können viele deutsche Pilsener auch mithalten. In der Summe ergibt das einen sehr harmonischen Eindruck.
Der Schluck bringt die Bittere deutlicher nach vorn, ohne dass sie dabei intensiver wird, und retronasal kommen all die schönen harzigen und terpen-artigen Aromanoten noch einmal durch. Fein!
Heimathafen – Erfurter Braumanufaktur – Hefeweizen (5,2%)
Das Hefeweizen vom Heimathafen hat nun schon gar keinen Vornamen mehr bekommen – so, so …
Kräftig gelb steht es im Glas, ist kräftig und gleichmäßig trüb und entwickelt für ein Weizen verhältnismäßig wenig Schaum. Der aber ist wenigstens schön schneeweiß. Der Duft ist dezent hefig und recht intensiv bananig – also so richtig klassisch „weizig“.
Der Antrunk ist spritzig und sehr frisch, fast schon ein bisschen kohlensäurescharf. Die intensive Spritzigkeit und hohe Spundung zeigen sich auch auf der Zunge und im Mundraum, wo das Bier kräftig aufschäumt und eine angenehm (kohlen-)säuerliche Note zeigt. Retronasal werden die kremigen Bananenaromen leichter und flüchtiger, ein paar Aprikosennoten gesellen sich dazu. Auch eine leichte Herbe spüre ich jetzt, die aber eher hefig denn hopfig zu sein scheint. Der Abgang nach dem Schluck gestaltet sich verhältnismäßig neutral. Zwar bleibt eine säuerliche Frische erhalten, und es entwickeln sich auch ganz leichte (!) Schwefelnoten, aber beides ist nicht unangenehm und sehr zurückhaltend.
Heimathafen – Erfurter Braumanufaktur – Festbier – 1250 Jahre Großenehrich (5,5%)
Die hellbräunliche Farbe und die gleichmäßige Trübung zusammen mit einem nicht unbedingt beeindruckenden Schaum, der recht rasch endgültig zusammenfällt, wirken jetzt nicht gerade begeisternd auf mich. Der Duft ist da schon ansprechender: Dezente brotige Noten, ein kräftiger Karamellakzent und einiges an dunklen Früchten im Hintergrund – eine sehr interessante und wohlriechende Kombination.
Der Antrunk ist spritzig, etwas pfeffrig, und auf der Zunge macht sich erstmal eine fruchtige und süßliche Malznote breit, gefolgt von einer zwar präsenten, aber nicht zu dominanten Herbe. Retronasal werden jetzt die Brotaromen mit ein paar röstigen Anmutungen intensiv. Zusammen mit der Malznote machen sie das Bier aber recht voll, fast schon mastig, und ich beginne zu zweifeln, ob ich davon eine ganze Mass trinken wollen würde. Eher wohl nicht, denn trotz Wohlgeschmacks ist das Bier dann zu saturierend, zu sättigend. Der Abgang dreht die Aromatik noch einmal ins Fruchtige zurück, die Röstaromen verschwinden wieder, und auch der brotige Charakter klingt ab. Stattdessen fruchtige Süße, ein paar Erdbeernoten, ein paar schwarze Kirschen, ein paar Dörrpflaumen.
Mir persönlich etwas zu mächtig, aber beileibe kein schlechtes Bier!
Heimathafen – Erfurter Braumanufaktur – IPA – India Pale Ale (6,9%)
Die Farbe ist ein kräftiges Orange; die Trübung ist ebenso kräftig und schön gleichmäßig; der Schaum ist altweiß, stabil und hinterlässt leichte Trinkränder. Passt.
Der Duft ist intensiv hopfig-herb mit ebenso intensiven Grapefruit-Noten. Passt auch.
Der Antrunk ist kernig, der erste Eindruck auf der Zunge ebenfalls. Eine kräftige Hopfenbittere, eine stämmige Restsüße, die die Bittere ausbalanciert, und zum Duft passende, retronasale Aromen. Passt ebenfalls.
Der Abgang ist deutlich trockener als der Eindruck im Mund; der Malzkörper nimmt sich zurück und lässt der Bittere den Vortritt. Diese lässt sich nicht lange bitten und nimmt die gesamte Bühne für sich ein; vielleicht bleibt sie am Ende noch ein bisschen zu lange stehen und buhlt um einen erneuten Schlussapplaus, obwohl der Vorhang schon gefallen sein sollte. Passt grundsätzlich auch, ist aber ein bisschen penetrant.
Erfurter Urbier; Egon – Pils; Black India Pale Ale; Frankenhäuser Sole Pils
Heimathafen – Erfurter Braumanufaktur – Erfurter Urbier (5,5%)
Ich schaue zu, wie das Bier dunkelbraun und leicht trüb ins Glas fließt und einen beigefarbenen Schaum entwickelt, und ich denke mir dabei: „Aha, mal wieder so ein mastiges, mit dunklen Malzen karamellig und vollmundig überladenes Bier.“ Dann schnuppere ich, und bin angesichts der nur dezenten Karamellaromen durchaus überrascht. Ich habe Schlimmes befürchtet, aber es scheint doch besser zu sein, als gedacht.
Der Antrunk ist nicht allzu stark gespundet, dabei aber trotzdem frisch. Auf der Zunge merke ich den vollen Körper des Biers, aber ich vermisse die Malzsüße und die sättigende Fülle. Beziehungsweise vermisse sie eben nicht, sondern freue mich darüber, dass Vollmundigkeit, eine dezente Bittere und feine, zurückhaltende Röstaromen mit dem Karamellcharakter Hand in Hand gehen und ihn ein wenig ausbalancieren. Zwar versucht er, retronasal noch ein wenig aufzumucken, wird aber von Röstaromen und einer herben Note in Schach gehalten. Der Abgang fokussiert sich auf die eher herben Elemente des sensorischen Erlebens und lässt das Bier schlanker abklingen, als es zunächst den Anschein hatte.
Durchaus gelungen!
Heimathafen – Erfurter Braumanufaktur – Egon – Pils (4,7%)
So, jetzt sind wir wieder bei den Vornamen. Das ist praktisch: Für den Fall, dass man sich mit seinem Bier unterhalten möchte, weiß man gleich, wie man es ansprechen soll …
Egon ist mittelgelb und nur leicht trüb; sein Schaum ist nicht übermäßig üppig, und er fällt auch verhältnismäßig rasch zusammen. Der Duft ist hopfig und herb, mit einer feinen Heunote und einem Hauch Ananas.
Der Antrunk ist leicht pfeffrig-scharf, und auf der Zunge wirkt das Bier sofort sehr trocken und hochvergoren. Restsüße spüre ich fast keine; stattdessen erfreut mich eine sehr ausgeprägte Hopfenbittere. Wie schön, dass es noch Pils-Biere gibt, die nicht weichgespült sind, nicht für die Adabeis gebraut sind, also für die, die jeden Trend mitmachen wollen, dann aber dafür sorgen, dass er verwässert wird („Ich esse gerne Chili, aber nur, wenn sie nicht so scharf sind.“ – „Ich trinke gerne Pils, aber nur, wenn es nicht so bitter ist.“ – „Ich esse gerne Eis, aber nur, wenn es nicht so kalt ist.“).
Die heuartigen Aromen kommen auch retronasal sehr deutlich rüber und verleihen dem Bier eine Anmutung wie eine frisch gemähte Alpe irgendwo im Oberallgäu. Der Abgang ist konsequenterweise kernig und trocken, das Finish raut die Schleimhäute ein wenig auf und macht Lust auf einen weiteren Schluck. Hohe Durchtrinkbarkeit trotz beeindruckender Bittereinheiten!
Heimathafen – Erfurter Braumanufaktur – Black India Pale Ale (6,8%)
Ganz schwarz ist es nicht, dieses Bier, aber schon sehr, sehr dunkel. Dabei leicht trüb und gekrönt von einem sehr üppigen und lange haltbaren, leicht kremefarbenen Schaum. Der Duft ist absolut stiltypisch eine feine Melange aus Röstaromen und herb-fruchtigen Hopfennoten. Kaffee und Pampelmuse? Mokka und Grapefruit? Muckefuck und Mandarinenschale?
Der Antrunk ist ein bisschen pfeffrig scharf und frisch. Auf der Zunge bleibt diese Frische ebenso wie die leichte Schärfe einen Moment lang erhalten, bevor sich dann eine kräftige Bittere breit macht. Ein Hauch von malziger Restsüße verblasst ganz rasch; stattdessen kommen gemeinsam mit der Hopfen- und Röstbittere kräftige Pampelmusenschalenaromen hervor. Die Kombination wirkt überzeugend und recht komplex. Ein bisschen harzig wirkt sie, aber auch fruchtig und bitterschokoladig. Nach dem Schluck bleibt die Bittere eine ganze Weile lang haften. Zu lang? Ich weiß nicht. Gerade, als ich meine, ihr überdrüssig zu werden, klingt sie dann doch ab und macht einem neutral-trockenen Gefühl auf den Schleimhäuten Platz. Lust auf den nächsten Schluck!
Heimathafen – Erfurter Braumanufaktur – Frankenhäuser Sole Pils (4,9%)
Ein salziges Pils? Mit Sole aus Frankenhausen gebraut? Auf die Idee muss man erstmal kommen. Zumal es auch tatsächlich etwas anders schmeckt als die Goslarer oder Leipziger Gose, die ebenfalls einen leicht salzigen, aber eher zurückhaltend mineralisch wirkenden Geschmack haben. „Ein einzigartiges Geschmackserlebnis mit Original Frankenhäuser Sole aus der Kyffhäuser-Quelle.“
Nun denn:
Das Bier ist mittelgelb, gleichmäßig trüb und entwickelt einen schönen, weißen Schaum, der aber nicht allzu lange hält. Der Duft ist hopfig-herb mit feinen Zitrusnoten.
Schon im Antrunk merke ich deutlich den verhältnismäßig hohen Salzgehalt. Mineralisch, salzig und deutlich basisch wirkend fließt das Bier auf die Zunge. Die relativ geringe Restsüße und der Salzgehalt werden von einer durchaus prägnanten Hopfenherbe ergänzt – das ist deutlich harmonischer als es klingt. Retronasal bietet der Hopfen ein paar harzige Aromen auf, die aber vor dem salzigen Hintergrund anders wirken als dies bei einem malzsüßen Bier der Fall wäre. Auch nach dem Schluck ist diese spannende Kombination anders als in anderen Bieren: Harzige Noten, eine deutliche Bittere, aber keine trockenen Schleimhäute, da das Salz gleich einen gewissen Speichelfluss anregt und die Schleimhäute somit feucht hält. Hochinteressant. Nicht für jeden Tag, aber trotzdem gerne bei Gelegenheit mal wieder!
Oh wie lecker, die Flaschen sehen richtig schick aus;)
LG
Jannes
Freut mich, wenn’s Dir gefällt, Jannes.
Und das Beste ist: Die Flaschen sehen nicht nur richtig schick aus, sondern ihr Inhalt schmeckt auch!
Mit bestem Gruß,
VQ
Ja, die Erfurter Heimathafen-Braumanufaktur macht sehr wohlschmeckende Biere. Immer zu empfehlen. Volker (wir kennen uns von einem Brauereibesuch zusammen mit dem Bierpapst in Unterradlberg/Österreich) – weißt du, dass es in Erfurt mittlerweile 13 Braustätten gibt? Ich könnte bei Gelegenheit einige Biere für dich besorgen – wenn du möchtest. Ich wünsche frohe Weihnachten!
Hallo, Thomas,
ja, selbstverständlich erinnere ich mich an unseren Brauereibesuch bei der Brauerei Egger. War schön gewesen. Der Florian Berger, der uns durch die Brauerei geführt hat (der mit der Glatze), ist mittlerweile Geschäftsführer des Verbands der Brauereien Österreichs – ich hatte diesen Sommer mal kurz Telefonkontakt mit ihm.
Dass es mittlerweile schon dreizehn Braustätten in Erfurt gibt, das ist mir neu. Ich war vor drei Jahren mal kurz in Erfurt, aber da hat die Zeit hinten und vorne nicht gelangt, die ganze Bierszene zu erkunden. Insofern wäre ich schon sehr interessiert daran, ein paar mehr Biere aus der Stadt zu verkosten, das wäre schön!
Dir wünsche ich ebenfalls von ganzem Herzen ein frohes Fest und alles Gute für das neue Jahr 2023.
Mit bestem Gruß,
VQ