Omnipollos
Hamburg
DEU

Hier ist Hamburg. Da weiß man, wo rosa oder rote Hauseingänge hinführen.

Oder?

Deswegen stutze ich auch für einen Moment, als ich den rosafarbenen Abgang hinab in den Keller sehe.

ein rosa Abgang

Eine Handvoll Treppenstufen später stehe ich in einer genauso schweinchenrosafarben gestrichenen Kellerbar – im Omnipollos Hamburg. Links von mir die Theke mit dem obligatorischen schwarzen Brett, das die Fassbiere verkündet, rechts von mir zwei kleine Bereiche mit vielleicht einem halben Dutzend Tischchen für jeweils vier, fünf Personen maximal. Geradeaus auch noch mal ein kleiner Sitzbereich, und dahinter kommt schon die Küche.

Viel Platz is‘ nich‘, stelle ich lakonisch fest.

Aber originell ist es. Bis hin zu den gläsernen Tap-Handles, die – und jetzt geht die St. Pauli geprägte Fantasie wieder mit mir durch – aussehen wie Sexspielzeuge. Glas-Dildos in allen erdenklichen Formen. Oder sehen sie nicht nur so aus? Falls das der Fall ist, dann sind sie hoffentlich nicht gebraucht, oder wenigstens gut gereinigt …

Tap-Handles oder Glas-Dildos?

„Wir sind heute Abend völlig ausreserviert, aber wenn Dir gute zwei Stunden reichen, dann darfst Du gerne hier in der Ecke Platz nehmen“, spricht mich der freundliche junge Kellner an und nimmt auf einem Weg auch gleich schon meine Bestellung auf.

Es ist alles auf Effizienz getrimmt, aber im positiven Sinne. Keine Papierkarte, die verfleckt und veraltet irgendwelche Biere anbietet, die gar nicht mehr am Hahn sind. Stattdessen ein QR-Code, der nicht auf eine pdf-Datei führt (das ist in manchen Läden so der stümperhaft erste Schritt zu Digitalisierung), sondern zu einer aktuell gepflegten html-Übersicht. Klar strukturiert, mit allem, was man über die Biere und deren Preise wissen muss. Und über die Pizzen, denn das ist das einzige, was es zu essen gibt.

Auch gezahlt wird übrigens nur noch digital mit Karte oder NFC per Telefon; Bargeld gibt’s hier nicht mehr. Aber das spielt erst am Ende des Abends wieder eine Rolle, jetzt setze ich mich erstmal gemütlich hin und genieße mein 6,0%iges Be Extra American IPA.

Rosafarbenes Bier?

Es ist rosafarben (aber das liegt nicht am Bier, sondern daran, dass hier alles rosafarben ist), und ist ein sehr guter Vertreter seines Stils. Ist zwar nicht das Kerngeschäft von Omnipollo (die haben sich eher auf dicke, süße und mit allen möglichen Zutaten gebraute Stouts und Porter spezialisiert), ist aber trotzdem gut gelungen. Unaufgefordert (und selbstverständlich gratis) gibt es eine große Karaffe Wasser dazu. Sehr gut! Da sollten sich die anderen Gastronomen in Deutschland mal ein Beispiel dran nehmen. Gibt’s überall auf der Welt, nur ausgerechnet in Deutschland, wo das Trinkwasser aus dem Hahn wohl das beste der Welt ist, nicht!

Augenblicke später kommt auch schon die Vorhut zu meiner Pizza – ein Sammelsurium von selbstgemachten Bierdressings. Ob auf Stout- oder Sauerbierbasis, ob mit Früchten, Malz oder Pesto. Mal scharf, mal weniger scharf, aber immer hochinteressant.

Und dann die Pizza. Optisch eine Enttäuschung. Nee, also das sieht schon ohne die rosafarbene Umgebung schon nicht so lecker aus … Schade. Geschmacklich allerdings völlig okay, und damit dann auch eine sehr gute Basis, um all die verschiedenen Bierdressings zu verkosten. Der Geschmack versöhnt mich aber nur teilweise, denn es gilt ja: Man isst die Augen mit. Beziehungsweise, das Auge isst mit.

Zur und nach der Pizza gibt es das 6,5%ige Levon, ein Belgian Pale Ale. Ein grundsolides Bier mit schönen Hopfenaromen, die sich mit phenolischen Aromen einer belgischen Hefe ein bisschen kabbeln und so für eine spannende Sensorik sorgen. Mir gefällt’s, auch wenn es sicherlich kein Bier ist, von dem ich meinem Enkel an langen Winterabenden erzählen werde. Stattdessen ein ordentliches Bier für immer mal wieder.

Unaufgefordert kommt jetzt eine Kugel Eis. „Das ist unser Gueuze-Eis. Milch, Sahne, Zucker, Ei, also ganz normales Milcheis, und dann mit belgischer Gueuze abgeschmeckt. Probier mal!“ Auch das ein Gruß aus der Küche, der den Genuss abrunden soll.

Mir gefällt es. Die feine Säure der Gueuze gibt dem simplen Milcheis einen schönen und interessanten Touch.

„Na, Volker, wie schmeckt Dir mein Eis?“ Ich schaue auf. Vor mir steht Max Marner von Beyond Beer und Brausturm. Dass er hier im Omnipollos Hamburg seine Finger mit drin hat (er ist Miteigentümer), das wusste ich, aber dass er, so wie er sich mir jetzt mit der Schürze um den Bauch präsentiert, auch mit in der Küche steht, das ist mir neu.

„Ja, ich helfe heute ein bisschen aus. Es ist viel los, und mir macht das auch Spaß. Was meinst Du? Gutes Eis?“

„Ja, gutes Eis, aber zum Belgian Pale Ale passt es nicht“, antworte ich offen und ehrlich.

„Dann warte mal einen Moment!“

Kurze Zeit später steht eine neue Eiskugel vor mir, und dazu zwei Verkostungsgläser mit Kriek und Original Gueuze von Cantillon. „Sag mir, welche Kombination besser passt“, grinst Max und verschwindet wieder in der Küche.

eine Bier-und Eis-Verkostung

Wie schön – eine Bier-und Eis-Verkostung. Eine nette Überraschung. Die Entscheidung fällt aber durchaus leicht. Das knochentrockene Kriek erzeugt gewisse Dissonanzen zum Gueuze-Eis, während die Cantillon-Gueuze die nahezu perfekte Ergänzung ist: Die Säure schneidet durch die milchige Konsistenz des Eis, und dessen Frische und Süße wiederum glätten die Kanten der Säure im Bier. Großes Verkostungskino.

Zum Abschluss gönne ich mir noch eine kleine Flasche Lorelei, ein Barrel Aged Imperial Porter mit 12,5% Alkohol. Eigentlich Übermut, andererseits ist die Flasche ja nur 330 ml groß. Schaumlos, dickflüssig wie Motoröl, tiefschwarz und hocharomatisch. Süß, vollmundig, fast schon klebrig und unglaublich komplex. Und fein alkoholisch wärmend, was mich für den rund dreieinhalb Kilometer langen Spaziergang durch den leichten Frost zurück ins Hotel vorbereitet.

Ein sehr guter Abschluss eines schönen Bierbarbesuchs, der noch abgerundet wird durch die Erkenntnis, dass hier alles rosa ist außer der Herrentoilette. Die ist, einschließlich des Klopapiers, türkis.

Höchst originell, aber auf Dauer auch Augenkrebs fördernd. Für einen Abend witzig, aber wenn ich hier arbeiten müsste? Ich weiß nicht. Immerhin aber ein klassisches Alleinstellungsmerkmal, oder wie die Werbefritzen sagen: Ein USP, ein unique selling proposition.

die Theke

Die Bar Omnipollos Hamburg ist mittwochs bis freitags ab 17:00 Uhr geöffnet, sonnabends schon ab 16:00 Uhr. Den Rest der Woche ist zu. Vom S- und U-Bahnhof Sternschanze aus sind es fünf Minuten Fußweg in Richtung Süden, bis man vor den rosafarbenen Treppenstufen steht und zwischen den rosafarbenen Wänden hinunter zur rosafarbenen Tür gehen kann …

Bilder

Omnipollos Hamburg
Kampstraße 36
20 357 Hamburg
Hamburg
Deutschland

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