Wenn sie Aufmerksamkeit braucht (oder von etwas ablenken möchte), kommt die katholische Kirche gerne mal mit irgendwelchen Wundern um die Ecke. Blut weinende Christus- oder Madonnenfiguren sind besonders beliebt, aber in ihrer Beliebtheit nicht nur noch unglaubwürdiger als vieler anderer katholischer Kokolores, sondern mittlerweile auch langweilig. Schon wieder eine Blut weinende Madonna? Gähn! Hatten wir doch letztens schon …
Wie spannend dann eine Madonnenfigur wirkt, die nicht Blut (Rotwein …?) sondern Bier weint!
Gibt’s nicht?
Gibt’s doch!
Und zwar in Thomas Langs neuem Bierkrimi „Goldberg und die Tränen der Madonna“.
Goldberg und die Tränen der Madonna
Aus dem Krimi liest Thomas gerade vor: „‚Eine weinende Madonna?‘, fragte Minkin. ‚Nicht ganz neu das Motiv.‘“ Er spricht mir aus der Seele. „Gab es da nicht schon einen Tatort drüber? Spätestens dann war das Thema verbrannt.“
Eine kurze, aber mitreißende musikalische Einleitung von Michael Rödinger hat es eben gegeben. Der Hobbymusiker ist heute Abend ganz hervorragend in Form und reißt das Publikum mit Leichtigkeit mit, und jetzt lauschen wir dem ersten Kapitel des neuen Bierkrimis.
Bierkrimi – das heißt aber auch: Bier! Nicht nur Krimi.
Fünf spannende Biere hat Biersommelier Frank Di Marco, in dessen Getränkemarkt die Lesung stattfindet, deshalb vorbereitet, und das erste stellt er uns nun vor:
Kaiser Bräu – Veldensteiner – Mandarina Bavaria Weissbier
Das 5,4%ige Weißbier hat eine wunderbar dunkelgelbe, ins Orange changierende Farbe, ist schön und gleichmäßig trüb und trägt eine üppige, schneeweiße, kremige und sehr stabile Schaumkrone. Der Duft ist rund und voll, bananig und mit feinen Mandarinen-Akzenten. Ein frischer (und erfrischender) Antrunk leitet über zu einem runden und vollen Mundgefühl, und nach dem Schluck bleibt eine für ein Weißbier ungewöhnliche, feine Herbe für einen Moment haften.
Was für ein schönes Bier. Hat aber zu diesem frühen Zeitpunkt noch nichts mit der Handlung des Bierkrimis zu tun.
Das zweite Bier, das uns Frank kredenzt, allerdings schon: Das Hochdorfer Gold aus der Kronenbrauerei ist ein sehr angenehmes Bier für den großen Schluck, und der Protagonist des Buchs, der Privatermittler Minkin, lechzt gerade nach eben diesem Bier.
Hochdorfer Kronenbrauerei – Hochdorfer Gold
Ein 5,2%iges, kräftig goldfarbenes und blitzblank filtriertes Lagerbier mit einer schönen und festen Schaumkrone. Ein weicher, malziger Duft mit feinen Kuchenteignoten gefällt gut. Der weiche Antrunk und das ebenso weiche Gefühl auf der Zunge verleiten zu großen Schlucken, und der saubere Abgang signalisiert sofort: Davon möchte ich mehr! Hohe Durchtrinkbarkeit nenne ich das ja gerne.
Ich träume dem Schluck Bier hinterher. „Gutes Getränk, dachte Minkin. High drinkability. Hohe Durchtrinkbarkeit, wie der Bierreisende und Gerstengelehrte Volker R. Quante das gerne mal nannte“, höre ich meine innere Stimme.
Thomas Lang
Nein, Moment, das ist nicht meine innere Stimme, das ist Thomas, der aus seinem Buch vorliest. Ich falle vor Überraschung fast von meiner Bierbank, und Thomas grinst mich an. Da hat er mich tatsächlich in seinen Minkin-Krimi mit eingebracht und trägt so seinen Teil dazu bei, den Begriff der Durchtrinkbarkeit weiter im Wortschatz der deutschsprachigen Bierliebhaber zu verankern. Wie schön!
Durchtrinkbarkeit!
Hochspannend entwickelt sich der Krimi weiter, untermalt und begleitet von teils dramatischer Musik, dann wieder von Michaels mitreißenden Songs. Ein sehr schönes Wechselspiel zwischen Bierkrimispannung, musikalischer Dramatik und tollen Bieren.
Die Handlung entwickelt sich weiter. Die Tränen der Madonna – sie sind aus echtem Bier. Natürlich! Der Krimi spielt ja auch im bierfränkischen Raum, dort trinkt man Bier und keinen Rotwein. Damit sie den sonst in der katholischen Kirche üblichen Bluttränen wenigstens optisch nahekommen, müssen sie natürlich aus Rotbier sein.
Mit wissendem Grinsen serviert Frank das nächste, das dritte Bier:
Brauerei Kundmüller – Weiherer Urstöffla
Ein Rotbier! Noch dazu aus Weiher, von der Brauerei Kundmüller, die ich erst Ende Dezember besucht hatte. Ein kleiner Brauereigasthof am Ende der Welt, in dem nur ein einziges Bier gebraut wurde – das war die Brauerei Kundmüller noch vor zwei Jahrzehnten. Und jetzt? Eine blühende Kreativbierbrauerei mit fast zwei Dutzend spannenden Bieren im Angebot. Eine Brauerei, die ohne Übertreibung mittlerweile weltweit bekannt ist und auf x-verschiedenen Bierwettbewerben schon die höchsten Preise und Auszeichnungen gewonnen hat.
Jetzt und hier also das Rotbier. Eine rotbraune Farbe, ein üppiger und leicht beigefarbener Schaum, ein kräftiger Geruch nach dunklem, würzigem Waldhonig mit ein paar Brotkrustennoten im Hintergrund. Ein voller und weicher Antrunk, und auf der Zunge ein Gefühl, als könne dieses Bier eine ganze Zwischenmahlzeit mit Leichtigkeit ersetzen. Das Ganze aber ohne, dass das Bier zu saturierend und mastig wird. Was für ein schöner und komplexer Genuss.
Michael Rödinger
Während ich dem Bier noch hinterhersinniere, hat Michael schon wieder ein Lied gespielt, und Thomas ist beim nächsten Kapitel. Minkin ist in Bamberg angekommen und hat ein Zimmer im Hotel Alt-Wunderberg bezogen – eine klare Anspielung auf die Wunderburg, wo unter anderem das Mahr’s Bräu beheimatet ist. Passend dazu gibt es jetzt das Ungespundete aus eben dieser Brauerei:
Mahr’s Bräu – U
Früher war dieses 5,2%ige Bier für mich der Inbegriff der Durchtrinkbarkeit. Gering gespundet lief es wunderbar über die Zunge, war rund und aromatisch, harmonisch und ohne Ecken und Kanten. Ein Seidla, also ein halber Liter, war überhaupt kein Problem – in weniger als einer Minute war das Glas geleert.
Aber irgendwie hat es an Harmonie und Ausgewogenheit verloren. Schon noch ein gutes Bier, aber dennoch: Nicht mehr so herausragend. Schön braun in der Farbe mit nicht übermäßig vielem Schaum (ist ja okay, wenn es ungespundet ist), aber mit einem etwas dumpf wirkenden Malzgeruch, einer nicht mehr ganz so runden und balancierten Sensorik rauscht es zwar immer noch recht gut über die Zunge, aber nach einem halben großen Glas lässt die Lust erstmal nach, und erneuter Durst muss sich erst durch eine gewisse Pause erarbeitet werden. Jammern auf hohem Niveau, das sicherlich, aber der Maßstab, den sich das Bier einst selbst gesetzt hat, ist halt sehr, sehr streng!
Aber als hätte Frank das geahnt: Nach dem nächsten Musikstück und der nächsten Leseprobe kommt als bieriger Abschluss des heutigen Abends DAS Bamberger Bier schlechthin, das Schlenkerla Märzen.
Aecht Schlenkerla Rauchbier – Märzen
Und sofort scheiden sich die Geister. Ist dieses Bier für mich die Rauchbieroffenbarung schlechthin, sehen das einige Mitgenießer völlig anders und lehnen das Bier in Bausch und Bogen ab.
Die Heller Bräu Trum, wie die Schlenkerla-Brauerei richtig heißt, braut ihr Rauchbier ziemlich kompromisslos. Dunkelbraun, fast schwarz ist das 5,1%ige Bier, trägt eine üppige und leicht beigefarbene Schaumkrone, und der Duft ist so dominant von Buchenholzrauch geprägt, dass viele Menschen ihn unbedarft mit Schinkenduft gleichsetzen – obwohl dem Bier die feiste und fettige Note eines frisch geräucherten Schinkens völlig fehlt. Aber wer Buchenholzrauch nur aus diesem Zusammenhang kennt, hat das halt als allererste Assoziation.
Der dominante Rauchcharakter setzt sich bis nach dem Schluck fort. Der dicke Malzkörper, die durchaus prägnante Bittere – all dies tritt selbstlos in den Hintergrund, die Bühne gehört dem Rauch.
Ein fulminanter Abschluss der Bierverkostung.
Noch ein mitreißendes Musikstück, noch eine Andeutung aus dem nächsten Kapitel des Bierkrimis, und dann werden wir quasi mit einem Cliffhanger allein gelassen. Wer wissen will, wie es weitergeht, muss sich das Buch kaufen. Was ich im übrigen jedem empfehle, der Lust an Bier, Krimispannung und skurrilem Humor hat.
Mit einer Signierstunde geht der Abend zu Ende. Beziehungsweise über in eine noch etwas länger dauernde Sitzung des harten Kerns. Wer mag, kann noch Reste trinken, mit Frank und Thomas diskutieren und vielleicht sogar noch beim Aufräumen helfen.
Ein gutes Buch, gute Biere, gute Musik, eine gute Moderation! Hoffentlich bald mal wieder!
Krimilesung mit Bierverkostung
Getränke Heck GmbH
Goethestraße 35
70 825 Korntal-Münchingen
Baden-Württemberg
Deutschland
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