Biererlebnisabend?
Biererlebnisabend! Betreutes Trinken. Mit Einlagen.
Zwischen den langen Bierkistenreihen im Getränkemarkt Heck stehen ebenso lange, blauweiß rautiert eingedeckte Tische mit Verkostungsgläsern und viel Mineralwasser für den Durst zwischendurch.
Acht Biere möchte mein lieber Freund, der Biersommelier Frank Di Marco, mit seinen Gästen heute durchverkosten. Spannende Geschichten und Geschichtchen inklusive. Dazu eine deftige Brotzeit. Und die eine oder andere kleine Überraschung. Alles unter der Überschrift „Hopfen“.
Biererlebnisabend
Voller Erwartung harren wir der Dinge, die da kommen.
Den Auftakt macht ein viel zu unterschätztes Pils aus der ebenso unterschätzten Waldhaus-Brauerei im Südschwarzwald:
Waldhaus – Diplom Pils
Das 4,9%ige Bier hat eine ganz helle Farbe, ist blank filtriert, hat einen schönen weißen Schaum und duftet fein kräuterig-hopfig mit einem ganz leicht zitronigen Hauch. Der spitzige Antrunk ist frisch, und im Mund zeigt sich das Bier schlank mit einer schönen, sauberen, aber nicht zu dominanten Herbe, die über den Schluck hinweg den Abgang prägt.
Ein sehr schönes Bier, ohne Frage, aber warum muss das arme Bier die rumpeldumme Bezeichnung Super-Premium auf dem Etikett mit sich herumschleppen? Warum nur? Warum?
Eigentlich hätte es dafür in meiner persönlichen Wertung einen ganzen Stern Abzug verdient!
Während wir dieses schön ausgewogene und als Aperitif hervorragend geeignete Bier genießen, erzählt Frank vom Beginn der Geschichte dieses Bierstils – als 1842 der niederbayerische Brauer Josef Groll nach Pilsen kam, dort mit dem weichen Wasser ein hopfenbetontes, helles Lagerbier braute und so den Grundstein legte für eine Erfolgsgeschichte, die den Biermarkt weltweit prägt. Neun von zehn Bieren auf der Welt sind mittlerweile helle, untergärige Lagerbiere.
Das zweite Bier trägt das Leitthema des heutigen Tages schon im Namen, wenn auch auf etwas skurrile Weise: Hopfensau nennt sich dieses dunkle Bier der Hirschbrauerei Honer nämlich.
Hirschbrauerei Honer – Hopfen Sau
Ein schönes, dunkles und leicht karamellig riechendes Bier, das mit einem weichen Antrunk und einer angenehm runden Vollmundigkeit aufwartet. Schöne, warme Malzaromen umspielen die Zunge, der Schluck bleibt rund und samtig, und sachte klingen die Karamellaromen im Abgang ab.
Und der Hopfen? Das Bier heißt doch Hopfen Sau???
Tja, der ist gar nicht so reichlich in diesem Bier verwendet worden. Zwar spürt man ihn schon in der dezenten, sanften Bittere und dem ganz leichten Kräuteraroma in der Nase, aber das war es auch schon. Aber das Bier heißt nicht wegen übermäßiger Verwendung des Hopfens so, sondern weist auf den Ehrentitel „Hopfen Sau“ hin, der jedes Jahr zur Hopfenernte der Person verliehen wird, die die letzte Hopfenranke des Jahres pflückt. Meist geschah das, indem die jungen Burschen die letzte Ranke der hübschesten oder sympathischsten Hopfenpflückerin hinüberschoben. Sie wurde dann zur Hopfen Sau ernannt, musste ein paar freundliche Streiche erdulden, wurde aber auch reich beschenkt und am Abend des letzten Erntetages wie eine Hopfenkönigin gefeiert.
Das Bier passt also von der Geschichte her perfekt zum Leitthema des Biererlebnisabends, von der Sensorik her wohl eher nicht … Alljährlich wird es zur Fastenzeit auf den Markt gebracht und erinnert an die alten Bräuche bei der Hopfenernte.
Schlag auf Schlag geht es weiter, wir sind schon beim dritten Bier, dem Hopfensommer von Schwaben-Bräu!
Schwaben-Bräu – Hopfensommer
Leuchtend grün das Etikett, und irgendwie grün auch der Duft … Dieses 4,7%ige Bier fasziniert mit Hopfennoten, die wirken, als habe man mit frischem Doldenhopfen, direkt nach der Ernte, noch vor der Trocknung, gebraut. Grasige, heuartige Noten dominieren. Die helle Farbe, die ganz dezente Trübung, der weiße Schaum – das Bier weiß sich gut zu präsentieren. Auch die dezente Bittere, der runde Malzkörper und die nicht zu stark ausgeprägte Rezenz bringen alle sensorischen Aspekte in eine angenehme Balance.
Ob es wirklich mit Grünhopfen gebraut worden ist? Oder sind nur reichlich klassische Aromahopfensorten gestopft worden? Wir wissen es nicht, sind aber mit dem Bier sehr zufrieden!
Ein viertes Bier kommt jetzt noch, und zwar aus der Schönbuch Braumanufaktur, und dann ist erstmal eine kleine Pause, in der es ein paar Snacks geben soll. Ein kurzer Endspurt also:
Schönbuch Braumanufaktur – Lucky Experience
Das Bier fällt durch sein psychedelisches Etikett sofort ins Auge. Die 70er sind wieder da! Jimi Hendrix & Co! Die ältere Generation strahlt. Dabei ist es doch der Junior, der Lukas Dinkelaker nämlich, der dieses Bier entworfen und gebraut hat. Mit Citra-Hopfen gestopft, ist dieses Bier wunderbar fruchtig und frisch. Die helle, gelbe Farbe, die nur leichte Trübung, der üppige und schneeweiße Schaum, der zitronige Duft und die leichte, spielerische Aromatik auf der Zunge machen das 5,0%ige Bier zu einer wunderbaren Erfrischung an heißen Sommertagen – perfekt für den Summer of ’69!
Jetzt ist aber erstmal Stärkung angesagt. Ein Büffet mit Snacks, also mit deftigen, sehr deftigen Kleinigkeiten, wartet auf uns. Hartwurst, Käse, frisches Brot, Salate – alles, was das (Biertrinker-) Herz begehrt. Ein Moment, um sich auch über die bisher getrunkenen Biere auszutauschen.
ein paar deftige Kleinigkeiten
Und tatsächlich ist es so: Kaum haben wir eine ordentliche Grundlage im Magen, regt sich schon wieder der Durst. Also, nicht der echte Durst, den haben wir nach vier Bier bestimmt nicht mehr. Aber so ein gieriges Verlangen. Nach salziger Wurst, würzigem Käse und frischem Brot verlangt der Magen nach etwas Flüssigem. Wasser wäre zu banal, etwas Süßes jetzt zu mächtig, also bleibt ja nur ein ordentliches Bier!
Und Frank Di Marco hat natürlich für Rettung gesorgt und kredenzt uns das erste Nachpausenbier – ein Bier aus meiner Heimat, dem Oberallgäu, gebraut in der Zötler Brauerei.
Zötler – Herzsolo
Das 5,2%ige Herzsolo ist ein Bier mit einer Geschichte. Zum einen erinnert es an den Großvater des heutigen Bräus, an Herbert Zötler II., der ein begeisterter Schafkopfspieler war. Und zum anderen hat Niklas Zötler mit diesem Bier eine Art belgisches Wit kreiert, ohne Orangenschalen und Koriander verwendet zu haben. Nur durch pfiffige Auswahl von neuen Aromahopfenzüchtungen ist es ihm gelungen, die typischen Wit-Aromen in dieses Bier zu bekommen.
Hellgelb ist es, leicht trüb, und es trägt einen schönen, schneeweißen Schaum. Der Duft ist fruchtig, mit einem Hauch Zitrone, und nach einem erfrischenden Antrunk kommt ein fein-fruchtiges Geschmackserlebnis, das dieses Bier zu einem perfekten Sommerbier macht. Die Bittere ist nicht sehr stark ausgeprägt, aber da es die Hopfensorten sind, die den Charakter des Biers ausmachen, passt es natürlich hervorragend zum heutigen Leitthema Hopfen.
Und gleich geht es auch schon mit dem sechsten Bier weiter – eine gewisse Ungeduld und ein gewisser Durst des Publikums sind halt zu spüren. Es kommt „ein alter Bekannter“, soll heißen, ein Bier, das wir gestern bei der Lesung aus Thomas Langs neuem Bierkrimi „Goldberg und die Tränen der Madonna“ schon getrunken haben, das Mandarina Bavaria der Veldensteiner Kaiser Bräu.
Kaiser Bräu – Veldensteiner – Mandarina Bavaria
Das 5,4%ige Weißbier hat eine wunderbar dunkelgelbe, ins Orange changierende Farbe, ist schön und gleichmäßig trüb und trägt eine üppige, schneeweiße, kremige und sehr stabile Schaumkrone. Der Duft ist rund und voll, bananig und mit feinen Mandarinen-Akzenten. Ein frischer (und erfrischender) Antrunk leitet über zu einem runden und vollen Mundgefühl, und nach dem Schluck bleibt eine für ein Weißbier ungewöhnliche, feine Herbe für einen Moment haften.
Für das siebte und vorletzte Bier hat sich Frank eine besondere Überraschung ausgedacht: Eine Vorpremiere. Das Bier, das wir jetzt trinken, ist noch gar nicht auf dem Markt erhältlich, sondern soll erst ab übernächste Woche oder so verkauft werden. Es stammt aus der Hochdorfer Kronenbrauerei.
Hochdorfer Kronenbrauerei – Steinhauer Braunbier
Braunbier – das ist ein in Deutschland nicht sehr weit verbreiteter Bierstil. Ein bisschen an ein englisches Ale erinnernd, etwas malzig, aber nicht zu sehr. So sollte es sein.
Von der Optik her passt schon mal alles. Eine angenehm braune Farbe, fast keine Trübung, kaum Schaum. Das ist so in Ordnung. Der Duft ist dezent herb und wirkt irgendwie mineralisch – und genau das ist auch der Eindruck direkt beim Antrunk. Eine feste Mineralität. Nicht salzig, sondern eher kreidig, steinartig. Nicht unangenehm. Zusammen mit den eher dezenten Malznoten und einer zurückhaltenden Hopfung bringt sich dieses Bier als etwas ganz Eigenes ein. Ein Ticken mehr Hopfenbittere, ein Hauch mehr Röstbittere, und wir hätten ein schönes Düsseldorfer Altbier.
So aber: Ein süddeutsches Braunbier.
Überraschung gelungen.
Aber Diskussionsbedarf gibt es trotzdem: Das Bier sei bernsteinfarben, behauptet das Etikett, und die Runde nickt einmütig. Bernsteinfarben? Ich runzle mal wieder die Stirn. Viele Jahre habe ich in Polen nicht allzu weit von der Ostsee entfernt gelebt und gearbeitet, und ich habe viel Bernstein gesehen. In Schmuckgeschäften, in Souvenirshops und am Strand. Es gibt ihn in allen Farbschattierungen – von ganz hell, fast weiß beziehungsweise durchsichtig klar bis ganz dunkel, fast schwarz. Oder in seltenen Fällen sogar ganz schwarz. Was also ist bernsteinfarben???
bernsteinfarben???
Heute führt uns diese Diskussion aber nicht weiter – für derlei intellektuelle Sensorik-Übungen ist unser Alkoholpegel schon zu hoch.
Insofern ist es nicht schlecht, dass jetzt der krönende Abschluss kommt – das achte und letzte Bier. Es stammt aus Rosenheim, hat mit dem Leitthema Hopfen überhaupt nichts zu tun und ist ein Maibock. Gebraut von der Brauerei Flötzinger, die mir deswegen so gut im Gedächtnis geblieben ist, weil deren Brauereiausschank mitten in Rosenheim über das wohl größte Wirtshausschild verfügt, das ich bisher gesehen habe.
Flötzinger – Mai Bock
Recht hellgelb und damit erstaunlich hell für ein Bockbier präsentiert sich dieses 7,0%ige Starkbier aus Rosenheim. Der Schaum ist üppig und schneeweiß, der Duft weich und malzig und süß.
Auch der Antrunk ist malzig und süß, und so bleibt auch der Eindruck auf der Zunge. Sehr vollmundig und rund, dadurch aber auch schon sehr sättigend. Die schönen Honigaromen, die leichten Kuchenteigakzente und die Malzsüße sind eigentlich alle ganz fein, aber ohne die ausbalancierende Kraft des Hopfens wirkt das Bier ein wenig saturierend. Ein ordentliches, fehlerfreies Bier, aber kein herausragender Vertreter seiner Zunft.
Uff! Geschafft! Acht Biere in etwas über drei Stunden. Das war eine ordentliche Leistung.
Doch halt! „Eine Überraschung habe ich noch“, ruft Frank. „Ich habe aus diesem Maibock nämlich einen Eisbock gemacht!“
Heute früh hat er mehrere PET-Flaschen mit dem Flötzinger Mai Bock gefüllt und in der Tiefkühltruhe eingefroren. Seit rund einer Stunde stehen diese Flaschen nun kopfüber in großen Gläsern, und die nicht eingefrorenen Anteile des Bockbiers tropfen langsam aus dem Eis heraus. Feinster Eisbock – die Essenz des eingefrorenen Biers.
Flötzinger – Mai Bock & Eisbock
In kleine Schnapsgläschen wird der Eisbock serviert – und die Dichte seiner Aromen fasziniert die Gäste. Es ist kein Schnaps, sondern unverändert ein Bier, denn das Ausfrieren von Eis aus einem Bier gilt als rechtskonform im Rahmen der Bierherstellung. Weder eine Lizenz zum Brennen oder Destillieren ist notwendig noch eine Versteuerung mit Branntweinsteuer.
Die meisten der Gäste sind begeistert, dem einen oder der anderen ist es allerdings zu intensiv und sie schütteln ihre Köpfe. Einig sind sie sich gleichwohl alle: Es ist etwas ganz Besonderes!
Bilanz eines schönen Abends
Ein schöner Paukenschlag zum Abschluss eines schönen Abends. Fast vier Stunden feine Biere mit spannenden Erläuterungen, dazu eine deftige Mahlzeit – man kann seine Sonnabende deutlich schlechter gestalten!
Der Biersommelier. Frank Di Marco
Getränke Heck GmbH
Goethestraße 35
70 825 Korntal-Münchingen
Baden-Württemberg
Deutschland
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