Eine schöne Überraschung nach der Fahrt mit dem Nachtzug
Nach einigen Wochen in meiner Pendlerwohnung in Szczecin ging es heute mit dem Nachtzug zurück nach Haus. Noch ein bisschen zerknittert von der Fahrt öffne ich die Wohnungstür, und auf was fällt mein Blick als erstes?
Ein Bierpaket aus Rödermark!
„Ja, das ist vorgestern erst gekommen“, lacht meine holde Ehefrau. „Alles noch ganz frisch.“
ein netter Willkommensgruß
Was für ein netter Willkommensgruß, auch wenn die zeitliche Koinzidenz mit meiner Rückkehr vom Absender sicherlich so gar nicht beabsichtigt war. Um so schöner, wenn das dann doch zeitlich so zusammengefallen ist.
Neun Bierflaschen, sechs Bierdosen – das bedeutet fünfzehn Mal Biergenuss und fünfzehn ausführliche …
Verkostungsnotizen
Heimathafen Erfurter Braumanufaktur – Weimarer Siechn; Braukost – Helles; Das Bierzimmer – Braumanufaktur – Fruity Pils; lillebräu – pale ale; Bluephantomcat Homebrew – Ale That She Wants – Pale Ale
Heimathafen Erfurter Braumanufaktur – Weimarer Siechn (4,9%)
Weimarer Siechn? Das klingt so ein bisschen nach Siechenhaus, also Krankenhaus. Aber angeblich stammt der Name aus dem Nordischen, und siech steht für stark. Die schon seit vielen Jahrzehnten bestehende Gastwirtschaft Siechenbräu, für die dieses Bier in der Erfurter Braumanufaktur Heimathafen hergestellt wird, heißt also „Starkbier“ und nicht „Krankenhausbrauerei“.
Also, dann verkoste ich mal von der mir aus anderen Bierpaketen schon bestens vertrauten Erfurter Braumanufaktur Heimathafen ein für Weimar gebrautes Siechn. Sehr stark ist es mit 5,2% jetzt allerdings nicht – steuerklassentechnisch ein ganz normales Vollbier.
Das Bier ist dunkelbraun, nur leicht trüb und entwickelt nicht allzu viel leicht beigefarbenen Schaum.
Der Duft gefällt mir. Mit seinen dezent röstigen Noten und einem feinen, dezenten Tupfer Frucht erinnert er mich an frisches Düsseldorfer Altbier.
Und was soll ich sagen? Der herbe, trockene Antrunk, die feine Röstigkeit und die recht direkte Bittere auf der Zunge und ein ganz zart dahingehuschter Rauch-Akzent setzen genau diesen Eindruck fort – ein kerniges Altbier. Retronasal wird der Rauch sogar noch ein bisschen stärker, ohne jedoch zu sehr aufzutrumpfen.
Der Schluck ist von einer kräftigen Bittere begleitet, und rasch macht sich im Rachen eine angenehme Trockenheit breit. Lust auf den nächsten Schluck – hohe Durchtrinkbarkeit. Und bei alledem ein paar schöne Ecken und Kanten aus solider Bittere.
Das lasse ich mir sehr gerne gefallen! Kerniges Altbier aus Erfurt, für Weimar, in Burgberg, nicht aus Düsseldorf.
Braukost – Helles (5,4%)
Braukost ist eine winzige Brauerei in Messel, einem Ort, den man eigentlich nur kennt, weil im dortigen Tagebau wunderbare Fossilien gefunden wurden und die Grube daraufhin zum UNESCO Weltnaturerbe ernannt worden ist. Mit Fossilien hat das Bier vor mir aber nichts zu tun – es ist einfach nur ein klassisches, aber unfiltriertes Helles.
Fangen wir mal mit der Optik an: die Farbe ist mittelgelb, das Bier leicht trüb. Der Schaum ist feinporig und kremig und hält sich recht lang.
Dann der Duft: Eine malzige, etwas an Kuchenteig erinnernde Grundnote, darüber schweben zarte, ganz zurückhaltenden Zitrusakzente.
Geschmacklich ist das Bier zunächst durchaus gefällig: Ein spritziger, frischer Antrunk, ein dezent malziger Geschmack auf der Zunge und eine leichte Bittere, die diesen etwas ausbalanciert, damit er nicht zu süßlich wird.
Nach dem Schluck wird allerdings ein pelziges Gefühl auf der Zunge und am Gaumen deutlich. Es wirkt bitter und ein bisschen adstringierend und bringt retronasal ein paar Aromen von feuchter Pappe hervor, die an Oxidation denken lassen.
Das Bierzimmer – Braumanufaktur – Fruity Pils (4,8%)
Das Bier hat eine schöne, leuchtend gelborangene Farbe und ist dezent trüb. Der Schaum entwickelt sich ordentlich, hält aber nicht allzu lange.
In der Nase spüre ich leichte Bitterorangenaromen und ein paar feine Kräuteraromen im Hintergrund.
Der frische Antrunk gefällt; auf der Zunge wirkt das Bier dann allerdings sehr hochvergoren mit wenig Körper. Die Bittere ist recht prägnant, so dass sich insgesamt ein sehr trockener Eindruck ergibt. Retronasal entwickeln sich noch einmal die Bitterorangenaromen, allerdings nur sehr, sehr schwach. Der anschließende Schluck geht ein wenig ins Leere – es bleibt eine körperlose Bittere, die den Gaumen trocken macht.
lillebräu – pale ale (5,4%)
Mit kräftig-gelber Farbe, einer leichten Trübung und schneeweißem, lange haltbarem Schaum macht das Bier schon mal einen guten Eindruck.
Entgegen dem Versprechen von tropischen Aromen auf dem Etikett rieche ich eher harzige, kräuterige Noten und einen Hauch von Kaktusfeigen – das Bier hebt sich also wohltuend ab vom Obstkörbchen-Einerlei der meisten Pale Ales und India Pale Ales heutzutage.
Der Antrunk ist frisch und harzig-herb, ein Eindruck, der sich auch auf der Zunge fortsetzt. Die etwas raue, dabei aber nicht adstringierende, sondern nur knochentrockene Herbe ist angenehm präsent – offensichtlich schätzt man in Kiel bei lillebräu die nordische Herbe. Restsüße ist kaum zu spüren. Retronasal geht es mit den dezent säuerlichen Kaktusfeigen weiter – ein Eindruck, der mir gut gefällt.
Nach dem Schluck zeigen sich trockene Schleimhäute, ein paar Grünpflanzenaromen (Geranienblätter?), eine deutliche und angenehm lang anhaltende Herbe.
Ein kerniges Bier, das sehr zum Weitertrinken anregt!
Bluephantomcat Homebrew – Ale That She Wants – Pale Ale (6,2%)
Das Bier hat eine hellbraune Farbe, ist leicht trüb und stark überspundet. Zwar schießt nichts aus der Flasche, aber beim Einschenken bilden sich riesige Mengen leicht gelblichen Schaums, und es dauert unendlich lang, bis genug Bier im Glas ist, um verkosten zu können.
Der Duft ist ganz leicht säuerlich, etwas brotig und hat eine schwache Note nach altem Kleiderschrank auf dem Dachboden.
Der Antrunk ist bizzelig und hat einen ganz leichten säuerlichen Stich. Auf der Zunge wirkt das Bier ein bisschen brotig und hefig und etwas dumpf. Retronasal kommt erneut der Dachbodenkleiderschrankgeruch durch.
Nach dem Schluck wird das Bier leicht bitter, aber die Bittere geht eher in die hefige als in die hopfige Richtung, und sie bleibt eine ganze Weile hängen.
Braukost – Alt; Braukost – Pale Ale; Knust-Braumanufaktur – Brown Ale; Wittorfer Brauerei Neumünster – Trick 17 – American Pale Ale; Fürst Wiacek – Pilsner Lager
Braukost – Alt (5,0%)
Ein schönes, kerniges und trockenes Altbier! Sehr gelungen!
Das Bier ist mittelbraun, leicht trüb, und der dezent beigefarbene Schaum hält sich beachtlich lang.
Der Duft ist leicht röstig mit ein paar ganz leichten, heuartigen Hopfennoten.
Der Antrunk ist frisch, trocken und spritzig. Auf der Zunge zeigt sich das Bier erfrischend herb, sehr trocken und mit dezenten Röstaromen, die sich retronasal aber durchaus zurückhalten und nicht dominieren wollen, sondern Hand in Hand mit ein paar ganz feinen Fruchtakzenten einherkommen.
Der Schluck betont die Röst- und Hopfenbittere noch einmal, präsentiert überraschenderweise nun noch ein paar leichte Karamellaromen und macht die Schleimhäute angenehm trocken. Durst! Auf den nächsten Schluck!
Ein sehr schön durchtrinkbares Bier, und ich stimme dem Claim auf dem Etikett zu: „Altbier ohne Schnick Schnack.“
Braukost – Pale Ale (5,6%)
Das Bier ist ebenso kräftig orangefarben wie trüb, Schaum hingegen entwickelt es gar nicht – ich muss schon aus dreißig Zentimeter Höhe eingießen, damit sich wenigstens eine ganz feine Schicht bildet.
Der Duft ist hopfig-harzig, ein bisschen kräuterig und schwach grasig – angenehm, auch wenn von der auf dem Etikett versprochenen Fruchtigkeit nicht viel zu spüren ist.
Der Antrunk ist recht weich; man spürt die extrem niedrige Spundung des Biers sofort. Auf der Zunge dominiert eine kernige Hopfenbittere, die sich breit macht und neben sich keinen Raum lässt. Weder finde ich dort eine malzige Restsüße noch irgendwelche retronasalen Aromen, die über die Kernsensorik eines kräuterig-bitteren Hopfen hinausgingen.
Nach dem Schluck wird die Hopfenbittere noch dominanter. Ein Bier, das den Trinker fordert – wer kompromisslose Bittere nicht mag, der suche sich ein anderes Bier.
Knust-Braumanufaktur – Brown Ale (5,0%)
Das Bier hatte ich vor fast einem Jahr schon einmal bekommen – seinerzeit war es ein wenig säuerlich und schmeckte wie kurz vor (oder nach?) dem Umkippen … Also auf ein Neues!
Die Farbe ist dunkelbraun, das Bier leicht trüb, und der leicht beigefarbene Schaum entwickelt sich nur zurückhaltend.
Die Nase ist geprägt von Kakao und Bitterschokolade – durchaus angenehm. Von der seinerzeitigen Säure ist nichts zu spüren.
Der Antrunk ist recht weich, leicht süßlich, und er deutet die Kakao- und Bitterschokoladenaromen erneut an, die sich dann auf der Zunge kräftig retronasal entfalten. Eine dezente Bittere begleitet diese Eindrücke und wird nach dem Schluck geringfügig präsenter.
Insgesamt ein angenehm ausgewogenes, schön schokoladiges, aber nicht süßes Brown Ale, das sich gut als Dessertbier eignet.
Deutlich besser als seinerzeit!
Wittorfer Brauerei Neumünster – Trick 17 – American Pale Ale (5,4%)
Das Bier ist kräftig kupferfarben und nur ganz leicht opalisierend. Der altweiße Schaum hält sich zurück, bleibt dann aber eine recht lange Weile stehen und hinterlässt schöne „Brüsseler Spitzen“.
Der Duft ist intensiv und angenehm harzig mit feinen, bitteren Fruchtnoten im Hintergrund. Gefällt mir gut!
Der Antrunk ist überraschend weich und rund, sehr voll. Auf der Zunge und retronasal kommen zu den harzigen Noten intensive Heuaromen hinzu, die ein paar kräuterige Akzente aufweisen – ganz anders wirkend als orthonasal, als ich am Glas schnupperte. Gleichzeitig spüre ich eine mittelstarke Bittere auf der Zunge, begleitet von einer süßlichen Mundfülle.
Hochinteressant, diese Dissonanz zwischen den sensorischen Erlebnissen von Nase und Mund.
Im Abgang ist das Bier deutlich süßlicher als zu Beginn, die Bittere tritt interessanterweise in den Hintergrund, und eine etwas viskose (schleimig klingt zu negativ, seifig auch) Textur belegt süßlich die Schleimhäute am Gaumen und im Rachen.
Sehr ungewöhnlich, aber auch interessant.
Was die Informationen auf der Dose anbelangt: Zum einen ist dort erklärt, woher der Name „Trick 17“ stammt – den brauchen die Brauer angeblich, um genug von den gelegentlich nur schwer zu beschaffenden Hopfensorten zu besorgen. Zum anderen ist darauf hingewiesen, dass der aufgedruckte Code am Dosenboden nicht nur das Mindesthaltbarkeitsdatum, sondern auch das Abfülldatum und die verwendeten Hopfensorten umfasst: „Simcoe / Citra – ABF 16/01/2023 – MHD 16/10/2023“
Vorbildlich!
Fürst Wiacek – Pilsner Lager (5,0%)
Na, mit der Bezeichnung „Pilsner Lager“ gibt es wenigstens keinen Zank zwischen den Tschechen und dem Rest der Welt. Während nämlich überall auf der Welt ein Bier im Stil, wie es 1842 in Plzeň / Pilsen entwickelt worden war, als Pilsner bezeichnet wird, bekommt man in Tschechien unter dieser Bezeichnung nur das echte Pilsner, also das Pilsner Urquell. Alle anderen Biere dieses Stils werden als Lager (Ležák) bezeichnet. Pilsner Lager passt also auf beiden Seiten …
Das Bier ist goldgelb, dezent und gleichmäßig trüb, und es entwickelt einen üppigen Schaum, der allerdings sehr schnell wieder zusammenfällt. Letzteres kann allerdings daran liegen, dass ich mein Bierglas im Hotel nicht so gut spülen kann wie zuhause.
Der Duft ist dezent hopfenaromatisch und heuartig, ein kleines bisschen metallisch und scheint im Hintergrund ganz leicht säuerlich zu wirken.
Der Antrunk ist mild und weich, und auf der Zunge halten sich malzig-runde und hopfig-herbe Eindrücke harmonisch die Waage. Fünf Monate nach Abfüllung (canned on 18/10/2022) und etwas mehr als einen Monat vor dem Mindesthaltbarkeitsdatum (best before 18/04/2023) sind leichte Honigaromen zu spüren; die bestimmt ursprünglich vorhandene, herbe Frische ist schon etwas verloren gegangen.
Nach dem Schluck wir die Hopfenherbe etwas intensiver, deucht mir aber für ein Pilsner immer noch zu gering. Gleichzeitig wird das Honigaroma ein wenig erdig und macht sich nun auch noch retronasal bemerkbar.
Kann man noch gut trinken, aber seinen Höhepunkt hat das Bier schon hinter sich. Da ist das Mindesthaltbarkeitsdatum wohl etwas zu großzügig gewählt – denn eigentlich verspricht dieses, dass das Bier bis zu dem genannten Tag sensorisch unverändert bleibt.
Wittorfer Brauerei Neumünster – 04321 – Helles Stadtbier; Wittorfer Brauerei Neumünster – D. H. Hinselmann – Dunkles Arbeiterbier; Fürst Wiacek / Galway Bay Brewery – Czech Pilsner Lager; Wittorfer Brauerei Neumünster – Golden Hell; lillebräu – lager
Wittorfer Brauerei Neumünster – 04321 – Helles Stadtbier (5,0%)
Ein Bier, benannt nach der Telefonvorwahl seiner Heimatstadt – nett! Und ein Stadtbier ist wohl das Pendant zu einem Landbier? Wobei letzteres ja auch kein Bierstil, sondern eher eine frei schwebende Bezeichnung ist …
Das Bier ist kräftig gelb und leicht trüb; der weiße Schaum ist feinporig, kremig und recht lange haltbar. Es bleiben schöne Trinkränder im Glas.
Der Duft ist kräuterig herb mit einer ganz feinen erdigen Note.
Dem weichen Antrunk folgt ein ebenso weiches Gefühl auf der Zunge. Ich spüre eine feine Bittere und einen eher festen, erdigen Körper mit einer zurückhaltenden, aber vorhandenen Malzsüße. Retronasal zeigen sich vorwiegend Malzaromen, die ein wenig an Brot- beziehungsweise Sauerteig erinnern, aber – um Missverständnissen vorzubeugen – definitiv nicht säuerlich wirken.
Nach dem Schluck spüre ich eine leichte Hefigkeit, ein bisschen belegte Schleimhäute, wie das bei hefigen Bieren häufiger vorkommt. Nicht unangenehm, aber spürbar.
Insgesamt ein eher rundes, volles Trinkbier für den großen Schluck; ich kann mir aber vorstellen, dass es auch recht rasch sättigt.
Wittorfer Brauerei Neumünster – D. H. Hinselmann – Dunkles Arbeiterbier (5,2%)
Das Bier hat eine wunderschöne, tiefrubinrote Farbe und ist klar. Es trägt einen hellbeigefarbenen Schaum, der schön feinporig ist und recht lange hält.
Der Duft ist angenehm malzig – er erinnert an Blockmalz und hat ein paar feine, kräuterige Akzente.
Dem runden und weichen Antrunk folgt ein intensives Malzerlebnis auf der Zunge. Süßlich, kräuterig, rund. So, als hätte die Brauerei Blockmalz-Bonbons in heißem Wasser aufgelöst. Eine angenehme, ausgewogene Bittere paart sich mit der gar nicht so intensiven, aber trotzdem präsenten Süße und verhindert, dass das Ganze zu mastig oder gar klebrig-bappig wird. Nach dem Schluck erst werden die retronasalen Aromen intensiver – kräuterige Malznoten, eine feine Fruchtigkeit nach überreifen dunklen Pflaumen und ein Hauch Honig.
Ein ausgesprochen gelungenes Bier!
Auf dem Etikett wird ein bisschen rund um das Bier erzählt: „Früher tranken die Arbeiter der Tuch- und Lederfabriken in Neumünster zur Stärkung vor der Arbeit gern das dunkle Bier der Brauerei D. H. Hinselmann. Unser ‚Dunkles Arbeiterbier‘ soll an diese Tradition erinnern. Wie damals mit einem vollmündigen Malzkörper und einer feinen Hopfennase. Wir lassen alte Neumünsteraner Braukunst wieder aufleben. Man muss es aber nicht unbedingt zum Frühstück trinken …“
Kann man aber, finde ich und sehe großzügig über das „vollmündig“ hinweg. Abgesehen davon stimmt nämlich bei diesem Bier alles!
Fürst Wiacek / Galway Bay Brewery – Czech Pilsner Lager (5,5%)
Und noch ein Pilsner Lager – diesmal sogar ein tschechisches … Gebraut in Kollaboration mit der Galway Bay Brewery.
Die Farbe ist strohgelb, das Bier ist klar, und der Schaum ist schneeweiß, üppig und stabil. Passt!
Der Duft ist norddeutsch-typisch hopfig herb mit einer ganz leichten metallischen Note und einem Hauch von Zitrus.
Der Antrunk ist frisch und klar, schön spritzig. Auf der Zunge zeigt sich das Bier schlank, hopfig-herb, aber nicht zu bitter, und retronasal zeigt es ein paar kräuterige und heuartige Aromen auf. Ebenso bleibt es beim Schluck: Klar, schlank, frisch. Nur für einen ganz kurzen Moment blitzt ein etwas brotiger Charakter hervor, verschwindet aber sofort wieder, und es bleibt eine feine, mit Heuaromen unterlegte Bittere, die zum nächsten Schluck ermuntert. Gelungen!
Wittorfer Brauerei Neumünster – Golden Hell (5,2%)
„We support the Wacken Foundation”, steht stolz auf der Dose, und von jeder verkauften Dose gehen 50 Cent an eben diese, um die Rock- und Metalszene zu unterstützen. Lobenswert. Hoffentlich schmeckt das Bier dann auch so, damit es bei den Rockern ankommt. Nicht, dass aus der Metal-Pommesgabel dann der gestreckte Mittelfinger wird!
Die Farbe ist schon ein ganzes Stück dunkler als „Golden“, aber sei’s drum. Leicht trüb ist das Bier, und es baut eine üppige Schaumkrone auf – altweiß, fest, lange haltbar.
Der Duft ist dezent herb mit feinen, zitronigen Aromen, die aber auch einen Hauch frischer Kiefernadeln mit einschließen. Für einen kurzen Moment, man möge es mir verzeihen, riecht das Bier wie Badezusatz. Aber nicht im unangenehmen Sinne!
Der Antrunk ist spritzig, herb, fruchtig und frisch, und auf der Zunge geht es so weiter: Eine angenehme, präsente, aber nicht zu dominante Hopfenherbe, die frisch-fruchtig wirkt. Ein bisschen Restsüße nur, eine zitronige Frische mit kiefernadelartigen Terpen-Aromen kommt retronasal hinzu, und schon wirkt das ganze sommerlich erfrischend, anregend fruchtig und dabei trotzdem spielerisch leicht.
Nach dem Schluck bleibt eine feine Herbe für einen Moment haften, während die Zitronen- und Kiefernadelaromen langsam und gleichmäßig abklingen. Ein Bier, das ich mir sehr gut für den Frühling und Sommer vorstellen kann – und zwar für den großen Schluck.
Passend für das Wacken Rockfestival? Aber selbstverständlich!
Zeitgenössische Musik des ausgehenden zwanzigsten Jahrhunderts, gepaart mit organoleptischer Analyse von Gärungs- und Gärungsnebenprodukten der Saccharomyces-Hefen – Hardrock und Bier!
lillebräu – lager (5,7%)
Mit der Bezeichnung Lager kann man alles Mögliche assoziieren – vom billigen Massenprodukt aus der Bierfabrik bis hin zum klassischen Pilsener, das in Tschechien nämlich einfach nur Lager genannt wird, weil die Bezeichnung Pilsener dort dem Original aus Plzeň vorbehalten ist.
Hier handelt es sich offensichtlich um ein unfiltriertes Wiener Lager. Die hellbraune, ganz leicht ins Orangene changierende Farbe, die deutliche und gleichmäßige Trübe und der hellbeigefarbene, feste und unendlich lange haltbare Schaum, der dicke Trinkränder hinterlässt, deuten darauf hin.
Auch der malzige, ein wenig an Brotkruste erinnernde Duft passt zu diesem Bierstil.
Der Antrunk ist vielleicht ein bisschen zu spritzig für diesen Stil, aber nur ein bisschen. Es folgt ein kräftiger, malziger, durchaus sättigender Eindruck auf der Zunge, begleitet von einer kernigen Bittere. Zu bitter für ein Wiener Lager – hier geht es über die Grenzen dieses Stils hinaus. Einen Vorwurf kann man der Brauerei deswegen aber nicht machen, schließlich steht nirgends auf der Flasche, dass es ein Wiener Lager sein soll. Es heißt immer nur Lager, ohne weitere Zusätze.
Retronasal ist das Bier ein bisschen fruchtig, bleibt gleichzeitig aber auch etwas brotig.
Der Abgang ist von der kräftigen Bittere geprägt. Malz-, Brot- und Fruchtaromen klingen ab, die Bittere bleibt. Und mit ihr trockene Schleimhäute, die nach mehr Bier verlangen. Gerne aber nach Bier, das etwas weniger kräftig und sättigend ist.
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