Pinta – das Urgestein der polnischen Craftbierszene
Als ich Ziemowit Fałat vor fast fünfundzwanzig Jahren kennengelernt habe, war er Chefredakteur und, nun ja, fast auch einziger Mitarbeiter einer kleinen Zeitschrift für Bierliebhaber – Piwosz. Ein Blättchen, das unregelmäßig erschien und mehr Hobby als Einkommensquelle war.
Aber was ist aus diesem Hobby mittlerweile geworden: Ziemek hat nicht nur mit dem Hausbrauen angefangen, sondern dann auch einen Versand für Hausbrauzubehör gegründet – Browamator. Ohne Übertreibung wohl der größte und beste Hausbrauzubehörladen in Polen.
Aber nicht nur das. 2011 hat er zusammen mit Grzegorz Zwierzyna und Marek Semla die Browar Pinta gegründet, eine Craftbier-Brauerei, die als Browar Kontraktowy, also als Wanderbrauerei ohne eigene Hardware, begonnen hat und seit 2019 über ein eigenes, hochmodernes und großes Sudhaus in Wieprz verfügt.
sechs Spezialitäten
Aus dem kleinen, unscheinbaren Hobby ist somit der Platzhirsch unter den polnischen Craftbrauern geworden. Grund genug, beim Stöbern im Bierlädchen Elysium in Szczecin mal ein paar Dosen zur Verkostung mit heim zu nehmen.
Verkostungsnotizen
Pinta of the Month – March on the Farm – Session Saison; Pinta of the Month – Full Fridge February – American Lager; Pinta of the Month – July Jungle Tour – Tropical Pale Ale; Pinta of the Month – June Goes Pils – German Pils; Hop Selection – Simcoe IPA; Hop Selection – Sabro Hazy IPA
Pinta – Pinta of the Month – March on the Farm – Session Saison (5,0%)
Das Bier ist hellgelb, leicht und gleichmäßig trüb und entwickelt nur wenig Schaum.
Der Duft ist eine interessante Mischung aus leicht phenolischen, etwas rau und ungestüm wirkenden Aromen belgischer Saisonbiere und einer lieblichen, fruchtigen Note von Mandarinen und Maracuja.
Der Antrunk ist angenehm frisch und neben einer feinen Fruchtigkeit auch leicht pfeffrig.
Auf der Zunge wird das Bier dann fruchtig. Die tropischen Fruchtaromen gehen in erster Linie in Richtung Maracuja und gaukeln mir eine gewisse Restsüße vor, die aber eigentlich kaum vorhanden ist. Zwar ist das Bier nicht knochentrocken, aber dennoch: Richtig süß ist es nicht.
Die Bittere ist zurückhaltend – angesichts der verwendeten Hopfensorten und der Intensität ihrer Fruchtaromen eigentlich überraschend. Erst nach dem Schluck werden die Schleimhäute ein wenig trocken, die dezenten phenolischen Aromen der Hefe kommen hervor und verhindern, dass sich der Eindruck einer süßlichen, milden Limonade zu stark verfestigt.
Pinta – Pinta of the Month – Full Fridge February – American Lager (4,5%)
American Lager. Ein verpönter und geringgeschätzter Bierstil. Und doch so schwierig zu brauen. Denn: Wo kaum Eigengeschmack ist, kann man auch den geringsten Fehlgeschmack nicht verdecken. Gnadenlos tritt ein solcher an die Oberfläche! Das fordert den Brauer oder die Brauerin!
Das Bier ist blassgelb, ganz leicht trüb und trägt eine zurückhaltend dünne, schneeweiße Schaumschicht.
Der Duft ist … ja, also … der Duft … der ist … irgendwie schon vielleicht da, vielleicht aber auch nicht … Also, viel ist da nicht. Nur ein ganz feiner, leicht malziger Hauch.
Der Antrunk ist frisch, und auf der Zunge gibt sich das Bier so, wie es soll: Sehr schlank, etwas bizzelig, ein ganz bisschen süßlich vom Malz, aber nur ein ganz bisschen, und genauso ein ganz bisschen herb vom Hopfen. Von allem nur ganz wenig, außer von der Frische.
Nach dem Schluck bleibt fast nichts, außer einem ganz dezenten, retronasalen Hopfenhauch – einer ganz leichte Heunote. Und eine Spur Hopfenbittere. Gerade so viel, dass man sie bemerkt und auch einen ganz leicht die Schleimhäute trocken werdenden Effekt spürt.
Den Stil gut getroffen, kann ich da nur sagen!
Pinta – Pinta of the Month – July Jungle Tour – Tropical Pale Ale (5,0%)
Ein Tropical Pale Ale? So,so. Dann schauen wir mal:
Die Farbe ist mittelgelb, die Trübung ziemlich kräftig, aber schön gleichmäßig, der Schaum nicht übermäßig üppig, und lange haltbar ist er auch nicht.
Der Duft ist – tropenfruchtig. Ananasnoten, etwas Maracuja, dahinter ein Hauch von Mango. Alles nicht zu intensiv, sondern angenehm ausgewogen.
Der Antrunk ist frisch und fruchtig, weist aber keine Säure auf – nicht einmal eine leichte Kohlensäurespritzigkeit. Schal ist das Bier nicht, aber doch recht niedrig gespundet.
Auf der Zunge hält sich das Bier mit Malzkörper und Hopfenbittere durchaus zurück. Zwar sind beide schön ausbalanciert und auch spürbar, aber der bei den Craftbieren unserer Zeit oft so übertriebene Hammerschlag der Hopfenbittere bleibt ebenso aus wie der mastige, klebrige Malzkörper. Stattdessen: Angenehme Durchtrinkbarkeit.
Der Schluck zeigt dann doch eine dezente Viskosität – ein Eindruck, der aber wohl eher wegen der fehlenden Spundung entsteht denn wegen einer hohen Restsüße. Vielleicht ist es aber auch der Hafer, der sowohl als Hafermalz als auch als Haferflocken hinzugegeben wurde, der zu diesem weichen, seidigen Eindruck beiträgt.
Gut gelungen!
Pinta – Pinta of the Month – June Goes Pils – German Pils (5,0%)
Die Farbe ist ein schönes, pilstypisches Strohgelb. Das Bier ist klar und trägt, zumindest zu Beginn, eine schöne, schneeweiße Schaumkrone. Allerdings fällt sie fast genauso schnell wieder zusammen, wie sie sich aufgebaut hat. Schade.
Der Duft ist sehr zurückhaltend. Einen Hauch von grasigen Hopfenaromen kann ich identifizieren, aber mehr auch nicht.
Der Antrunk ist frisch und herb, auf der Zunge kommt dann allerdings eine leicht zuckrig wirkende Süße hinzu. Nicht sehr stark, aber in einem Pils doch etwas irritierend. Die Hopfenbittere ist mittelkräftig und stiltypisch, sie ist auch sauber, hängt nicht nach und kratzt auch nicht. Angenehm.
Auch der Abgang bleibt fast frei von blumigen, fruchtigen oder sonstigen Aromen – auch hier nur ein zurückhaltender Touch von Gras und Heu und ein Hauch von kuchenteigigem Malz.
Bis auf den, zugegebenermaßen sehr schwachen, zuckrigen Eindruck sehr stiltypisch für ein (süd-) deutsches Pils.
Pinta – Hop Selection – Simcoe IPA (6,5%)
Das Bier ist leuchtend gelb, leicht und gleichmäßig trüb, und es trägt eine dünne, nicht sehr lange haltbare, schneeweiße Schaumschicht.
Der Duft ist intensiv fruchtig und erinnert in erster Linie an Maracuja, in zweiter auch ein wenig an rote Früchte – Erdbeeren und überreife Kirschen.
Der Antrunk ist frisch und ein kleines bisschen pfeffrig. Auf der Zunge ist das Bier angenehm fruchtig und bitter, ohne dabei süß zu wirken. Die Fruchtaromen sind intensiv, aber nicht aufdringlich, und retronasal sind die Maracuja-Aromen nicht mehr ganz so dominant, sondern lassen den roten Früchten etwas mehr Spielraum. Das Bier dahinter ist recht schlank und weist eine sehr präsente Bittere auf, ohne dabei aber zu übertreiben.
Der Abgang ist schön trocken, die Schleimhäute verlangen nach erneuter Benetzung, und damit das Ganze nicht so einseitig ist, tänzeln auch die Fruchtnoten noch ein wenig im Rachen herum.
Pinta – Hop Selection – Sabro Hazy IPA (6,5%)
Das Bier hat eine schöne gelbe Farbe, ist gleichmäßig trüb, und es trägt eine üppige, aber nicht sehr lange haltbare, schneeweiße Schaumschicht.
Der Duft ist herb-fruchtig, etwas an gelbe Pampelmusenschale erinnernd, und hat auch feine Kokos-Akzente. Ich muss an die Urlaube meiner Kindheit denken, als in den frühen 70er Jahren die Kokosnussverkäufer durch den Sand am Teutonengrill südlich von Rimini stapften und lauthals „Kokobello! Kokobello!“ riefen und halbwegs frische Kokosnussstückchen verkauften, die uns nach dem Essen immer noch stundenlang zwischen den Zähnen hingen. Ob das heute immer noch ist?
Der Antrunk ist herb und wirkt überraschend rund und voll. Auf der Zunge dann eine wahre Aromenexplosion – intensive Kokosnuss, die sich im ganzen Mundraum ausbreitet. Dazu eine kräftige, aber samtige Bittere, unverändert mit Pampelmusenschalenaromen, und eine leichte, aber spürbare Restsüße. Die im Antrunk wahrgenommene Vollmundigkeit setzt sich fort – das Bier wirkt sämig.
Nach dem Schluck bleiben die Kokosaromen noch eine ganze Weile präsent, es gesellen sich kühlende, ätherisch-mentholartig wirkende Effekte hinzu, während die Bittere sachte abklingt. Interessant!
Browar Pinta
ulica Przemysłowa 4
34-382 Wieprz
Polen
Na da muss ich mir wohl einbüßt Dosen von mitnehmen wenn wir in Stettin sind
Aber klar doch!
Da Ihr mit dem Auto kommt, sollte es ja auch kein Problem sein, einen ordentlichen Vorrat mit heim zu nehmen!