Craftbier aus Griechenland, und nicht nur!
„Hallo Volker, gerade sitze ich in einer Bierbar in Athen und trinke deren 10 Jahresjubiläum Bier. Sie bezeichnen es als NEIPA. Da kann ich nicht mitgehen, finde es aber sehr interessant. Kennst Du es schon?“
Wenn mir Menschen solche Nachrichten schicken, bin ich begeistert. Insofern antworte ich bereits in Bruchteilen von Sekunden: „Nee, kenne ich nicht“, und hoffe auf eine entsprechende Reaktion.
… die erwartungsgemäß ebenfalls nicht lang auf sich warten lässt: „Bin immer froh, wenn ich etwas Außergewöhnliches finde. Schicke Dir eine Dose zu!“
Das ist ein Deal, der mir gefällt.
Einige Tage später kommt das Päckchen bereits an, und es enthält neben dem versprochenen griechischen Craftbier der Aléa Brewing noch drei Bierdosen aus Berlin – eine von der Brauerei Lemke und zwei von BrewDog.
Selbstredend, dass ich nicht nur ausführliche Verkostungsnotizen zu diesen Bieren schreibe, sondern dass sich auch ein Päckchen mit feinen Bierspezialitäten aus meiner temporären Wohnstadt Szczecin in Polen auf den Weg in Richtung Limburg macht.
Verkostungsnotizen
Aléa Brewing Co. – A Pint for the Drunk Soul – NEIPA; BrewDog – Pilot 35 – Altersvorsorge – Altbier; BrewDog – Hop Tiger – Tiger gehören nicht in Käfige – Hazy India Pale Ale; Brauerei Lemke – Beer Machine – Zeitgeist – Hallertau NEIPA
Aléa Brewing Co. – A Pint for the Drunk Soul – NEIPA (6,8%)
Das Bier, dass anlässlich des zehnjährigen Bestehens des Pubs „Berlin by Five Drunk Men“ in Athen gebraut worden ist, stammt aus der Brauerei Aléa Brewing Co.
Das Bier ist dunkelgelb, milchig trüb und entwickelt seinen Schaum nur sehr zurückhaltend.
Der Duft ist zurückhaltend fruchtig, mit durchaus deutlich spürbaren Kräuternoten, die nach Mittelmeersommer duften.
Der Antrunk ist vom ersten Moment an knackig herb, und auf der Zunge entwickelt sich eine leicht adstringierend wirkende, fast schon etwas „sandige“ Textur. Retronasal kommen die Frucht- und Kräuteraromen sehr schön ausgewogen zur Geltung. Auch retroglottal (Gibt es das Wort, um zu beschreiben, was man schmeckt und fühlt, wenn man ein kräftiges Bäuerchen macht?) bleiben die Aromen schön in der Balance.
Nach dem Schluck klingen Aromen und Bitterkeit ganz sachte ab, aber erstaunlicherweise spüre ich in der Speiseröhre trotz gerade mal 6,8% Alkohol eine leichte Wärme. Nicht unangenehm, aber überraschend.
BrewDog – Pilot 35 – Altersvorsorge – Altbier (4,8%)
Das Bier schimmert sehr schön rötlich-kupferfarben, ist nur ganz leicht trüb und trägt einen Schaum, der nicht der Rede wert ist, das auch erkennt und sich deswegen freiwillig verkrümelt.
Der Duft offenbart ein paar brotige, malzige Noten, dahinter aber auch herbe Kräuter – ich assoziiere Wacholder und Lorbeer damit.
Der Antrunk ist angenehm bitter, zeigt aber auch ein wenig malzigen Körper. Schön! Auf der Zunge und am Gaumen entwickelt sich die Bittere dann weiter, wird intensiver und dominanter, aber ohne zu übertreiben. Ein paar ganz leichte, florale Aromen kommen retronasal zu den Kräutern hinzu und verleihen dem ansonsten recht kernigen Bier einen leichten, spielerischen Akzent. Rasch verblassen sie aber wieder, und nach dem Schluck bleibt von allem nur eine kernige, aber nie rau oder gar kratzig wirkende Bittere zurück, die die Schleimhäute trocken macht und nach dem nächsten Schluck lechzen lässt.
Schön durchtrinkbar, und für ein Altbier auch stilgerecht,
Aber warum heißt das Bier „Altersvorsorge“? Warum nur?
BrewDog – Hop Tiger – Tiger gehören nicht in Käfige – Hazy India Pale Ale (7,5%)
Die Farbe ist sehr schön: Ein dezent ins Orangene tendierendes Dunkelgelb. Wie eine noch nicht ganz reife Mandarine. Das Bier ist leicht trüb, und es entwickelt ein bisschen, aber nicht zu viel, schneeweißen Schaum, der sich aber nicht als sehr haltbar erweist. Letzteres könnte eventuell aber auch daran liegen, dass das Glas frisch aus der Spülmaschine kommt …
Im Duft präsentieren sich Pampelmusenaromen und Schalen von Bitterorangen. Dahinter ein dezent harziger, kräuteriger Hauch. Sehr angenehm.
Der Antrunk kombiniert einen schönen, vollmundigen Malzkörper mit einer deftigen Hopfenbittere in angenehmer Balance. Retronasal zeigen sich die kräuterig-harzigen Aromen ein bisschen deutlicher, bleiben gleichwohl aber hinter den bitteren Zitrusfrüchten zurück. Auch ein paar Maracuja-Aromen gesellen sich nun hinzu.
Nach dem Schluck breiten sich sowohl die Fruchtaromen als auch die Bittere sehr schön im Rachenraum aus, machen die Schleimhäute ein wenig trocken und daher gleichzeitig auch Lust auf den nächsten Schluck.
Wie schön, wenn ein so kräftiges Bier sich dadurch als höchst durchtrinkbar (damit aber auch als gefährlich) erweist.
Brauerei Lemke – Beer Machine – Zeitgeist – Hallertau NEIPA (6,8%)
Beer Machine – eine Reihe einmalig aufgelegter Sondersude der Brauerei Lemke. Jedes Bier ein Original, jedes Mal ein Einzelstück, gewissermaßen. Manchmal auch so selten, dass quasi keine Chance besteht, eine Dose zu ergattern. Es sei denn, man hat so viel Glück, dass man mit diesem, dem Glück nämlich, besser Lotto gespielt hätte …
Zeitgeist ist ein New England India Pale Ale mit ausschließlich Hallertauer Hopfen (Callista, Blanc, Mandarina, Saaz), gebraut in einer Auflage von 2000 Dosen. Also eines von den „ergatterbaren“ Bieren der Serie.
Im Glas steht es kräftig gelb, milchig trüb und mit recht wenig schneeweißem Schaum. Stilecht.
Der Duft ist eher zurückhaltend – da hätte ich unbewusst mehr erwartet. Ein paar feine Fruchtaromen (weiße Stachelbeeren, helle Weintrauben), ein Hauch kräuterige Würze im Hintergrund.
Der Antrunk ist frisch, spritzig und ganz leicht pfeffrig scharf. Auf der Zunge wirkt das Bier zunächst weinig – mit Aromen wie von einem jungen, noch nicht ausgegorenen Weißwein. Hinzu kommt eine durchaus präsente, aber nicht zu dominante Hopfenbittere und ein leicht alkoholisch wirkender Effekt. Irgendwo zwischen Eisbonbon und scharfem Wodka.
Nach dem Schluck verstärken sich diese erfrischenden und gleichzeitig wärmenden Effekte (klingt widersprüchlich, ist es aber nicht) und hallen eine ganze Weile nach.
Eine sehr interessante Biererfahrung, die fast schon in Richtung Bier-Wein-Hybrid geht, obwohl es doch ein „echtes“ Bier ist.
Wo allerdings die auf der Dose angekündigten Aromen von „Zitrus, Maracuja, Orange, Johannisbeere“ bleiben, das weiß ich nicht. Entweder bin ich heute indisponiert, oder das Bier ändert sich mit der Zeit, oder es sind Aromen, die individuell unterschiedlich interpretiert werden können (ich denke dabei immer an Methanthiolon, das von manchen als schwarze Johannisbeere, von anderen als Katzenurin wahrgenommen wird, manchmal auch je nach Konzentration …) oder es gibt irgendeinen anderen Grund …
Schmecken tut es auf alle Fälle trotzdem vorzüglich.
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