Lingener Bierkultur 2025
Lingen
DEU

Prolog

Seit Jahren schon höre ich mir das an: „Wie, Du warst noch nie auf der Lingener Bierkultur?“ Verständnislose Blicke, ratlose, entsetzte manchmal sogar. Und ich kann die Gedanken hinter der Stirn fast lesen: „Wie kann der weitgereiste Brunnenbräu Bier-Blogger so eine Wissenslücke aufweisen? Ist es ihm nicht peinlich???“

Nun, peinlich nicht wirklich, denn ich weiß ja um die Gründe. Aber doof ist es schon, dass Termine, Reisezeiten, Wohnorte bisher nie so miteinander haben koordiniert werden können, als dass ein – wenigstens kurzer! – Abstecher am ersten Septemberwochenende nach Lingen drin gewesen wäre. 2025 hat es aber nun endlich geklappt – wir sitzen im Zug nach Lingen, das Hotelzimmer ist gebucht, und: Sogar die Sonne scheint.

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Tag 1: Freitag, 5. September 2025

Erwartungsfroh bummeln wir also am Freitagnachmittag durch die Lingener Fußgängerzone und tun, wie uns geheißen: Erst in der Alten Posthalterei am Marktplatz einkehren, dort schon mal die ersten Bierbegeisterten treffen, eine Kleinigkeit essen, vielleicht sogar ein bisschen vorglühen. Aber nur ein bisschen, nur wenn man wesentlich zu früh da sein sollte. Denn Bier gebe es ja später genug.

Da sehen wir schon die ersten winkenden Hände, und im Nu sitzen wir in fröhlicher Runde, feines Essen und noch feineres Bier werden serviert und wir blättern staunend durch die umfangreiche, schier nicht enden wollende Bierkarte. Ein ketzerischer Gedanke schleicht sich in die Gehirnwindungen: „Wozu brauchen die hier in Lingen eigentlich ein Bierfestival, wenn das zentral gelegene Gasthaus schon fast alle bierigen Wünsche erfüllen, alle Geschmacksrichtungen abdecken kann?“

Aber zur Alten Posthalterei mache ich mir ein andermal mehr Gedanken, jetzt geht es los in Richtung Universitätsplatz, nur ein paar Schritte. Und hier stehen sie: Die kleinen, weißen Pagodenzelte, in denen an siebzehn Ständen die Brauereien über hundert verschiedene Biere anbieten, und die Gäste, die in langer Schlange um Einlass bitten. Ein schmuckes TeKu-Glas mit jährlich wechselndem Lingener-Bierkultur-Motiv (dieses Jahr der historische Pulverturm, mitten in der Stadt), ein Ausstellerkatalog, ein Bleistift und ein Formblatt für Biernotizen, ein Gutschein für ein Freibier zum Mitnehmen am Schluss beim Ausgang und ein Einlassarmband sind im Eintrittspreis enthalten, und dann kann es losgehen.

alles ist noch gespenstisch leer – aber das ändert sich blitzartig

Wer mag, kann systematisch alle Brauereien abarbeiten, überall ein Bier verkosten und, durchaus mit Aussicht auf Erfolg, diesen Rundgang an einem Tag abschließen. Und morgen noch einmal absolvieren, in umgekehrter Reihenfolge und mit anderen Bieren.

Man kann sich auch treiben lassen, mal hierhin, mal dorthin, immer dem Ruf derer folgend, die gerade etwas ganz besonderes entdeckt zu haben glauben. Funktioniert auch ganz gut.

Und man kann, dritte Variante, erst die befreundeten Brauereien besuchen – die Brauereien, bei denen Brauer und Brauerinnen, Eigentümer und Graue Eminenzen hinter dem Tresen stehen, die man schon kennt und mit denen man jetzt, zu Beginn des Festivals, wo es noch nicht so voll ist, auch mal ein paar Worte wechseln kann. Hat den Vorteil eben dieser gewechselten Worte, aber auch den Nachteil, dass man sich verquatscht und dann an den anderen Ständen, wo man neue Brauer kennenlernen möchte, lange Schlangen stehen, dichtes Gedränge herrscht und längere Gespräche gar nicht möglich sind.

dichtes Gedränge zu späterer Stunde

Wir wählen trotzdem Variante drei, sagen Dario von der Munich Brew Mafia Hallo, schütteln Lukas von Liquid Story die Hand, lachen (laut!!!) mit David von der Hertl Braumanufaktur und trinken ein heimatliches Bier bei Kolja von der Mashsee-Brauerei. Ach, und da vorne steht ja noch der Ferdinand, der bei der Lessigs Brauwerkstatt mitwirkt, und dort hinten steht Nils von One Pint mit seinem Stand, ach, und hier vorne die Jungs von Frau Gruber, und gegenüber die Brauer von Kehrwieder, und da, der Nico von Brauatelier Vrai, ach, oh, da hinten ist ja auch noch Hoppebräu, und hier vorne Riegele, und da ist auch Pinkus aus Münster dabei, und …

… schon ist es eigentlich wieder zu spät. Es ist dunkel geworden, wir spüren den Alkohol, müde sind wir auch schon, und das Gedränge wird immer doller. Die junge Generation steht jetzt erst an, ihr Verkostungsglas zu erstehen, während wir unseres gegen Pfand wieder zurückgeben, die Freibierflaschen im Rucksack verstauen und in Richtung Hotel dackeln.

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Tag 2: Sonnabend, 6. September 2025

Dem gelegentlichen Lärm nach zu urteilen, scheinen die letzten Brauer und Festivalgäste erst im Hellen wieder zurückgekehrt zu sein – eine Vermutung, sie sich im Laufe des Tages noch bestätigen soll … Fast hätten wir sie beim morgendlichen Jogging gesehen …

Punkt siebzehn Uhr stehen wir erneut beim Einlass – jetzt mit der festen Absicht, die Lücken zu schließen, die gestern in die Bier- und Brauereiliste offen geblieben sind. Vor allem: Mit dezentem Blick auf die Uhr, denn um halb sechs soll der Sonderzug der Osnabrücker Dampflokfreunde einrollen – eine historische Zuggarnitur, die extra zur Lingener Bierkultur fährt und die Fahrgäste und Eisenbahnliebhaber nach vier Stunden wieder zurückbringt. Bewirtschafteter Café-Waggon, in dem während der Hin- und Rückfahrt auch Bierspezialitäten angeboten werden (sic!), inklusive!

Schnell also, bevor die „Meute“ hier einfällt … Hier ein Bier, dort ein Schnack, dahinten ein lautes Hallo – „Wie schön, dass Ihr auch hier seid!“

so viele und so tolle Biere

Auch heute gilt wieder: Gute vier Stunden intensiver Genuss reichen, ein gutes Dutzend verkosteter Biere, mehr als ein Dutzend nette Menschen getroffen, tolle Gespräche geführt, die neuesten Entwicklungen und Pläne aus der Bierszene gehört (natürlich unter dem Mantel der Verschweiegenheit – „… aber nicht drüber schreiben!“) und viel, viel Spaß gehabt.

Fazit: Ein richtig schönes, familiäres Bierfestival, das trotz einer riesigen Anzahl von Besuchern und gewaltigem Gedränge zu später Stunde völlig friedlich ohne Gegröle und Randale abläuft. Keine allgegenwärtige Security ist nötig, keine weiträumigen Absperrungen, und es gibt auch keine Nachbarn, die schon um zweiundzwanzig Uhr wegen Ruhestörung die Polizei rufen. Ein friedliches, fröhliches, freundschaftliches Familientreffen, wenn diese Alliteration einmal erlaubt ist.

toll war‘s

Das ist zwar nach zehn Jahren endlich das erste, wird definitiv aber nicht das letzte Mal gewesen sein, dass ich hier war! Toll!

Ein großes Lob an den Organisator, Markus Quadt von der Alten Posthalterei, an alle Brauer, Brauerinnen und Vertreter der Brauereien und besonders an alle friedlichen Gäste!

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Epilog

Nicht ganz einfach, die Rekonstruktion, aber hier ist sie, die Liste der an den beiden Tagen genossenen Biere:

  • Munich Brew Mafia – Kriminelles Helles (5,0%)
  • Munich Brew Mafia – MPU Alkoholfreies IPA (<0,5%)
  • Mashsee Brauerei – Hafensänger Baltic Porter (6,1%)
  • Mashsee Brauerei – Lingener Spezial DDH PA HDGDL (6,0%)
  • Liquid Story Brewing – Frau Holle Holunder Pale Ale (4,8%)
  • Liquid Story Brewing – Bloom Burst Jasminblüten IPA (6,4%)
  • Brasserie Lindemans – SpontanBasil Authentic Lambic Beer (5,5%)
  • Braunmanufaktur Hertl – Mutti 3 Tage wach Coffee Helles (4,9%)
  • Lessigs Brauwerkstatt – Sorachi Summer (4,8%)
  • Atelier Vrai – Overhaul barrel aged imperial pastry stout (13,1%)
  • Mashsee Brauerei – Broyhan 2025 (6,2%)
  • Kehrwieder Kreativbrauerei – Proto 10 Imperial Red Wine Barley Wine Style Lager (10,0%)
  • Liquid Story Brewing – Grapefruit Pink Pepper (6,0%)
  • Landhaus-Brauerei Borchert – Lünner Alkoholfrei mit Buchweizen (<0,5%)
  • Lessigs Brauwerkstatt – Altobelli Italian Pilsner (4,8%)
  • Batches Brewery – Hopla Grünhopfen Pils (5,0%)
  • Batches Brewery – Kilted Monk Barrel Aged Whisky Quad (12,0%)
  • One Pint Germany – Schwarzwälder Kirsch Mix [⅓ Lindemans Kriek, ⅔ Samuel Smith Chocolate Stout]
  • Brasserie Lindemans – Tarot Noir (8,0%)
  • Kraft Bräu Trier – New Zealand Pils (5,3%)
  • FrauGruber Craft Brewing – Helles (4,8%)
  • Hoppe Bräu – Slyrs Oak Aged Imperial Stout 2024 (11,4%)

Das Auflisten der vertretenen Brauereien ist etwas einfacher, aber ich muss die Liste natürlich mit Bedauern veröffentlichen: Nicht alle von Euch haben wir besucht. Da sind wir wohl zu wenig planmäßig vorgegangen …

  • Riegele Biermanufaktur, Augsburg
  • Kraftbräu, Trier
  • Kehrwieder Kreativbrauerei, Hamburg
  • Mashsee Brauerei, Hannover
  • Lessigs Brauwerkstatt, Schwerte
  • Atelier Vrai, Heidelbach
  • Munich Brew Mafia, München
  • Hertl Braumanufaktur, Schlüsselfeld
  • Liquid Story Brewing, Braunschweig
  • Frau Gruber, Augsburg
  • Pinkus Müller, Münster
  • Landhaus-Brauerei Borchert, Lünne
  • Vagabund, Berlin
  • Batches Brewery, Berlicum
  • Hobbybrauer, Emsland
  • Hoppebräu, Waakirchen
  • One Pint Germany, Handewitt

Wir probieren das im nächsten Jahr. Versprochen!

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Lingener Bierkultur 2025
Universitätsplatz
49 808 Lingen
Niedersachsen
Deutschland

4 Kommentare

    • Das wäre schön, Julia!

      Ein wirklich familiäres Fest mit handverlesenen Brauereien und Bieren. Ganz toll!

      Aber treffen tun wir uns nicht erst dann, oder?

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