„Hej, das sieht ja genau aus wie in Rom“, schießt es mir durch den Kopf, als ich am 21. Oktober 2016 in Berlin die Craftbier-Bar Birra betrete. Und in der Tat: Die Batterie mit ihren sechzehn Zapfhähnen, acht links, acht rechts, dazwischen noch drei Handpumpen für ohne Druck gezapfte Biere, ist im gleichen Stil entworfen wie die in der winzigen, aber berühmten Bar Ma Che Siete Venuti A Fà im Stadtteil Trastevere, jenseits des Tibers, in Rom.
die typische Form der Zapfhahnbatterie kommt mir bekannt vor
Kunststück. Manuele Colonna, der gemeinsam mit zwei anderen Italienern Birra Anfang Mai dieses Jahres eröffnet hat, ist auch die treibende Kraft hinter dem Macche. Die zwei anderen im Bunde sind Alfonso Strianese, der das gegenüber dem Macche gelegene Craftbier-Restaurant Bir & Fud betreibt, und Giampaolo Sangiorgi, von der Birrificio Lambrate, einer der erfolgreichsten italienischen Craftbrauereien. Es steht nicht zuletzt für die Bedeutung der Berliner Bierszene, dass sich die drei italienischen Craftbier-Granden zusammengetan haben, um ausgerechnet hier eine Bierbar zu eröffnen.
Obwohl: Ausgerechnet in Berlin noch Just Another Craft Beer Bar? Hier haben wir doch schon auf Schritt und Tritt genügend Möglichkeiten, gutes Bier zu trinken. Die Monopol-Herrschaft der Berliner-Kindl-Schultheiss-Brauerei ist längst gebrochen, an gefühlt jeder zweiten Straßenecke gibt es eine Bierbar mit breitem, internationalen Craft-Angebot, und an jeder dritten macht gerade irgendein junger Abenteurer seine eigene Brauerei auf.
Na, ganz so extrem ist es noch nicht, aber eine gewisse Tendenz zur Sättigung des Craftbier-Segments in der Bundeshauptstadt ist schon zu erkennen.
Was macht man also, um eben nicht Just Another Craft Beer Bar zu sein? Man spezialisiert sich. Und in diesem Fall auf italienische Spezialitäten. Am Hahn hängen ausschließlich italienische Biere. Die meisten davon von naheliegenderweise von der Birrificio Lambrate, aber daneben auch ein gutes halbes Dutzend anderer. Brew Fist, Strada Regina und weitere, hierzulande noch weitgehend unbekannte Brauer sind vertreten. Und ergänzt wird das Ganze durch eine durch und durch italienische Speisekarte, die eben nicht ausschließlich aus Pizza und Pasta besteht, sondern, im Gegenteil, leckere Antipasti, herrlich würzige Wurstspezialitäten, kernige Käsesorten anbietet.
ein schöner, werbender Balken über der Tür
Ich suche mir einen Platz am Fenster, mit Blick nach draußen auf den belebten Bürgersteig und auf die Theke gleichzeitig und studiere die Bierliste. Der freundliche Barmann bietet sich sofort an, mir zu helfen, empfiehlt mir ein paar Biere, lässt mich von jedem einen kleinen Schluck verkosten, bevor ich mich dann für ein größeres Glas entscheide. Die Aromenvielfalt ist breit gefächert, und die Auswahl fällt schwer. Am liebsten alle, der Reihe nach …
Ich nehme das Koral von Hammer. Und es ist wirklich der Hammer. Ein schönes, fruchtiges Pacific Ale, soll heißen, mit Hopfensorten aus Australien und Neuseeland gebraut und gestopft. Deren frische und leichte, spielerische Hopfenaromen wehen mir schon aus dem Glas entgegen, und nach dem ersten Schluck tanzen sie auf der Zunge Ringelreihen. Lecker und gefährlich leicht – die angeblichen 6,2% Alkohol sind nicht im Geringsten spürbar. Bei diesem Bier liefe man Gefahr, nach drei, vier Halben immer noch Durst zu haben, aber bei weitem schon nicht mehr nüchtern zu sein.
Neugierig mustere ich den Schankraum. Vor der Theke sind ein paar kleine Tische, und rechter Hand geht an einer riesigen schwarzen Tafel, an der die Biere angeschrieben und beworben, allerdings heute noch nicht aktualisiert sind, vorbei ein schmaler, schlauchartiger Bereich nach hinten. An den Wänden Plakate und Werbeschilder und mittendrin, groß und nicht zu übersehen, das bunte Logo der Schwesterbar mit dem unaussprechlichen Namen, Ma Che Siete Venuti A Fà.
Das fruchtige Bier macht Appetit, und ich entscheide mich für eine kleine Wurst- und Käse-Selektion. Die nette junge Dame hinter der Bar freut sich, etwas zu tun zu bekommen, und beginnt zu werkeln. Wenige Minuten später bekomme ich ein großes Brett mit wunderbaren Wurst- und Schinkensorten, hauchdünn geschnitten, aromatisch. Dazu ein paar Stücke kräftiger Käse mit einem Duft, der durch die ganze Schankstube zieht. Blauschimmelkäse ist nicht jedermanns Sache – ob des durchdringenden Geruchs zieht die Dame am Nachbartisch die Nase kraus. Aber mir schmeckt’s. Dazu leckere Oliven, und alles natürlich sehr salzig, so dass weiterer Bierdurst garantiert ist.
Ortiga von Birrificio Lambrate
Ich studiere die Bierkarte, wische mit der Hand die Krümel des frisch aufgetoasteten Weißbrots weg, und wähle das Ortiga von Birrificio Lambrate, ein schönes und ausgewogenes Golden Ale, per Hand gepumpt. Mild und sanft vertreibt es die aufmüpfigen Aromen des Käses und macht mich wieder aufnahmefähig für leckere Hopfengeschmäcker. Und so darf dann das Gaina, ein India Pale Ale, ebenfalls von Birrificio Lambrate, die heutige Kostprobe beschließen.
Eine nette Atmosphäre, leckeres Essen, eine sehr schöne Bierauswahl und eine fachkundige, freundliche Beratung. Italienisches Personal, viele italienische Gäste, dazwischen ein paar Spanierinnen und ein Pärchen, das sich in einer Sprache unterhält, die ich nicht zuordnen kann. Irgendetwas Exotisches. Wie so oft in der multinationalen Stadt Berlin, in diesem Mix der Kulturen, scheine ich der einzige Deutsche zu sein – und ich finde es gut.
Andere Menschen leider nicht. Das ist dann die Rede von „guten“ Touristen, aber von auch Menschen, denen „wir“ mit unterschiedlicher Wortwahl bei gleichem beruflichen, aber unterschiedlichem nationalen Hintergrund unsere abgestufte Wertschätzung zuweisen: Gute Expats, wenn es sich denn um kultivierte Entsendenationen handelt, ungern akzeptierte Gastarbeiter, wenn wir die Menschen missbrauchen, die Arbeit zu machen, die kein anständiger Deutscher gerne machen möchte, und schlechte Wirtschaftsflüchtlinge, wenn wir abschätzig darauf herab blicken, dass oftmals gut qualifizierte Menschen zu uns kommen, um genauso selbstverständlich hier gutes Geld für gute Arbeit verdienen zu wollen, wie es viele Deutsche auch machen, die ihr Glück im Ausland versuchen. Widerliches Schubladendenken.
Und das gemischte, bunte, aufgeschlossene und fröhliche Publikum hier im Birra zeigt, dass diese Schubladen doch eigentlich gar nichts zu bedeuten haben. Es ist das Individuum, das zählt. Und sein Interesse für Bier …
Die Craftbier-Bar Birra hat täglich ab 15:00 Uhr durchgehend geöffnet, kein Ruhetag. Zu erreichen ist sie komfortabel mit der Straßenbahn, Linien M2 und M10, Haltestelle Prenzlauer Allee / Danziger Straße direkt vor der Tür.
Birra – Italian Craft Beer
Prenzlauer Allee 198
10 405 Berlin
Berlin
Deutschland
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