Man kann ein Bierfestival in einer tollen Location organisieren, viel materiellen und personellen Aufwand hineinstecken, gute Biere vor Ort haben, und der Erfolg bleibt trotzdem mäßig. Woran liegt’s?
Am 4. und 5. November 2016 fand in Lissabon das erste Bierfestival Super Bock Beer Experience statt.
Super Bock? Beer Experience?
Ja, bei beiden Schlüsselbegriffen klingelt es!
Super Bock, das ist eine der beiden Großbrauereien, die den Biermarkt in Portugal nahezu zu 100% unter sich aufgeteilt haben. Sie gehört zum Carlsberg-Konzern und produzierte bis vor kurzem ausschließlich uninteressante Fernsehbiere. Erst unlängst ist sie unter der Marke Selecção 1927 an den Start gegangen, der auch in Portugal zusehends an Kraft gewinnenden Welle der neuen Biere entgegen zu treten. Solide, aber sehr vorsichtig gebraute Bierspezialitäten, die dem Fernsehbierkonsumenten in winzigen Schritten deutlich machen sollen, dass es jenseits des Eurolagers noch eine ganz andere Bierwelt geben könnte.
Und Beer Experience? Das ist die Überschrift, unter der diese neuen Carlsberg-Produkte angepriesen und vermarktet werden. Ein gleichnamiger Bierstand in der berühmten Markthalle in Lissabon, dem Mercado da Ribeira, jetzt als Time Out Market beworben. Oder am Flughafen in Lissabon im O Mercado.
Jetzt also als Bierfestival.
Die Location sehr edel. Das Pestana Palace Lisboa ist eines der besten Hotels in Lissabon, westlich der Kernstadt gelegen, auf einem der Hügel. In den Cavalariças, dem Kutschenhaus, einem aufwändig renovierten alten Trakt des Hotels, denkmalgeschützt, gibt es ein Tagungszentrum mit sehenswerten Räumlichkeiten und tollem Ambiente. Zwei Seitenflügel, ein Querriegel, Funktionsräume und ein großer Innenhof. Alles toll dekoriert, mit einer Bühne für Livemusik und einem Street-Food-Wagen für herzhaftes, leckeres Essen zum Bier. An den großen, schmiedeeisernen Toren der Einlass. Am 4. November 2016 um 16:00 Uhr soll es beginnen, wir treffen gegen 16:20 Uhr ein, kaufen uns unsere Eintrittskarten und machen große Augen: Sie tragen die Nummern 00001 und 00002. Wir sind die ersten Gäste, werden auch sofort von den zahlreichen Mitarbeitern des Festivals umworben.
Wir sind die ersten Gäste
m linken Gebäudeflügel bequeme Sitzgruppen, an den Wänden verteilt vier Stände, an denen jeweils eine der Selecção 1927 Spezialitäten angeboten wird: Bengal Amber IPA, Czech Golden Lager, Munich Dunkel und Bavaria Weiss. Im rechten Gebäudeflügel die Stände von portugiesischen und internationalen Spezialbierbrauereien: Brooklyn Brewery, Grimbergen, Poretti, Dois Corvos, Maldita, Mean Sardine, Post Scriptum, Sovina und Vadia. Hier stehen ebenfalls Sitzgruppen, aber nicht ganz so komfortabel. Etwas versteckt im hinteren Bereich des Querriegels zwischen den beiden Gebäudeflügeln ein Stand, an dem die extra für dieses Bierfest gebrauten Sonderbiere der Selecção 1927 angeboten werden: Imperial Stout, Cascade Blond Lager, Scottish Smoked Lager, Christmas Brew, British Colonial Stout und Japanese Rice Lager.
ein interessantes und farbenfrohes Angebot
Insgesamt also ein interessantes Angebot, zumal speziell die portugiesischen Kleinbrauer mit echten Spezialitäten aufwarten. Und so kommt es, wie es kommen muss: Der rechte Flügel füllt sich, dort herrscht Bierfeststimmung. Im linken Flügel bleibt es ruhig, das Personal an den Schanktheken langweilt sich, und die wenigen Gäste, die hier sitzen, nutzen die bequemen Sessel, holen sich ihre Biere aber von gegenüber. So wie wir. Und der schwer zu findende Raum im Querriegel bleibt verwaist. Bessere Ausschilderung und eine kunterbunte Mischung der verschiedenen Stände wäre sicherlich die bessere Lösung gewesen.
Der Eintrittspreis von fünf Euro enthält ein Verkostungsglas vom Typ Mini-TeKu, ein Verkostungsheftchen mit Beschreibungen der wichtigsten Biere (also die aus der Selecção 1927) und der Kleinbrauereien und einigen Verkostungsbögen, einen Kugelschreiber und einen Getränkegutschein für irgendeines der Selecção 1927 Biere. In der Summe angemessen und fair. Alle weiteren Biere kosten zwischen zwei und fünf Euro für etwa 0,3 l, je nach Exklusivität und Alkoholgehalt. Kleinstproben gibt es nicht, man muss immer einen drittel Liter nehmen. Bezahlt wird mit Bons, deren Stückelung (1,00; 1,50; 2,50) nicht wirklich zu den Bierpreisen passt. Man muss also erst überlegen, was man trinken möchte, dann die dazu passenden Bons kaufen und erst dann kann man sich das Bier zapfen lassen. Nicht pfiffig. Token im Wert von 50 ct wären einfacher zu handhaben gewesen, man hätte sich einfach mal 50 Stück geholt und „drauflosgetrunken“. Zum Glück (?) ist nur wenig los und es gibt weder an den Bon-Kassen noch an den Schanktheken jemals irgendeine Wartezeit.
Warum ist so wenig los? Die Werbung im Vorfeld war dürftig. Bis zwei Tage vor Festivalbeginn hieß es in den elektronischen Medien immer noch „genauere Informationen in Kürze“. Lediglich ein paar der Kleinbrauereien waren im Vorfeld bekannt. Die Öffnungszeiten wurden unterschiedlich kommuniziert. Erst hieß es 16:00 Uhr, dann 18:00 Uhr, dann 17:30 Uhr und schließlich: Ab 16:00 Uhr Einlass, ab 17:00 Uhr Vorträge.
Letztere, die Vorträge, beginnen dann doch erst um 17:30 Uhr, und der eine, dem wir lauschen, reißt uns nicht vom Hocker. Ein deutscher Kleinbrauer erzählt ein wenig über seine winzige Bierschmiede, hat auch ein sehr leckeres Kastanienbier zur Verkostung mitgebracht, kämpft aber mit seinem Englisch und der Präsentationstechnik.
Wir trinken uns lieber durch das Angebot der „kleinen Portugiesen“, anstelle weiteren Vorträgen zu lauschen. Und hier ist sehr schön festzuhalten: Fast alle dieser Kleinbrauer sind mit Personal aus der Brauerei vertreten, meistens sogar mit dem Brauer persönlich. Nicht nur angeheuerte Hostessen oder Barmänner. Man kann also fachsimpeln, Biergespräche führen, eine unmittelbare Rückkopplung zu jedem einzelnen Bier geben, und am Ende des Tages haben wir zu jeder der vertretenen Brauereien eine persönliche Einladung bekommen, sie doch einmal zu besuchen, wenn wir in der Nähe seien.
Das ist natürlich der Vorteil, wenn auf einem Bierfestival nichts los ist. Man hat Zeit für ein Schwätzchen, für ausführliche Unterhaltungen. Und so war es denn für uns als Besucher Nummer 1 und 2 ein schönes Erlebnis.
Ob es das auch aus Sicht der veranstaltenden Brauerei, also Super Bock, war? Ich habe meine Zweifel. Hier ist mit Sicherheit signifikant mehr Geld ausgegeben worden, als eingenommen werden konnte. Und ob der Werbeeffekt groß war? Durch den künstlichen Gegensatz zwischen Groß- und Kleinbrauer in zwei verschiedenen Gebäudeflügeln wurde das Publikum dazu gebracht, mit den Füßen abzustimmen. Und das Ergebnis dieser Abstimmung war eindeutig. Zugunsten der kleinen Brauer …
Super Bock Beer Experience 2016
Pestana Palace Lisboa
Rua Jau, 54
1300-314 Lissabon
Portugal
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