Muttermilch Vienna Brewery
Wien
AUT

Ein Schmuckstück. Ein liebevoll auf Hochglanz poliertes Schmuckstück, so sauber, dass man dort wahrscheinlich vom Boden essen kann.

Wir stehen im Eingang zur Muttermilch Vienna Brewery und überlegen fast, ob wir die Straßenschuhe abstreifen und stattdessen Filzpantoffeln anziehen sollen, ehe wir das Sudhaus betreten. Vor uns glänzt und spiegelt eine winzige, gerade einmal zweieinhalb Hektoliter große, kupferne Anlage von Kaspar Schulz, und der Keller, in dem sie steht, sieht aus, als würde er jeden Abend mit der Zahnbürste bis in die letzte Ritze geschrubbt.

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blitzblank poliert spiegelt das Kupfer des Sudwerks

Hut ab. Fast alle Brauereien legen viel Wert auf Sauberkeit und Hygiene, aber was wir hier sehen, toppt eigentlich alles. Marina Ebner, deren Reich wir jetzt gerade betreten, scheint die alte Brauerregel „Bierbrauen besteht zu 90% aus Putzen und Saubermachen, die restlichen 10% sind Reinigung und Hygiene!“ tief verinnerlicht zu haben.

Natürlich dürfen wir unsere Straßenschuhe anlassen, so weit geht der Sauberkeitsfimmel dann doch nicht, aber beeindruckend sind Ordnung und Sauberkeit schon.

Im November 2015 ist der BeerLovers Craft Beer Store eröffnet worden, und von Beginn an sei im Konzept nicht nur ein Verkostungsraum für Bierseminare vorgesehen gewesen, sondern auch eine eigene Brauerei, hatte ich seinerzeit im Februar 2016 erfahren, als ich den Fachhandel das erste Mal besucht habe. Der Keller, in den das Sudwerk kommen sollte, sei schon da, aber es würde noch so rund ein halbes Jahr dauern, hieß es damals.

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der Verkostungsraum

Aus dem halben Jahr sind letztendlich eindreiviertel Jahre geworden, erfahren wir heute. Die Brauerei war zwar pünktlich eingerichtet worden, aber dann haben die Mühlen der österreichischen Bürokratie zu mahlen begonnen. Und das taten sie langsam und gründlich. Nun ja, in Teilen mag dies sogar verständlich gewesen sein – eine Brauerei im Keller eines Gebäudes einzurichten, in dem sich auch Wohnungen befinden, das erfordert dann schon einige zusätzliche Maßnahmen. Nicht jeder Nachbar ist begeistert davon, wenn ihm die Brüden, die eben nicht nur nach Hopfen und Malz pur riechen, sondern auch eine ordentliche Fracht von Schwefelverbindungen und anderen Gerüchen mit sich tragen, ins offene Schlafzimmerfenster wehen.

Am 22. November 2017 ging es dann aber los, und die ersten hier gebrauten Biere wurden der Öffentlichkeit vorgestellt: Bitta von Tresen und Wiener Bubi. Das erste ein Pils mit etwas mehr als fünf Prozent Alkohol, und das zweite ein malziges, eher süßliches Wiener Lager mit etwas unter fünf Prozent. Beide Biere eingängig und süffig, eher etwas für den großen Schluck, weniger für die langsame Verkostung, bei der nur die Zunge benetzt wird. Überraschend eigentlich für so eine Schaubrauerei, die an einen Getränkemarkt angegliedert ist, dessen Regale strotzen vor exotischen, hochprozentigen, verrückten, teuren, ungewöhnlichen Bieren.

Originell sind also nicht die Stile der ersten Biere, originell sind aber ihre Etiketten und ihre Namen, natürlich auch der Name der Brauerei, Muttermilch. Ich persönlich finde ihn nicht so unbedingt ansprechend, aber auf alle Fälle hat er einen hohen Wiedererkennungswert. In der Wiener Bierszene und darüber hinaus denkt man beim Stichwort Muttermilch nun nicht mehr an stillende Mütter am Spielplatz, sondern an frisch gebrautes Bier.

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zwei Gärbottiche

Wir gehen ein paar Schritte weiter in den Keller hinein. Hinter dem kupfernen Sudwerk, dessen Brüden übrigens komplett kondensiert und dann in die Kanalisation abgeleitet werden, stehen zwei offene Gärbottiche, dahinter ein Gestell, das vier liegende Lagertanks hält. „Für die 500-l-Tanks fahren wir Doppelsude“, erfahren wir, „aber nicht im klassischen Sinn direkt hintereinander, sondern an zwei aufeinanderfolgenden Tagen. So ein 15-Stunden-Arbeitstag für den Doppelsud wäre einfach zu stressig!“

Für den Moment scheinen die vier Tanks locker auszureichen, aber wir sehen auch, dass der Keller noch problemlos Raum dafür böte, das Rack zu erweitern und ein paar mehr Tanks zu errichten. Sollte Marina also irgendwann einmal auf die Idee kommen, einen Barley Wine oder ein Russian Imperial Stout zu brauen, also Biere, die dann sechs Monate oder länger lagern müssen, dann könnte zumindest theoretisch rasch ein Extra-Tank installiert werden.

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die vier Lagertanks

Für den Moment entstehen hier aber eher leichtere, trinkbare Biere. Neben den schon erwähnten, dem Pils und dem Wiener Lager, braute Marina Ebner unlängst zusammen mit den vier Jungs von BrewAge eine Berliner Weisse mit Mandarinen. Nur drei Prozent Alkohol, leicht säuerlich und mit einem intensiven Fruchtaroma. Ein herrliches Sommerbier, das sie gemeinsam am 22. März im Brickmakers Pub & Kitchen im Rahmen einer Meet-the-Brewer-Veranstaltung vorgestellt hatten.

Mit der kleinen Brauerei Muttermilch Vienna Brewery vervollständigt der BeerLovers Craft Beer Store sein Konzept. Hunderte von Kreativbieren aus der ganzen Welt, dazu ein großes Regal gefüllt mit Literatur über und rund ums Bier. Verkostungsmöglichkeit direkt im Laden, ebenso die Möglichkeit, sich einen Bembel (oder Growler, wie es in der Szene mittlerweile heißt) zu füllen und mitzunehmen. Hausbrauzubehör in einem separaten Kühlschrank, Verkostungs- und Brauseminare, und nun auch eine eigene kleine Schaubrauerei. Es ist an alles gedacht.

Auch die Zugehörigkeit zum Bezirk Gumpendorf kommt auch nicht zu kurz. Wer in Wien etwas auf sich hält, muss sich zu seinem Stadtbezirk bekennen – einfach nur Wiener zu sein, reicht nicht. Folgerichtig ist das Wappen der Muttermilch Brewery Vienna auch an das Gumpendorfer Wappen angelehnt. Die Struktur ist dieselbe, aber die drei Lilien im Wappen des Bezirks sind durch zwei Hopfendolden und eine stilisierte Krone aus zwei „M“ für MutterMilch ersetzt. Identifikation mit dem Standort.

Ein letzter Blick rundum. Sauberkeit und Ordnung beeindrucken, die ersten beiden Biere, die wir vor ein paar Wochen im Mel‘s Craft Beers & Diner schon getrunken haben, sind ebenfalls in bester Erinnerung. Fein – eine neue, kleine Perle in der Wiener Brauereiszene. Viel Glück und Erfolg, Marina, mit Deinem kleinen Spielzeug!

Die Muttermilch Vienna Brewery ist in den BeerLovers Craft Beer Store integriert und zu dessen Öffnungszeiten einsehbar – montags bis freitags von 11:00 bis 20:00 Uhr und sonnabends von 10:00 bis 17:00 Uhr; sonntags ist zu. Zu erreichen sind Brauerei und Shop in wenigen Minuten zu Fuß von der U-Bahn-Station Kettenbrückengasse direkt am Naschmarkt.

Nachtrag 2. August 2018: Im Rahmen der diesjährigen Städtetour de Bier nach Wien haben wir die Gelegenheit, den BeerLovers Craft Beer Store erneut zu besuchen (und uns die Rucksäcke mit leckeren Bierspezialitäten zu füllen), und direkt im Anschluss zeigt Marina Ebner unserer ganzen Gruppe ihr kleines Schmuckstück, die Muttermilch Vienna Brewery. Natürlich gehört auch eine Verkostung der Muttermilch-Biere mit dazu, und wir haben auch Gelegenheit, ihr Löcher in den Bauch zu fagen.

Natürlich fällt eine große Portion Lob für sie ab, speziell für das Lemon Guitar, ihre neueste Kreation, die wir gestern schon in Brandauers Bierstube haben verkosten können. Aber eben auch erneut für die Sauberkeit in ihrem kleinen Reich. Gläser und Flaschen (Growler) stehen blitzblank poliert im Regal, davor liegt ein kleiner Zettel: „Sauber“. Was auch sonst. Die Überraschung wird erst dann groß, als wir ein Fach weiter den Zettel sehen: „Not so sauber“. Prüfend nimmt eine Dame aus unserer Gruppe eines der „not so sauber“ Gläser in die Hand und hält es gegen das Licht. Kein Stäubchen ist zu sehen. Wenn das das „not so sauber“ ist, dann könnte man hier wahrscheinlich selbst aus den mit „dreckig“ markierten Behältern ruhigen Gewissens trinken…

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Not so sauber? Eigentlich undenkbar!

Wobei, „dreckig“ ist ein Begriff, der im Wortschatz der Muttermilch Vienna Brewery nicht vorkommt. Gar nicht vorkommen kann…

Bilder

Muttermilch Vienna Brewery
Gumpendorfer Straße 35
1060 Wien
Österreich

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