Seit zehn Jahren gibt es die Städtetour de Bier nun, und zum ersten Mal waren wir im Hochsommer unterwegs. Wien bei strahlendem Sonnenschein, mehr noch, bei Gluthitze sogar. Demzufolge sah die Stadt uns auch häufiger in den Bier- und Gastgärten als im Innern von Bierbars und Brauereien.
Nach einer entspannten Anreise per Bahn bringen wir nur schnell unser Gepäck auf das Hotelzimmer und schon machen wir uns auf zur ersten Station, den Ottakringer Braukulturwochen.
Die ganzen Sommerferien lang, zwei ganze Monate, feiert die Brauerei in einem großen Biergarten mitten auf dem Brauereigelände, und alle drei Tage kommt eine andere kleine Gastbrauerei hinzu – heute, am 1. August die in Mitteleuropa noch weitgehend unbekannte türkische Brauerei Gara Guzu. Die Besitzer selbst, Ataç Besi und seine Frau Akgonca Göztaş, stehen hinter der Theke, schenken ihre ausgezeichneten Biere aus und machen deutlich, dass es sich lohnt, auch einmal die Bierszene jener Länder kennenzulernen, die man nicht sofort mit der Craftbier-Revolution in Verbindung bringt.
Nach diesem Vorglühen findet der eigentliche Auftakt der diesjährigen Städtetour de Bier in Brandauers Bierstube unweit des Schlosses Schönbrunn statt. Die kleine, noch recht junge Bierbar bietet einige spannende Biere an und teilt sich den Biergarten mit dem schön deutlich älteren Brandauers Schlossbräu. Neben ebenso leckerem wie ungesundem Essen genießen wir ein paar gute Biere, darunter auch eines, das in der Muttermilch Vienna Brewery extra für Brandauers eingebraut worden ist.
Eben diese, die Muttermilch Vienna Brewery, besichtigen wir am Morgen des zweiten Tags. Der fast drei Jahre alte BeerLovers Craft Beer Store beherbergt mittlerweile auch eine kleine, aber wunderschöne Brauerei, und Brauerin Marina Ebner freut sich, uns ihr kleines und blitzsauberes Reich zeigen zu können.
Ein paar Einkäufe im Bierladen, und schon ruft uns das Mittagessen, und zwar in der Bierosophie, einem noch recht jungen Bierlokal auf der Grenze zwischen 15. und 16. Bezirk. Leckere Küche, freundlicher Service und ein gemütlicher Biergarten, und kaum haben wir unser Essen beendet, findet eben hier in diesem Biergarten eine angeleitete Verkostung mit der Kampagne für gutes Bier Österreich statt. Zehn verschiedene Biere aus Wien und Umgebung – eine interessante Reise durch die lokale Bierwelt.
Anschließend geht es, zum Ausklang des heutigen Tages, noch einmal zur Ottakringer Brauerei. Heute Nacht war Schichtwechsel, statt Gara Guzu ist nun die Brauerei Gusswerk aus Salzburg zu Gast, und wir haben die Möglichkeit, mit Brauer Reini Barta uns durch fast das komplette Bierangebot seiner Brauerei zu verkosten und zu jedem der Biere seine Geschichte dazu zu hören. Herrlich, wenn auch die beiden Extrembiere, Horny Betty mit 9,0% und Krinnawible mit sage und schreibe 14,5% Alkohol uns den Abend etwas früher beenden lassen, als es eigentlich geplant war.
Der Freitag, mittlerweile ist es schon der 3. August, beginnt mit einem Mittagsimbiss im Brandauer im Gerngross, eine kleine Restauration in einem Einkaufszentrum mitten auf der Mariahilfer Straße. Eigentlich sollte man hier eine preiswerte und qualitativ nicht besonders anspruchsvolle Restauration erwarten – Einkaufszentrum eben – aber Thomas Brandauer hat auch an diesen ungewöhnlichen Platz eine gute Bierkultur gebracht, und das Junghopfenpils der Braucommune Freistadt als Saisonbier überzeugt.
Die nächste Station sollte am Meidlinger Markt der urige Bottle Shop Malefitz sein, aber enttäuscht stellen wir fest, dass Eigner Alexander Fitz wohl vor einigen Wochen das Handtuch geworfen hat. Die Rollläden sind heruntergelassen, alles ist fest verriegelt. Hier gibt es wohl bis auf weiteres kein Bier mehr. Zu schade! Wir überbrücken die Lücke im Programm mit einem Ottakringer Roten Zwickel an einem der benachbarten Marktstände. Zwar nicht ganz das, was wir eigentlich wollten, aber auch nicht zu verachten!
Gegen sechzehn Uhr erwartet uns Simon Latzer in seiner gerade erst ein paar Wochen alten Brauerei, dem Bräuhaus Ten.Fifty. Ein Sudwerk im englischen Stil, ein cooler Taproom, ein paar leckere Biere. Simon bemüht sich sehr um uns, hat viel Spaß, und obwohl wir angesichts der Gluthitze nicht so viel konsumieren, wie er es sich aus wirtschaftlichen Gründen vielleicht erhofft hat, ist es doch ein sehr schöner Nachmittag im Maschinenraum der alten Ankerbrotfabrik.
Zum Ausklang des heutigen Tages finden wir uns im Stadtboden ein, einer kleinen Bierbar mit guter und moderner Küche unweit der Albertina. Ein sehr schönes und interessantes Bierangebot, sehr freundliche und aufmerksame Bedienungen und eine ansprechende Lokation in der Fußgängerzone, der Krugerstraße. Viel länger als eigentlich gedacht sitzen wir hier und genießen eine unglaublich warme, fast schon tropische Sommernacht.
Gestern an der Ankerbrotfabrik haben wir Hinweisschilder auf den Böhmischen Prater gesehen, und so entschließen wir uns am Sonnabend spontan, diesen ein wenig näher zu erkunden. Mitten im Laaer Wald gehen wir auf eine Zeitreise, zwanzig, dreißig, vierzig Jahre zurück in die Vergangenheit. Oder vielleicht noch mehr? Die alte Berg-und-Tal-Bahn, auf der wir fahren, ist neunzig Jahre alt, die automatische Orgel, die der Betreiber extra für uns einmal anschaltet und spielen lässt, über hundert Jahre. Ein romantisches Vergnügen.
Dieser ganz andere Praterbesuch endet mit einem Besuch im Biergarten Zum Werkelmann, wo wir es uns für einen Moment gemütlich machen, etwas Leckeres essen und – natürlich! – endlich unser erstes Bier des Tages genießen.
Die S-Bahn bringt uns anschließend bis nach Atzgersdorf. In einem Hinterhof befindet sich dort die 100 Blumen Brauerei, 2017 eröffnet und nicht nur aufgrund ihres originellen Namens schon recht bekannt. Kacper Czerniawski zeigt und die Brauerei und lässt uns den Nachmittag über die gesamte Palette der hier gebrauten Biere verkosten, einschließlich des einen oder anderen Kollaborationssuds. Ganz ausgezeichnet und sehr unterhaltsam.
Zu essen gibt es bei den 100 Blumen allerdings nichts (wenn man von Salzstangen und Erdnüssen absieht), aber im Hawidere, „einem der letzten Wohnzimmer Wiens“, wie man dort selbst behauptet, finden wir die perfekte Kombination aus einer riesigen Bierauswahl und guter Küche. Im Gastgarten sitzen wir zwar direkt an der Straße, aber es ist kaum Verkehr. Während die Sonne schon tief steht, verkosten wir hier im Achterpack die Spezialbiere und lassen uns die selbstgemachten Spezialitäten dazu schmecken. Immer wieder ein schönes Ziel.
Damit ist die Städtetour de Bier 2018 eigentlich auch schon wieder zu Ende gegangen. Ein abwechslungsreiches Programm liegt hinter uns. Nur noch ein ganz kleiner Kern derer, die erst am Sonntagnachmittag wieder abreisen, trifft sich zum Frühschoppen und Mittagessen im Krah Krah im Bermudadreieck – in einem der allerersten Spezialbierlokale Wiens. Bereits im Mai 1980 ist es gegründet worden und bietet seitdem unverändert eine Auswahl von rund 50 verschiedenen Bieren und klassische Wiener Küche. Ein netter Abschluss.
Wann die nächste Städtetour de Bier stattfinden wird? Wir wissen es noch nicht. Vielleicht wird es ja eine andere Stadt als Wien? Lassen wir uns überraschen. Auf alle Fälle ein herzliches Dankeschön an die Organisatoren, Rolf und Maria Linke, die ein sehr schönes und buntes Programm zusammengestellt haben.
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