Rund ein Vierteljahr ist es her, dass Thomas Lang mir ein Rezensionsexemplar seines vierten Goldberg-Krimis Goldberg und der unsichtbare Feind hatte zukommen lassen. Beim Lesen brauchte ich einen Moment, bis ich mich an seinen stakkatohaften Stil, seine Lakonie und seine teils absurden Wendungen in der Handlung gewöhnt hatte, habe dann aber Gefallen am Buch gefunden. So viel Gefallen, dass ich mir jetzt auch die anderen drei Goldberg-Krimis gekauft habe – nun für eigenes Geld.
Thomas Lang
Goldbergs Liste
Mit Goldbergs Liste hat Thomas seine Serie begonnen – eine Serie von „Schräggastrokrimis“, wie er und der Verlag es nennen. Krimis, die in ungewöhnlichen Bars und Kneipen, meistens solchen von zweifelhaftem Ruf, spielen. So auch in diesem ersten Band.
Minkin, der Ex-Staatsanwalt und nun Privatermittler, erhält von Goldberg, seinem Auftraggeber, einen recht undurchsichtigen Auftrag, der ihn unter anderem nach Sevilla führt. Es geht, soviel sei verraten, ohne die Spannung und die Freude am Lesen zu zerstören, um einen Zusatzstoff zur Bierherstellung, der den Biergenießer abhängig, geradezu süchtig macht und so den Bierverkauf gewaltig ankurbeln könnte. Klar, dass dieser Stoff nicht im Rahmen des sogenannten „Reinheitsgebots“ erlaubt ist, klar aber auch, dass das Thema Bier und Bierpanscherei viel, viel Platz für Stammtischphilosophie und Wissenswertes rund um die Bierszene, insbesondere um diejenige Baden-Württembergs, bietet.
Sehr schön beispielsweise das Philosophieren während der dreiundzwanzigstündigen Zugfahrt nach Sevilla: „Bis zu achtzig Aromen filtern geübte Trinker beim Biergenuss heraus. Von Akazienhonig bis Walnuss. Je nach Fermentierung. – Minkin war vielleicht bei vierzig. Maximal. Die meisten Biertrinker kommen über die Fernsehbiergeschmacksnivellierung nie hinaus. Halten Warsteiner für ein Bier. Von einem flüssigen Maisfladen bis zu Klärschlamm reicht mein Dursthorizont immerhin, von bernsteinfarben bis strohblond die Farbpalette. Da sind die Irish Stouts gar nicht mal berücksichtigt. Rechnet man diejenigen hinzu, an die ich mich nicht mehr erinnern kann, dann sind das gar nicht so wenig für einen Laien, dachte Minkin nicht ohne Stolz.“
die Handlung lässt auch genügend Raum für Bierproben
Geradezu prophetisch zeigt sich Thomas Lang, als er Minkin an anderer Stelle über die Bussi-Bussi-Unsitte sinnieren lässt (immerhin ist der Text 2015 entstanden, lange vor der CoViD-19-Pandemie): „Er hasste diese neue Unsitte. Quatsch war das. Nahm überhand. Jemand ist einem zufällig im Bus auf den Fuß getreten, schon knutscht er dich beim nächsten Mal. (…) Das ging inzwischen bis zum feuchten Zungenkuss. Insbesondere in der Winterzeit unerträglich. Diese Viren überall! Denkt denn da keiner dran?“
Mit spitzer Feder werden Trends analysiert und kritisiert, nichts und niemand wird geschont. Und so hält die Handlung immer mal wieder für einen Moment inne und schafft Raum für Reflexionen: „Der Biergarten verdiente den Namen. Alter Baumbestand. Am Fluss gelegen. Die Gasthausbrauerei selbst? Kein Juwel. Ein durchschnittlicher Vertreter der zeitgenössischen Gasthausbrauerei. Helles Holz. In der Mitte ein kupferner Braukessel. Das Ganze auf alt gemacht. Der schwedische Gastroforscher V.O. Ingmarsson bezeichnete dieses Phänomen (…) als die neue, hässliche Fratze der Retro Gastro.“
Krimi hin, Krimi her – am besten sind die Durst machenden Einsprengsel
Mir gefallen diese Einsprengsel in die eigentliche Handlung des Kriminalromans, und großen Spaß habe ich immer dann, wenn der Bierbezug deutlich wird oder meine eigenen Vorurteile lästernderweise bestätigt werden, beispielsweise, wenn Thomas über den Heilbronner Dialekt schreibt, den er als zwitterhaften Kunstdialekt bezeichnet, „der sich aus dem badischen, dem schwäbischen und dem fränkischen Idiom die schlimmsten Teile herausgepickt hatte. Vom badischen den nervigen, langsamen Singsang, vom schwäbischen das Ungehobelte, Bäuerliche und vom Fränkischen das knödelhaft Dumpfe.“
Mich sprechen diese Alltagsphilosophien an, sie erden die manchmal etwas abstruse Handlung, auf deren Wendungen man sich einlassen muss, wenn man Spaß am Buch haben will. Mir ist dieses Einlassen gelungen, ich hatte Spaß. Ein Kriminalroman mit Bierbezug – Goldbergs Liste.
Thomas Lang
Goldbergs Liste
Oertel + Spörer Verlags-GmbH + Co. KG
Reutlingen, 2015
ISBN 978-3-88627-334-8
Der Krimi „Goldbergs Liste“ ist der erste in der Reihe der Goldberg-Krimis. Meine Rezensionen zu den anderen Bänden findet Ihr hier:
Goldbergs Formel (2016)
Goldbergs Heiliges Fass (2018)
Goldberg und der unsichtbare Feind (2021)
Goldberg und die Tränen der Madonna (2023)
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