Manche Städte sind offensichtlich mit ihrem Namen oder ihrem Ruf nicht zufrieden und fühlen sich bemüßigt, durch irgendwelche Namenszusätze auf sich aufmerksam zu machen. So gibt es mit Wittenberg und Eisleben gleich mehrere Lutherstädte, es gibt jede Menge Universitätsstädte, selbst Heilbronn ist darunter, es gibt historisch belastete und zum Glück nicht mehr aktuelle Bezeichnungen wie Stadt des KdF-Wagens für Wolfsburg, und es gibt die rumpeldumme Bezeichnung Bundesstadt, die sich Bonn gegeben hat, weil es den Regierungsumzug nach Berlin nicht verkraften konnte.
Karlsruhe bezeichnet sich selbst als Fächerstadt, und zwar weil die Straßen der Kernstadt fächerförmig vom Schloss ausgehen. Ich finde die Bezeichnung doof, aber das ist Karlsruhe und seinen Einwohnern vermutlich herzlich egal. Sie sind stolz darauf. So stolz, dass sich auch eine kleine Brauerei so nennt: Fächerbräu.
Fächerbräu
Eigentlich ist Fächerbräu noch keine „richtige“, also stationäre Brauerei, sondern eine Wanderbrauerei, Kuckucksbrauerei, Gipsy-Brauerei oder wie man das Konzept auch nennen möchte. In Polen heißt es Vertragsbrauerei (Browar Kontraktowy), in Tschechien fliegende Brauerei (Pivovar Létající). Soll heißen, man mietet sich in anderen Brauereien ein, um dort Biere zu brauen – nach eigenem Rezept, eigenen Vorstellungen und mit eigenem Personal, so dass das Produkt dann auch guten Gewissens unter einem eigenen Label vermarktet werden kann.
Aber auch wenn Fächerbräu noch kein eigenes Sudhaus besitzt – einen Verkaufs- und Lagerraum mitten in Karlsruhe hat das Team schon, und vor genau dieser Fächerbräu Garage stehe ich am 21. September 2021. „Na, endlich hat das mit einem Termin mal geklappt“, begrüßt mich Christopher Wertz, der Geschäftsführer von Fächerbräu, und bittet mich in den heute, am Dienstag, eigentlich geschlossenen Verkaufsraum.
„Das ist es, unser kleines Reich. Die Fächerbräu Garage!“ Er deutet stolz auf den Verkaufstresen, die Kühlschränke und die gestapelten Bierkisten.
Christopher Wertz und Volker R. Quante
„Angefangen haben wir 2017, in ganz kleinem Maßstab. Da haben wir bei Braxar in Bruchsal gebraut, auf einer zweieinhalb Hektoliter großen Anlage. Später wechselten wir zu CraftCell in Heidelberg, da waren es pro Sud immerhin schon sechs Hektoliter. Und mittlerweile läuft unser Geschäft so stabil, dass wir in der Brauerei Rogg im Schwarzwald brauen; dort entstehen pro Sud zwischen zwanzig und dreißig Hektoliter.“
„Das ist für eine Wanderbrauerei aber schon ordentlich“, stelle ich fest und beäuge die Flaschen im Regal. „Aber Ihr braut nur eine relativ kleine Auswahl von Bieren, oder?“, frage ich neugierig.
„Ja“, sagt Christopher und schenkt uns erstmal ein kleines Probierbier ein, ein Bio-Helles mit 5,1% Alkohol. Das Bier ist sehr weich und ausgewogen, hat ein paar kräuterige und heuartige Noten und ist mit klassischen Hopfensorten aus Tettnang und der Hallertau gebraut. Ein schönes, gut durchtrinkbares Bier.
Bio-Helles
„Wir haben uns vorgenommen, die Biere mit regionalen Zutaten zu brauen, also aus Baden-Württemberg und benachbarten Ländern und Bundesländern. Das schließt Frankreich und Bayern dann mit ein“, erzählt Christopher weiter. Nach Möglichkeit sollten alle Zutaten bio-zertifiziert sein, fährt er fort und erklärt, dass es eher klassische Trinkbiere sein sollten, weniger die ganz großen Experimente. Und das käme bei den Kunden gut an, insbesondere, seit sie gemerkt hätten, dass das Prädikat Bio, das bei Bieren gelegentlich einen durchwachsenen Ruf habe, bei Fächerbräu wirklich ein Qualitätsmerkmal sei.
Wir probieren als nächstes das Bio-Pils, 4,9%. Es ist zurückhaltend gehopft, nur wenig herber als das Helle, aber durch Hopfenstopfen weist es ein leicht zitroniges Hopfenaroma auf. Sehr schön, und allemal genauso durchtrinkbar wie das Helle.
Bio-Pils
„Neben unseren Bieren produzieren wir mittlerweile auch Cider, Limonade, Schorle und Naturradler. Aus unserem Festbier, das wir gleich noch verkosten werden, brennen wir auch einen Festbier-Brand, und schließlich haben wir noch Bierlikör.“ Christopher deutet auf die Glasvitrine, in der neben T-Shirts und Polohemden auch diverse Fläschchen ausgestellt stehen.
Leider müsse sich die Fächerbräu Garage derzeit noch auf den reinen Rampenverkauf und den Lagerbetrieb beschränken, eine Schanklizenz habe er dafür noch nicht, erzählt Christopher. Zunächst müsse dazu noch die Infrastruktur angepasst werden; von Fliesen und Estrich über Waschbecken bis hin zur Toilette müsse noch vieles nachgerüstet werden, und das koste Zeit und Geld. Geduld sei also angesagt.
Wir probieren das Bio-Weizen (5,4%), das mit einer hohen Restsüße und sehr intensiven Bananenaromen im Geruch und im Geschmack auffällt. Es ist vielleicht etwas rau und breit im Abgang, stellen meine holde Ehefrau und ich fest, aber das könne natürlich auch am direkten Vergleich mit den zwei sehr sanften Bieren vorher liegen.
Bio-Weizen
Während wir noch dem letzten Schluck Weizen hinterherschmecken, erzählt Christopher, dass er gerne auch noch ein kleines Sudwerk in der Garage installieren würde. Für Braukurse, Seminare und Experimente. Dann würde aus der Garage ein richtiges Biererlebniszentrum.
„So, jetzt probieren wir noch das Bio-Festbier, und dann zeige ich Euch noch die Büroräume und den großen Keller“, sagt Christopher und schenkt uns das mit 5,6% etwas kräftigere Bier ein. Viel Karamell schmecken wir, einen kräftigen Malzkörper und ein paar brotige Aromen. Deftig ist es, aber noch nicht mastig, und ist dadurch noch gut trinkbar. Trotz seines robusten Charakters immer noch ein Bier für den großen Schluck.
Bio-Festbier
Wir laufen die Treppen hoch und runter und sehen die Büroräume, die auch noch Platz böten für einen Seminarraum oder Showroom, und wir staunen, wie groß der Lagerkeller ist, in dem jetzt schon palettenweise die Bierkisten gestapelt sind. „Neben unseren normalen Öffnungszeiten der Fächerbräu Garage sind wir immer auch mittwochs auf dem Abendmarkt auf dem Platz direkt neben der Pyramide vertreten, und wenn der Karlsruher SC ein Heimspiel hat, dann sind wir am Spieltag in den Stunden vorher in der Garage, damit die Fans schon mal ein Bierchen trinken können, um sich auf das Spiel einzustimmen“, erzählt Christopher und erklärt damit auch, warum es gut ist, den großen Keller mitten in der Stadt zu haben.
Blick in den Lagerkeller
Christopher ist die Begeisterung für sein Unternehmen anzumerken. Während wir noch seinen Bierbrand und den Cider verkosten und er uns auch noch ein mit Festbier gebackenes Körnerbrötchen anbietet („Da kommt das Bier aber leider nicht so deutlich raus, die Körner sind zu aromatisch. Das war vorher bei der Seele, die ebenfalls mit Festbier gebacken worden war, etwas besser.“), zeigt er uns, dass seine Biere auch mit individualisierten Etiketten angeboten werden – für Hochzeiten, Jubiläen, Firmenfeiern oder was auch immer. Bierseife gebe es auch, und natürlich habe er auch schöne Verkostungsgläser im Angebot. Die könne er nur leider noch nicht nutzen, solange es noch keine Wasserinstallation im Laden gibt – Gläserspülen ginge derzeit halt noch nicht.
Das hält ihn aber nicht davon ab, uns noch zwei Bierspezialitäten von anderen Brauern anzubieten, und zwar das Laird vom Braukollektiv Freiburg und ein Wit von der Brasserie La Houblonnière aus Frankreich.
Braukollektiv Freiburg – Laird – West Coast IPA
Das Laird ist ein 6,5%iges West Coast IPA, sehr hopfenaromatisch und fruchtig und in seiner kräftigen Bittere recht geradeaus. Das 6,0%ige Wit mit dem Namen Blanchette – Bière de blanche de Seebach enttäuscht uns hingegen ein wenig. Es ist leicht säuerlich, etwas dumpf und trotz hoher Spundung nicht spritzig erfrischend. Vielleicht ist es schon zu lange gelagert oder hat den Transport nicht gut überstanden – wer weiß, wie warm es während der Reise geworden war …
Brasserie La Houblonnière – Blanchette – Bière de blanche de Seebach
Wir schielen vorsichtig auf die Uhr. Immerhin müssen wir noch mit Straßen- und S-Bahn ein Weilchen fahren, und es ist schon spät geworden. Schnell beladen wir den Rucksack mit einigen Bieren und kaufen uns auch die dazu passenden Probiergläser. Für ein paar Bilder für den Social Media Auftritt reicht es noch, aber dann müssen wir tatsächlich schon los. Schade, denn Christopher hätte noch viel zu erzählen gewusst, und in seinem Kühlschrank hätte sich bestimmt auch noch das eine oder andere Schätzchen gefunden, das einer Verkostung würdig gewesen wäre.
live in den Social Media
Wir werden das Fächerbräu aber im Auge behalten. Neben den feinen Bieren haben uns Christophers Begeisterung und seine vielen Ideen, die er noch hat, nämlich gut gefallen!
Die Fächerbräu Garage ist freitags von 14:00 bis 20:00 Uhr geöffnet und immer mittwochs von 16:00 bis 20:00 Uhr auf dem Karlsruher Abendmarkt vertreten. Bei KSC-Heimspielen ist sie zusätzlich freitags von 13:30 bis 17:30 Uhr oder sonnabends von 09:30 bis 12:30 Uhr geöffnet – je nachdem, an welchem Tag das Spiel stattfindet. Fährt man mit einer der zahlreichen Straßen- oder S-Bahnlinien zum Europaplatz, sind es von dort nur drei Minuten zu Fuß bis zum Erbprinzenhof.
Fächerbräu
Erbprinzenhof 3
76 133 Karlsruhe
Baden-Württemberg
Deutschland
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