Masterbrewery
Neubiberg
DEU

Manchmal entdeckt man Brauereien an Orten, wo sie kein Mensch vermutet – so zum Beispiel an der Universität der Bundeswehr in Neubiberg, im Labor für Kraftfahrzeugtechnik.

die Masterbrewery der Universität der Bundeswehr

Warum es dort ein voll funktionsfähiges 0,5-hl-Sudwerk gibt? Das ist eine Geschichte, deren Anfänge fast neun Jahre zurückliegen, und in die ich auch verwickelt bin.

Ich habe seinerzeit in Lahnstein als Projektleiter für ein Satellitenkommunikationsprojekt der Bundeswehr gearbeitet, als mich meine Mitarbeiter gefragt haben, ob ich nicht mal an einem Freitagnachmittag nach der Arbeit in der Teeküche unseres Bürogebäudes zeigen könne, wie das so mit dem Brauen funktioniere. Man habe gehört, ich sei Hobbybrauer, und da hätten einige durchaus Interesse, zu erfahren, wie das ginge.

Das Schaubrauen am 15. Februar 2013 war ein Erfolg, aber wie es so oft ist: Die meisten, die dabei mitgemacht haben, waren enttäuscht, dass wir das Bier nicht schon am gleichen Abend trinken konnten, und entsetzt, dass so ein Brautag brutto gute acht Stunden dauert (Vor- und Nachbereitungen eingeschlossen). Nein, das sei dann doch ein zu aufwändiges Hobby, meinten die meisten.

Wers mir damals gar nicht aufgefallen war, das war ein junger Feldwebel, den wir vorübergehend in unserem Geschäftszimmer eingesetzt hatten, und der still in der Ecke gesessen und fleißig mitgeschrieben hatte. Gesagt hat er nicht viel, ab und an eine pfiffige Frage gestellt, und als der Brautag vorbei war, hat er sich, wie die anderen Mitarbeiter auch, ins Wochenende getrollt.

Jahre später bekomme ich von ihm eine Nachricht, und stolz berichtet er mir, er habe sich erfolgreich um einen Laufbahnwechsel beworben, sei jetzt in der Ausbildung zum Offizier, und er habe das Brauen mittlerweile zu seinem Hobby gemacht.

Erneut gingen ein paar Jahre ins Land, und wieder bekomme ich eine Nachricht von ihm: Er habe mittlerweile sein Studium der technischen Informatik an der Universität der Bundeswehr fast beendet, und im Rahmen seiner Bachelor- und seiner Masterarbeit nicht nur eine Brauerei konstruiert, sondern sie sogar in Betrieb genommen und die komplette Steuerung dazu programmiert. Die sei jetzt fast schon so eine Art Thermomix für den Hausbrauer. Ob ich nicht mal Lust hätte, mir die anzusehen? Und um dieser Nachricht Nachdruck zu verleihen, kommt sie in Paketform und enthält auch zwei Dosen des auf seiner Brauerei entstandenen Biers.

Das muss ich mir nicht zweimal sagen lassen, und am 11. Dezember 2021 treffen der mittlerweile zum Oberleutnant beförderte Herr L. und ich uns in Neubiberg im Labor für Kraftfahrzeugtechnik der Bundeswehruniversität.

das Herzstück der Masterbrewery

Da stehen sie nun vor mir, die drei Edelstahltöpfe der Masterbrewery. Sorgfältig verrohrt und verschlaucht, mit Pumpen, Messfühlern, Durchflusssensoren, Ventilen und Steuerelektronik. Dahinter hängt ein großer Flachbildschirm mit dem Bedienermenü, auf dem Tisch steht ein Laptop und dahinter ein breit grinsender junger Oberleutnant.

Seine Finger fliegen über die Tastatur, und auf dem Bildschirm öffnen sich die Menüs. Geben Sie hier die Daten ihres Malzes ein, hier die ihres Hopfens und dort die der Hefe. Ob Alphasäurewerte, Kolbachzahlen, Isomerisierungsraten oder Hefezellaktivität – für jeden Parameter gibt es ein passendes Feld. Und wenn möglich, dann bitte auch die Wasserdaten. Karbonathärte, Nichtkarbonathärte, Restalkalität. Was auch immer.

Und dann – welches Bier hätten Sie denn gern? Ein India Pale Ale? Oder lieber ein Stout? Die Benutzerführung öffnet sich: Schroten Sie x kg von Malz y, geben Sie es in Behälter 1 und los geht’s. Ich höre Pumpen surren, Ventile klacken und Wasser rauschen.

Leitungen, Schalter und Ventile

„Ich schalte jetzt aber lieber wieder ab – Sie haben ja heute nicht so viel Zeit, als dass wir einen kompletten Sud brauen könnten. Vielleicht kommen Sie aber im Sommer mal wieder?“, grinst Herr L. und fährt die Steuerung wieder runter.

„Haben Sie den Steuerrechner denn schon gefunden?“, fragt er mich. Ich sehe mich um. Das einzige rechnerähnliche im Raum ist eigentlich nur der Kabelkasten an der Wand. „Nee“, muss ich zugeben, und erneut grinst Herr L. breit. Er deutet auf ein kaum zigarettenschachtelgroßes Kästchen, das unscheinbar auf dem Fensterbrett liegt. „Läuft alles auf dem Raspberry Pi. Der Hosentaschenrechner.“

Ich bin beeindruckt, und wir setzen uns an den kleinen, wackeligen Tisch vor dem Sudwerk. Er studiere ja technische Informatik, erzählt Herr L., beziehungsweise habe es studiert, mittlerweile sei er ja fertig und würde bis Ende des Jahres die Universität verlassen. Und da sei ein Professor auf ihn zugekommen, habe gefragt, ob es stimmen würde, dass er Hobbybrauer sei, und nachdem er das bejaht hätte, habe er ihm gleich den Auftrag für die Bachelorarbeit gegeben: „Dann bauen Sie mal eine Kleinbrauerei mit selbst programmierter Prozesssteuerung!“

„Das beste Thema, das ich mir hätte wünschen können! Und vor allem: Wer hätte vor ein paar Jahren bei Ihrer Brauvorführung gedacht, was daraus noch alles wird?“

ein Gegendruckdosenfüller

Er kommt ins Erzählen. Nicht nur seine Bachelor- und seine Masterarbeit stünden hier im Raum. „Kucken Sie mal da“, deutet er auf eine Konstruktion aus weißem Kunststoff und gebürstetem Edelstahl. „Ein Dosenabfüller!“ Es erweist sich als Unikatkonstruktion der Braumanufaktur Werk 2 von Frank Hinkelmann. Bei den Gegendruckabfüllern für Flaschen ist Werk 2 quasi der Mercedes für den Kleinbrauer, und nun steht vor mir der einzige Gegendruckabfüller für Dosen von dieser Manufaktur. „Da haben sich auch schon ein paar Maschinenbaustudenten mit dran verwirklicht“, erzählt Herr L. „Hier ein paar Kunststoffteile aus dem 3D-Drucker, dort eine Änderung an der Zuführung, und hier müsste eigentlich als nächstes Projekt auch noch mal was gemacht werden …“

„Unser Professor ist da ganz umtriebig und lässt mir freie Hand“, fährt er fort. „Aber jetzt ist meine Zeit hier an der Uni vorbei, und ich hoffe, dass sich jemand anderes findet, der dieses Projekt weiter betreibt. Ideen hätte ich noch so viele …“

Wie so oft im akademischen Bereich geht es auch bei der Masterbrewery nicht darum, etwas kommerziell zu produzieren, sondern darum, den Studenten einen Auftrag zu erteilen, an dem sie ihr theoretisch erworbenes Wissen innovativ in die Praxis umsetzen können und damit beweisen, auf dem richtigen Weg zum Ingenieur zu sein. Wenn dabei auch noch leckere Biere herauskommen – umso besser.

ein Dosenetikettierer aus dem 3D-Drucker

„Hier, der Etikettierer für die Dosen ist auch ein Ergebnis einer Studienarbeit“, deutet Herr L. auf eine zweite Konstruktion. „Leider funktioniert er nicht störungsfrei. Die Idee dahinter ist klasse, aber die ingenieurtechnische Umsetzung noch verbesserungsfähig. Man müsste die ganze Konstruktion vielleicht um 90° kippen, dann würde das pneumatische Ansaugen der Etiketten und die Zuführung besser funktionieren.“

„Und in einem weiteren Projekt könnten wir dann den Dosenfüller und den Etikettierer koppeln, und zwar sowohl mechanisch als auch von der Prozessteuerung her. Das gäbe wieder genug Stoff für eine Studienarbeit.“ Herr L. sprudelt über vor Ideen. Wenn man ihn machen ließe, dann stünde in ein paar Jahren in diesem kleinen Raum eine vollelektronisch gesteuerte, vollautomatisierte Kleinbrauerei, die alle Studenten der Uni problemlos mit eigenem Bier versorgen könnte.

„Und dürft Ihr das Bier auch ausschenken? Wie läuft das dann mit der Biersteuer?“, frage ich – nach Jahrzehnten des Hobbybrauens mit der deutschen Bürokratie nur zu gut vertraut.

„Alles offiziell angemeldet. Die Sude werden korrekt versteuert, und das Bier wird nicht verkauft, sondern nur verschenkt. Selbst die Präsidentin der Uni war schon hier und hat ein Glas mit uns getrunken.“

der Kühlraum

Er dreht sich zum mit Tafelfarbe tiefschwarz gestrichenen Kühlraum um. Eine große, grüne Hopfendolde ist mit Kreide auf die Tür gemalt. „Das haben wir gestern noch extra für Ihren Besuch gemacht: Die Dolde mit dem Beamer auf die Tür projiziert und mit Tafelkreide abgemalt. Sieht gut aus, oder?“

Ich muss lachen. Dass mein Besuch hier so ernst genommen wird … „Aber ja doch, Herr Oberst! Wenn wir damals an diesem Freitagnachmittag nicht zusammen in der Teeküche gebraut hätten, wer weiß, wo meine noch kurze Karriere mich stattdessen hingeführt hätte? Ich habe das beste Thema bearbeitet, was ich mir vorstellen kann, und eine wunderbare Zeit hier an der Uni gehabt“, schwärmt Herr L.

Er drückt mir noch drei Dosen in die Hand. „Drei verschiedene Sude, zum Teil schon ein paar Monate alt, aber immer im Kühlraum aufbewahrt. Und weitestgehend sauerstofffrei abgefüllt – mit dem Gegendruckdosenfüller. Das Bier schmeckt immer noch prima! Verkosten Sie es bitte, und sagen Sie mir, wie Sie es gefunden haben!“

Der Bitte komme ich natürlich gern nach. Und nächstes Jahr finden wir mit Sicherheit im Frühjahr oder Sommer eine Gelegenheit, uns noch einmal hier in Neubiberg zu treffen. Dann bringe ich mehr Zeit mit, und dann werden wir gemeinsam einen Sud brauen – auf der Masterbrewery, dem Studienprojekt der Universität der Bundeswehr, im Labor für Kraftfahrzeugtechnik. Direkt neben den Panzerfahrgestellen.


Verkostungsnotizen

Masterbrewery – India Pale Ale – #Mosaic&Azacca (5,6%)

Das Bier ist kräftig gelb und leicht trüb; es entwickelt nicht übermäßig viel Schaum, allerdings bleibt dieser recht lang erhalten und hinterlässt beim Trinken schöne Trinkränder. Der Duft offenbart neben den nahezu ubiquitären Zitrus- und Pampelmusennoten der modernen Hopfensorten auch ein paar schöne harzige Aromen. Feine Terpene, wie sie in Tannen- oder Kiefernadeln auch vorkommen, rieche ich. Der Antrunk ist würzig. Auf der Zunge breitet sich eine schöne, nicht zu offensive Bittere aus, die eine schöne Basis für die retronasal nun stärker in den Vordergrund tretenden harzigen Aromen bietet. Fein – ein Bier, als würde ich im Frühjahr im ersten warmen Sonnenschein im noch feuchten Bergwald stehen. Der Abgang ist dann nicht mehr ganz so spektakulär. Rasch klingen Bittere und Aromatik ab und hinterlassen nur noch einen feinen, harzigen und kräuterigen Hauch. Schön!


Masterbrewery – Mosaic (5,6%)

Nach dem Öffnen der Dose schießt das Bier erstmal aus der Öffnung heraus und fließt über die Balkonbrüstung. Dann, beim vorsichtigen Einschenken, offenbart es seine Farbe: Ein leuchtendes Rostrot. Zunächst ist er klar, am Ende kommt aber noch ein sehr trüber Bodensatz aus der Dose und trübt das rötliche Bier ein. Der Schaum ist zunächst recht üppig, fällt aber rasch zusammen. Die Nase erschnuppert vorrangig harzig-würzige Aromen, im Hintergrund erspüre ich noch ein bisschen Fruchtaroma, das mich an dunkle, rote Früchte erinnert – reife Pflaumen, rote Stachelbeeren. Im Mund ist das Bier von Beginn an sehr hopfig, sehr herb, sehr harzig und bringt erneut die Aromen dunkelroter Früchte hervor. Dann kommt der Schluck. Retronasal werden die Hopfenaromen jetzt sehr kräftig und intensiv, gleichzeitig spüre ich im Rachen zunächst eine kräftige Bittere, die dann rasch von einer leicht alkoholischen Note und einer deutlichen Wärme im Hals ergänzt wird. Entweder hat das Bier mehr als die angegebenen 5,6%, oder es haben sich ein paar höhere Alkohole dazu gemogelt – wobei ich eigentlich keine spritigen Noten spüre. Nur die schöne Wärme.


Masterbrewery – Hybrid Pale Ale (5,6%)

Auch dieses Bier hat in seiner gelben Farbe einen leichten rostroten Stich, fast, als ob es mit eisenhaltigem Wasser gebraut worden wäre. Es ist leicht trüb und entwickelt einen schönen weißen Schaum, der beim Trinken gleichmäßige Ränder hinterlässt. Der Geruch ist ein bisschen metallisch und weist Noten von säuerlichen, grünen Früchten auf – frische, grüne Äpfel, unreife grüne Stachelbeeren und ähnliche. Der Antrunk ist spritzig und leicht säuerlich, und auf der Zunge machen sich sofort die säuerlichen Fruchtaromen breit. Im ersten Moment finde ich sie nicht unangenehm; nach einer Weile werden sie aber insbesondere retronasal zu aufdringlich und beeinträchtigen die Trinkbarkeit ein bisschen. Ich spüre eine ordentlich ausgeprägte Bittere und nach dem Schluck eine spritige, alkoholische Note, verbunden mit einem intensiven Wärmegefühl, die auch recht deutliche Akzente von Aceton, wie es im Nagellackentferner enthalten ist, entwickelt.

Bilder

Masterbrewery
Werner Heisenberg Weg 150
85 579 Neubiberg
Bayern
Deutschland

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