Online-Verkostung
Lieblingsbiere aus The Länd

jeweils zwei Biere in drei verschiedenen Bierstilkategorien

Der Biersommelier Frank Di Marco und die Baden-Württembergische Bierprinzessin Nina Witzemann stellen in einem lustigen und lehrreichen Abend in drei verschiedenen Kategorien jeweils ihr Lieblingsbier vor: Export, Weizen und Bockbier. Alle aus Baden-Württemberg. Aus dem Bundesland, das völlig ohne Not den wunderbaren Claim „Wir können alles außer Hochdeutsch“ zugunsten eines ziemlich dümmlichen aufgegeben hat: „Baden-Württemberg – The Länd“

Wahrscheinlich hat die Werbeagentur, die das verbrochen hat, ähnlich viel Geld dafür bekommen, wie die, die die Impfkampagne des Bundes mit Plakaten im Stil von Sanifair-Gutscheinen gestaltet hat. Puh!

Zum Glück sagt das aber nichts über die Qualität des heutigen wunderbaren und kurzweiligen Abends aus. Ganz im Gegenteil!

Veranstaltungs- und Verkostungstagebuch

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Pünktlich um 19:00 Uhr finden sich rund vierzig Teilnehmer vor mehr als dreißig Bildschirmen ein. Einige bekannte Gesichter sind dabei, aber auch viele neue Namen. Man verteilt sich über das ganze Bundesgebiet – der hohe Norden (Niedersachsen) ist genauso vertreten wie der äußerste Süden (Oberallgäu), und auch der „tiefe Westen, wo die Sonne verstaubt“ ist dabei.

Den Auftakt macht die Kategorie Export.

Schönbuch Braumanufaktur – Jäger Spezial – Export Bier (5,4%)

Das Bier stammt aus der Schönbuch Braumanufaktur in Böblingen. Es war in den sechziger, siebziger Jahren ein Alltagsbier im Ort; dem Zeitgeist entsprechend gerne auch schon zum zweiten Frühstück oder in der Mittagspause. Konsumgewohnheiten, die uns heute undenkbar erscheinen.

Dann ist es irgendwann vom Markt verschwunden und wurde vor fünf oder sechs Jahren neu aufgelegt. Ein schönes Trinkbier, gerne für den großen Schluck.

Das Bier leuchtet im Glas goldgelb und ist glanzfein, also stark filtriert. Der Schaum ist schön weiß, fällt aber erstaunlich schnell in sich zusammen und hinterlässt nur minimale Reste – gerade so viel, dass sich das Bier von Apfelsaft optisch unterscheidet. Ich stecke die Nase ins Glas und ziehe sie sofort wieder raus. Ein paar Schwefelnoten gefallen mir nicht so richtig. Der Antrunk versöhnt dann aber recht rasch. Süßlich und zuckrig, höchst durchtrinkbar, fließt das Bier über die Zunge und verschwindet im Rachen. Ein feines Bier zur raschen Erfrischung nach einem harten Arbeitstag, oder als Begleiter bei der Gartenarbeit an einem Sommerwochenende. Die Bittere wird dezent erst ganz zum Schluss erkennbar; gerade so viel, dass die Malzsüße nicht zu klebrig wirkt.

Ein schöner Anfang.

Lammbrauerei Hilsenbeck – Gruibinger Bier – Dorfbräu Export (5,2%)

Das zweite Bier in der Kategorie Export kommt aus der Lammbrauerei Hilsenbeck in Gruibingen, einer Brauerei, die seit 1728 besteht und sich seitdem durchgängig in Familienbesitz befindet. Der Namenswechsel vom Brauereigründer Allmendinger auf die jetzigen Hilsenbecks erfolgte durch Verwitwung und Neuheirat.

Das Bier ist ein wenig heller als das vorherige, aber ebenfalls glanzfein und mit einer etwas enttäuschenden Schaumstabilität. Der Duft ist süßlich und malzig, ebenso der Antrunk und der erste Eindruck auf der Zunge. Malznoten herrschen vor, die Süße geht ebenfalls ein bisschen ins Zuckrige. Ganz dezente Butternoten lassen auf einen Hauch Diacetyl schließen, sie sind aber nur retronasal ganz schwach zu spüren. Der Abgang ist weich und mild, ein paar leichte Fruchtester tauchen noch, und nach dem Schluck fühlt sich die Zunge noch ein bisschen belegt an.

Ein ebenfalls gut durchtrinkbares Bier, das aber in der anschließenden Abstimmung gegenüber dem Jäger Spezial aus Böblingen, das insgesamt harmonischer wirkt, unterliegt.

Wir wechseln den Bierstil und kommen zu den beiden Hefeweizen.

Bergbrauerei Ulrich Zimmermann – Berg Hefe-Weizen (5,1%

Die Bergbrauerei Ulrich Zimmermann im Ehinger Ortsteil Berg ist ein beliebtes Bier-Ausflugsziel. Schön gelegen, mit einem breiten Portfolio an Bieren, interessanten Brauereiführungen und Bestandteil eines Rundwanderwegs, entlang dessen man in Ehingen insgesamt fünf Brauerei besuchen kann – vier in der Stadt und eine, die Bergbrauerei, etwas außerhalb.

Das Bier ist für ein Hefeweizen überraschend hellgelb. Die Trübe ist schön gleichmäßig, der Schaum recht ordentlich. Der Duft ist klassisch bananig mit einem Hauch Aprikose, der Antrunk vollmundig und saftig, ein Eindruck, der vielleicht auch wegen der nicht ganz so hohen Spundung entsteht. Die einen sagen „so muss Weizen“, die anderen hätten lieber etwas nicht ganz so Deftiges zum Wegzischen. Nach dem Antrunk wird das Bier aber etwas schlanker, es entwickelt gar nicht so viel Süße, wie man im ersten Moment denkt. Stattdessen entfaltet sich eine feine und erfrischende Säure, und retronasal machen sich neben der Banane auch ein paar Ananas-Akzente bemerkbar. Im Abgang zeigt das Bier eine hefige Bittere.

Es ist Halbzeit. Obwohl alle sechs Flaschen mit Kronkorken verschlossen sind, entwickelt sich plötzlich eine Diskussion um den schönsten Flaschenverschluss. Kronkorken? Bügelverschluss? Oder gar der noch recht seltene Schraubverschluss? Alles hat seine Vor- und Nachteile. In einer spontan von Franks Tochter Hannah, die hinter den Kulissen im toten Winkel der WebCam fleißig vor sich hin werkelt, aufgesetzten elektronischen Abstimmung siegt der Kronkorken gegen den Bügelverschluss. Für den Schraubverschluss stimmt niemand. Auch wenn er praktisch ist, weil die Flasche dann wieder verschlossen werden kann – er ist offensichtlich nicht sexy.

Zwiefalter Klosterbräu – Weizen hefetrüb (5,2%)

Weiter geht’s mit dem zweiten Hefeweizen, und zwar aus der Zwiefalter Klosterbräu, einer Brauerei, deren Chef, Peter Baader, ich vor wenigen Monaten erst bei einer Veranstaltung habe persönlich kennenlernen dürfen. Nur neunzehn Kilometer Luftlinie sind es von Berg bis Zwiefalten, aber so nah die beiden Brauereien auch beieinanderliegen, so unterschiedlich sind die Biere.

Das Zwiefalter ist deutlich dunkler, ebenfalls schön gleichmäßig trüb, und es entwickelt einen üppigen und lange haltbaren Schaum. Die Bananennoten wirken dezenter, das Bier bereits beim Schnuppern spritziger. Der Antrunk bestätigt das. Die höhere Spundung macht das Bier frischer, schlanker und durchtrinkbarer. Eher ein Bier zum Zischen als eines zum Genießen. Es hat fast keine spürbare Bittere, ist aber auch etwas eindimensionaler als das vorherige Bier.

Die Eindimensionalität ist es wohl, die in der folgenden Abstimmung das Berg-Bier gegenüber dem Zwiefalter gewinnen lässt.

Bevor wir uns jetzt an den Schlussspurt wagen und die beiden Bockbiere verkosten, legen Frank und Nina eine kleine Pause ein. Mal ein Glas Wasser zu trinken (oder zu entsorgen …) ist vielleicht keine schlechte Idee. Ein paar Stückchen dunkle Schokolade zu holen, um sie dann mit den dunklen Bockbieren kombinieren zu können, auch nicht.

Als besonderer Gast wird jetzt Katharina Haizmann von der Hochdorfer Kronenbrauerei zugeschaltet. Mit guter Laune und erfrischender Ausstrahlung stellt sie ihre Brauerei vor, berichtet von den Schwierigkeiten durch die Pandemie, aber auch von den vielen Anstrengungen, insbesondere auf dem Gebiet der Nachhaltigkeit, Regionalität und CO2-Neutralität – wofür die Brauerei unter anderem 2019 mit dem Mehrweg-Innovationspreis der Deutschen Umwelthilfe ausgezeichnet worden ist.

Hochdorfer Kronenbrauerei – BarbaraBock (8,5%)

Der von Katharina so plastisch beschriebene BarbaraBock ist dann auch das nächste Bier in unseren Gläsern. Das Bier schimmert in einem Kastanienbraun mit schönen Rottönen; der Schaum hält sich sehr zurück. Der Duft ist rund und voll, kräftig malzig mit ein paar feinen Schokoladenaromen. Vom Antrunk bis zum Abgang bleiben diese Eindrücke in bester Harmonie bestehen. Eine runde Fülle, kräftiges Malz, ein bisschen Schokolade, ein Hauch Karamell. Was kaum zu spüren ist, das ist eine ganz dezente Hopfenbittere am Ende; was überhaupt nicht zu spüren ist, das ist der Alkohol. Was für ein gefährliches Bier also!

Letzteres bestätigt Katharina lachend und berichtet von den Erfahrungen beim Anstich dieses herrlichen Bocks und seiner überraschenden Wirkung.

Die schwarze Schokolade, die wir uns in der Pause aus dem Schrank geholt haben, passt perfekt zu diesem harmonischen Winterbier.

Wir beginnen, über die Lagerung derartiger Biere zu diskutieren. Die Hochdorfer Kronenbrauerei gibt für den Bock sage und schreibe zwei Jahre als Mindesthaltbarkeitsdatum vor, es ist aber noch wesentlich länger lagerfähig – beginnt dann aber, seinen Charakter langsam und sanft zu verändern. Honig- und Sherrynoten kommen hinzu, die zu diesem Bier aber wunderbar passen.

„Und Eisbock kann man draus machen“, stellt Nina fest und hält eine PET-Flasche vor die Kamera, mithilfe derer sie einiges Wasser aus dem BarbaraBock ausgefroren und den Rest in ein Glas gefüllt hat. „Ein so runder und malziger Bock bringt dann geradezu einen Bierlikör hervor!“

Lehner Bräu Rosenfeld – Winterbock (7,1%)

Das letzte Bier des heutigen Abends kann mit dem dunklen BarbaraBock nicht so recht mithalten, es spielt allerdings als einfacher Bock auch in einer anderen Kategorie als der Doppelbock. Lehner ist eine Marke des Brauhaus Zollernalb in Rosenfeld, verrät uns das Etikett. Das Brauhaus ist eine klassische Gasthausbrauerei, auf deren Kupferkesseln die Biere entstehen, die direkt vor Ort getrunken werden; darüber hinaus verfügt die Brauerei aber auch über eine weitere Braustätte, das Lehner-Bräu-Sudhaus, auf denen weitere Biere der selben Marke entstehen.

Wo Dominik Reger, der Bräu in Rosenfeld, den Winterbock nun eingebraut hat, das geht aus dem Etikett nicht hervor, und auch die beiden Gastgeber, Frank und Nina, wissen es nicht.

Das Bier funkelt dunkelrötlichbraun, ist klar und entwickelt zunächst einen schönen Schaum, der nach einigen Minuten allerdings wieder verschwindet. Der feine und malzige Geruch enthält ein paar zarte zitronige Tupfer, die mich an Zitronenmelisse erinnern, die aber auch rasch wieder verfliegen. Der Antrunk ist mild, und auf der Zunge entwickelt sich dieses Bier schön karamellig. Süßliche Schokoladennoten (Vollmilchschokolade) gefallen ebenso wie der weiche, von nahezu keiner Bittere begleitete Abgang. Angenehm trinkbar.

Im direkten, ungleichen Wettbewerb mit dem BarbaraBock belegt der Winterbock nur den zweiten Platz; beide Biere sind, jedes auf seine Art, gleichwohl vorzüglich.

Ein schöner Abschluss des heutigen Verkostungsabends, und die Teilnehmer sind in ihren Wortmeldungen auch voll des Lobes. Aus dem „Müssen wir unbedingt wiederholen“ entwickelt sich rasch eine Diskussion, unter welches Leitthema denn die nächste Online-Verkostung gestellt werden könnte. Gefühlt tausend Ideen werden in die Runde geworfen. „Bayern gegen Franken“, „Bundesligaverkostung – achtzehn Städte, achtzehn Biere“, „Allgäu gegen Baden-Württemberg“ oder „Bierstadt Dortmund gegen die schwäbischen Brauer“ – Themen gibt es genug für die nächsten Jahre. Jetzt liegt es an Frank und Nina, welche davon sie aufgreifen und in die Tat umsetzen werden.

Hoffentlich möglichst viele, und hoffentlich möglichst bald!

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