Mitbringsel
aus Franken

„Du, sag‘ mal, wo bekomme ich denn die Biere vom BernardiBräu am besten zu kaufen? Ich möchte ein paar Proben nach Franken mitnehmen“, fragt mich unser lieber Nachbar, der Herr B., im Treppenhaus.

„Och, heute am besten von mir, ich fahre nämlich gleich zum Weißwurstfrühstück in die Brauerei, und da bringe ich Dir eine schöne Mischkiste mit, die auch die bierverwöhnten Franken zu schätzen wissen“, antworte ich grinsend.

Gesagt, getan. Herr B. nimmt als Bierbote eine Mischkiste BernardiBräu mit ins gelobte Bierland, und drei Tage später steht als kleines Dankeschön ein Sixpack mit Bieren aus Franken auf meinem Schreibtisch. „Mein Vater hat Bier aus lauter kleinen Brauereien rausgesucht“, lautet die begleitende WhatsApp-Nachricht.

Brauerei Göller „Zur alten Freyung“, Aufsesser Brauerei Frank Rothenbach, Schlossbrauerei Reckendorf, Brauerei Kundmüller, Hübner Bräu und Braumanufaktur Hertl – na, wenn das keine guten Biere sind! Das werden sechs schöne, kleine Verkostungen, auf die ich mich bannig freue.

Bier-Bilderbuch

Verkostungsnotizen

Brauerei Göller „Zur alten Freyung“ – Brotzeitseidla; Aufsesser Brauerei Frank Rothenbach – Aufsesser Seidla Hell; Schlossbrauerei Reckendorf – Reckendorfer Edel-Pils

Brauerei Göller „Zur alten Freyung“ – Brotzeitseidla (4,3%)

Die Geschichte der Brauerei Göller geht zurück bis ins Jahr 1514 – sie ist älter als das sogenannte „Reinheitsgebot“. Seit 1908 ist sie im Besitz der Familie Göller, und seit kurzem wird sie von den drei Brüdern Fritz, Max und Felix geführt. Der Name Brauerei Göller „Zur alten Freyung“ erinnert an ihre jahrhundertealte Geschichte.

Das Bier ist ansprechend strohgelb, glanzfein und trägt eine schneeweiße, kremige Schaumkrone, die schön lange hält. Der Duft ist neutral herb mit einem Hauch einer metallischen Note im Hintergrund. Der Antrunk ist spritzig, feinherb, und er leitet harmonisch über zu einem nur dezent malzigen und ebenso dezent hopfigen Mundgefühl. Retronasal spüre ich feine Malznoten, ein bisschen getreidig, ein bisschen an Brotteig erinnernd. Im Abgang bleibt dieses Bier so schön harmonisch – eine feine Herbe kleidet den Rachen aus und macht Lust auf den nächsten Schluck; feine Biskuitaromen des Malzes dampfen noch ein wenig aus, und ganz am Ende spüre ich noch einmal den metallischen Hauch. Schön durchtrinkbar.

Aufsesser Brauerei Frank Rothenbach – Aufsesser Seidla Hell (4,9%)

Der Brauereigasthof Rothenbach, auch als Aufsesser Brauerei, bekannt, liegt in Aufseß – im Dorf mit der rechnerisch höchsten Brauereidichte der Welt. Auf ca. 1400 Einwohner (in allen Ortsteilen zusammen) entfallen vier Brauereien (auch in allen Ortsteilen zusammen). Gar nicht schlecht, oder? Für jeweils 350 Einwohner eine eigene Brauerei? Und eben von hier kommt das Helle, das vor mir steht.

Das Bier ist herrlich goldgelb und glanzfein – aber was ist denn das? Der Schaum entwickelt sich nur zaghaft und zerfällt nach einer Minute schon wieder? Ähnlich zaghaft wirkt im ersten Moment der Duft. Eine schwache metallische Note im Hintergrund; davor, kaum stärker, ein Hauch kräuterige Zitronenmelisse. Der Antrunk ganz dezent pfeffrig, aber nur gering gespundet, auf der Zunge dann sanft-malzig, mit einem Hauch von retronasal zu riechenden Kräutern, und dann ein verhuschter Abgang. War da gerade etwas? Ein Bier, das strumpfsockig und auf Zehenspitzen durch den Raum schleicht und lautlos wieder verschwindet. Ich warte auf den Legostein, auf den es tritt, aber es kommt nichts. Es bleibt gespenstisch zart und ruhig. Aber ist das jetzt schlimm? Nein, überhaupt nicht. Es ist halt ein Bier, das nicht bewusst verkostet und genossen werden will, das nicht im Mittelpunkt der abendlichen Stammtischdiskussion stehen möchte, sondern das einfach nur da ist. Nebenbei getrunken werden kann. In kleinen Schlucken, um die von großen Reden trocken gewordene Zunge zu benetzen. Oder in tiefen Zügen, um nach des Tages harter Arbeit den ersten Durst zu löschen. Einfach nur ein Bier.

Schlossbrauerei Reckendorf – Reckendorfer Edel-Pils (4,8%)

Seit 1597 wurde im Schloss Reckendorf gebraut. Mindestens. Und gebraut wird bis heute, wenn auch nicht mehr im Schloss Reckendorf. Denn das gibt es nicht mehr. Es wurde mehrfach geplündert und zerstört, und im Laufe des 19. Jahrhunderts einfach verfallen lassen. So lange, bis es kurzerhand abgetragen wurde und außer der Brauerei und der dazugehörigen Gastwirtschaft nichts mehr übrigblieb. Wenigstens die gibt es aber zum Glück immer noch. – So in etwa berichtet es die Website der Schlossbrauerei Reckendorf.

Die goldgelbe Farbe und das blitzblank gefilterte Bier lassen den Berg im Glas so richtig schön leuchten. Schneebedeckt ist er, der Berg, jedenfalls ist das die erste Assoziation, die mir zu der perfekt schneeweißen, stabilen, unendlich lange haltbaren und schöne Trinkränder hinterlassenden Schaumkrone einfällt. Ideale Pils-Optik. Der Duft ist zunächst etwas zurückhaltend neutral herb mit einer feinen metallischen Note, aber später, als das Bier sich etwas erwärmt, kommen angenehme heuartig-kräuterige Aromen hinzu. Nicht zu aufdringlich, aber schön: Sie erinnern an eine am Vortag gemähte Allgäuer Wiese im der warmen Vormittagssonne. Der Antrunk ist spritzig frisch, und auf der Zunge breitet sich in Nullkommanix eine kernige Bittere aus, die hervorragend zum schlanken Körper dieses Biers passt. Retronasal spüre ich wieder die frisch gemähte Allgäuer Wiese. Nach dem Schluck klingt die Bittere nur langsam ab, bleibt dabei aber angenehm weich. Der Gaumen wird ein bisschen trocken, macht Lust auf den nächsten Schluck, und letzte Heuaromen begehren noch einmal für einen kurzen Moment auf. Da sag noch mal einer, die Franken könnten kein Pils brauen!

Brauerei Kundmüller – Weiherer Urstöffla; Hübner Bräu – Vollbier; Braumanufaktur Hertl – Mutti’s Sonnenschein – Die Helle

Brauerei Kundmüller – Weiherer Urstöffla (5,2%)

Weiher – ein winziges Dörfchen im Bamberger Raum mit gerade mal 100 Einwohnern oder so. Vielleicht sind’s auch bloß 99. Aber die Brauerei Kundmüller, die den kleinen Ort geradezu dominiert, die hat es in sich: Es ist eine auf nationalen wie internationalen Bierwettbewerben regelmäßig außerordentlich erfolgreiche Brauerei, die sich gleichermaßen auf klassische fränkische Bierstile wie beispielsweise das Weiherer Urstöffla, ein einfaches Dunkles, versteht wie auf kreative neumodische Bierstile oder gar fassgereifte Edelbiere. Das Urstöffla steht jetzt vor mir und strahlt mich in der tiefstehenden Abendsonne an.

Ein rundes und volles Kastanienbraun schmeichelt dem Auge. Das glanzfeine Bier trägt eine recht üppige, leicht beigefarbene Schaumkrone, die zwar recht schnell an Volumen verliert, in Resten dann aber lange hält und schöne Trinkränder hinterlässt. Der Duft ist rund und malzig mit leicht brotigen Noten. Ganz weich und rund fließt das recht niedrig gespundete Bier auf die Zunge, präsentiert dort einen schönen Malzkörper mit einer deutlichen, aber nicht aufdringlichen Restsüße, die das Bier nahrhaft, aber nicht zu sättigend und ermüdend wirken lässt. Ebenso weich und rund bleibt es auch im Abgang: Sanft, seidig fließt es durch den Rachen. Die Schlucke möchten immer größer werden – das Bier erzeugt eine gewisse Gier nach mehr. Höchste Durchtrinkbarkeit! Oder, wie es der Franke vielleicht ausdrücken würde: „‘s laafd!“

Hübner Bräu – Vollbier (5,0%)

Die kleine Hübner-Bräu in Steinfeld – eine ursprüngliche Dorfbrauerei irgendwo am Ende der Welt im Tal der Wiesent. Lange Jahre von Otto Hübner geführt, der mit seiner rotkarierten Schottenmütze ein echtes Original war, so dass auch das Bier von den Einheimischen stets als Otto-Bier bezeichnet wurde. 2003 hat er die Brauerei an seinen Neffen Thomas Will übergeben und fortan bis zu seinem Ableben in der Brauereigaststätte mit angefasst und die unerfahrenen Gäste gewarnt: Mitten durch die Gaststube zieht sich nämlich ein in der Heizperiode glühend heißes Ofenrohr, an dem sich schon mancher Trinker üble Verbrennungen zugezogen hat, wenn er sich hier gedankenlos abstützen oder festhalten wollte.

Das Vollbier ist das Standardbier dieser kleinen Brauerei. Ein simples Etikett, ein simpler Brauereiname, eine simple Bierbezeichnung. Es zeigt eine schöne Kupferfarbe, ist blank filtriert und entwickelt eine zurückhaltende Schaumkrone, die zwar rasch zerfällt, deren Reste sich dann aber ewig lang halten. Der Duft ist ein bisschen malzig, ein bisschen karamellig, und er leitet harmonisch über zu einem ebenso malzigen und karamelligen, weichen Antrunk. Die geringe Spundung lässt mich gleich einen großen Schluck nehmen – das Bier läuft herrlich über die Zunge. Die Karamellnoten werden retronasal ein bisschen präsenter, der Malzkörper ist angenehm, aber weder zu kräftig noch zu süß. Stattdessen spüre ich einen leicht mineralischen, kernigen Charakter dieses Biers, der sich in Richtung Abgang auch noch ein wenig verstärkt. Erneut ein Bier, das zu tiefen Zügen einlädt – perfekt durchtrinkbar.

Braumanufaktur Hertl – Mutti’s Sonnenschein – Die Helle (4,9%)

Die Braumanufaktur Hertl – der kleine Betrieb des Brauers mit der großen Klappe: David Hertl ist „Braumeister mit Leib und Seele in der kleinsten und verrücktesten Brauerei Frankens“, wie er selbst sagt. Er ist Dorn im Auge des Bayerischen Brauerbunds, weil er ständig mit Zutaten jenseits des sogenannten „Reinheitsgebots“ herumexperimentiert. Zur Not, wenn ihm die lokalen Behörden wieder dumm kommen, fährt er halt rüber nach Tschechien, braut dort und reimportiert das unbayerische Bier wieder in seine Heimat. Zum Ärger der Behörden ist das sogar völlig legal! Aber David kann auch normal, und das vor mir stehende Helle ist der Beweis dafür. Ein klassisches Helles, allerdings unfiltriert.

Also, die Farbe schaut jetzt nicht so wirklich einladend aus – ein blasses, etwas graustichiges Gelb und eine gleichmäßige Trübe. „Viel Eiweiß in dieser Urinprobe“, würde der Arzt sagen. Auch der direkt nach dem Einschenken noch schön anzusehende weiße Schaum vermag nicht zu überzeugen: Augenblicke später ist er fast völlig verschwunden. Aber mit dem Duft beginnend wird es deutlich besser: Sortentypisch ist der Geruch insgesamt sehr dezent. Feine Malznoten kann ich identifizieren, einen Hauch von Getreide und eine winzige, aber wirklich nur winzige Ahnung von Schwefel. In dieser Minimalkonzentration geeignet, dem Bier eine leichte Fülle zu geben, ein bisschen mehr Substanz. Nicht so mit dem Hammer auf den Riechkolben, wie die Schwefelschwaden der großen Münchner Privatbrauerei, sondern ganz, ganz dezent. Der Antrunk ist angenehm weich und mild. Das Bier läuft rund und mit einer leichten Restsüße auf die Zunge, setzt dort erneut feine Malz- und Getreidenoten frei – diesmal retronasal – und auch der Schwefel lässt sich ganz im Hintergrund kurz blicken. Dann geht es sanft und weich in einen unspektakulären Abgang über. Nahezu keine Hopfenherbe, eigentlich auch keine spürbaren Hopfenaromen, sondern einfach nur ein glatter Schluck, und dann, aufgrund des raschen Abklingens, die Frage: War da was? Schnell noch einen Schluck nehmen, um das zu überprüfen! Und dann noch einen. Und einen weiteren … Auch so geht Durchtrinkbarkeit!

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