La Calavera
St. Joan Abadesses
ESP

Ein paar Tage ist es erst her, dass ich auf dem Mon Petit Festival 2022 in Stuttgart war und dort den Stand der kleinen Brauerei La Calavera entdeckt hatte. Dem Konzept des Festivals folgend, gab es keine Riesenauswahl zu verkosten, sondern je Brauerei nur ganz wenige handverlesene Spezialitäten. Aber Brauereien gab es sehr viele. Ein gewisser Druck also, ständig von einer Brauerei zur nächsten zu wechseln.

Trotzdem habe ich mich am Stand von La Calavera ein Weilchen lang aufgehalten und mit Marc Baulida, einem der beiden Gründer der Brauerei, gesprochen. Als er mir am Ende des Gesprächs sagte, dass die Brauerei im Nordwesten Spaniens nicht weit von Girona läge und er sich freuen würde, wenn ich die Brauerei mal besuchen würde, dachte ich nicht, dass ich nur zweieinhalb Wochen später dort in der Halle stehen würde.

Der Zufall hat es so gewollt. Ziemlich spontan sind meine holde Ehefrau und ich in den diesjährigen Urlaub aufgebrochen. Ohne ganz festes Ziel, irgendwo entlang der Pyrenäen sollte es gehen, und als wir das erste Mal durch Girona bummelten, stand der Entschluss fest: Morgen fahren wir mal bei La Calavera vorbei.

das Mural weist uns den Weg

Die große Halle im Gewerbegebiet ist nicht unbedingt schön anzusehen, aber das bunte Mural zeigt uns schon von weitem, dass wir hier richtig sind. Ich drücke die Tür auf und stehe mitten in der Produktionshalle, mitten im Durcheinander der täglichen Arbeit. Marc ist nicht da, aber der Verweis auf das Gespräch mit ihm öffnet die Herzen der beiden anwesenden Kollegen.

2011 habe alles mit einer kleinen Hobbybrauerei auf einem Bauernhof begonnen, erfahre ich, aber mittlerweile hätten die beiden Gründer, Mikel Mendizabal und Marc Baulida, die Produktion hier in die Halle verlegt, es würden mittlerweile schon ‘zig Hektoliter pro Jahr produziert, und das Besondere an den Bieren sei, dass es immer wieder neue, innovative Biere seien, die hier entstünden. Klar sei das eine oder andere Trinkbier dabei, aber in erster Linie seien es exklusive Spezialitäten, fassgereift, in vorbelegten Fässern ausgebaut, leicht und dezent bis kräftig und intensiv sauer, sorgfältig geblendet und immer wieder auch in Kollaborationen mit anderen befreundeten Brauern hergestellt.

Sudhaus und Gärkeller in einem

Ob ich denn auch ein paar Flaschen mitnehmen wollen würde, oder ob ich nur zum Kucken gekommen sei, lautet nach einer Weile die stichelnde Frage.

„Nee, natürlich will ich von jeder Sorte eine Flasche mitnehmen, und von den exotischen und lagerfähigen gleich mehrere, so dass ich auch ein paar Freunde mitversorgen kann“, antworte ich und ernte ein breites Grinsen. „Pass auf, während er Dir ein paar Kartons zusammenpackt, zeige ich Dir noch unsere neueste Errungenschaft“, schlägt einer der beiden – die Namen habe ich mir leider nicht gemerkt – vor und zieht mich mit sich.

Ich trotte ihm hinterher, und wir laufen ein paar Schritte durch das kleine Gewerbegebiet bis zu einer benachbarten Halle. „Hier reifen unsere Biere in den vorbelegten Fässern“, sagt er und schiebt das Hallentor auf. Ich staune: Einige Dutzend Fässer stehen hier, sorgfältig mit Kreide beschriftet. „Das ist eine Rieseninvestition und große Kapitalbindung“, erzählt mir der junge Mann und berichtet davon, dass es eine Herausforderung gewesen sei, gerade auch unter den Pandemiebedingungen die Fassreifung so zu erweitern. Aber jetzt hätten sie so viele Fässer, dass in den kommenden Jahren immer wieder neue und spannende Biere entwickelt und geblendet werden könnten, heißt es weiter. „Du musst also unbedingt nächstes oder übernächstes Jahr wiederkommen!“

eine große Halle nur für die Fassreifung

Wir bummeln wieder zurück ins Sudhaus. Dort stehen mittlerweile drei große Kartons. Neunzehn verschiedene Sorten Bier, und von den fassgereiften und lagerfähigen gleich ein paar Flaschen mehr. Eine der neunzehn Sorten nimmt der etwas ältere Brauer noch einmal aus dem Karton: „Das hier ist Fruits of the Doom, das ist gerade erst testhalber abgefüllt worden. Wir haben noch kein Etikett und warten noch auf die Laborergebnisse bezüglich Alkoholgehalt und so. Aber die ähnlichen Batches hatten immer so um die 6,3%. Nimm’s mit und wundere Dich nicht über den kleinen Aufkleber statt eines Etiketts.“

Sorgsam verstaue ich die Kartons im Kofferraum. Der Urlaub fängt erst an, aber der für Bier vorgesehene Stauraum ist bereits zu 90% gefüllt. Das kann ja heiter werden …

„Grüßt mir Marc ganz herzlich von mir!“, bitte ich die beiden noch.

„Klar, abgemacht. Und Du kommst nächstes oder übernächstes Jahr wieder“, heißt es zum Abschied. Ausreden gebe es keine. Fröhlich winkend schauen uns die beiden nach, wie wir aus dem Gewerbegebiet wieder auf die Durchgangsstraße fahren. Hinten im Kofferraum höre ich leises Klimpern der Flaschen, und vor mir sehe ich die kahlen Gipfel der Pyrenäen. Es werden noch weit über 2000 km sein, die die Flaschen hinten verbringen müssen, bis sie daheim in den Kühlschrank wandern und dann verkostet werden können.

Ein netter Besuch!

Die vorwiegend auf Sauerbiere und fassgereifte Biere spezialisierte Brauerei La Calavera ist 2011 gegründet worden und hat hier im Gewerbegebiet von St. Joan de les Abadesses einen reinen Produktionsbetrieb mit Rampenverkauf; kein Taproom, keine Bar, kein Restaurant. Zu erreichen ist sie eigentlich nur mit dem Auto, von Girona oder Figueres aus ist es eine etwas mehr als einstündige Fahrt.

Bilder

La Calavera
Poligon Ind. Cal Gat, 25
17 860 St. Joan de les Abadesses
Spanien

Und weil die Biere gar so spannend und abwechslungsreich waren, gibt es hier auch ausführliche Verkostungsnotizen zu allen neunzehn Sorten:

Verkostungsnotizen

Fruits of the Doom [Testabfüllung]; Bretternity – Sour Grape Saison Aged in Wine Barrels; Alice the Dog – India Pale Ale; Profound – Imperial Stout Aged in Islay Peated Whisky Barrels; Walking Coelliacs – Pale Ale Gluten Free; Sometimes I Philly – Fruited Sour with Blueberry, Fermented with Lachancea SPP

La Calavera – Fruits of the Doom [Testabfüllung]

Eine ganz besondere Flasche: In der Brauerei La Calavera in Nordspanien ist dieses Bier schon mal probehalber abgefüllt worden. Ein richtiges Etikett gibt es noch nicht. Ein Alkoholgehalt steht auch noch nicht auf dem kleinen Aufkleber. Vielleicht wartet man noch auf die Laborergebnisse. Aber ein Mindesthaltbarkeitsdatum, das gibt es schon: Bis Mai 2027. Fünf Jahre also noch. Es gab früher schon ein paar Batches dieses Biers, und da hatte es 6,3% Alkohol.

Das mit Weizen gebraute, im Weinfass ausgebaute und mit Himbeeren versetzte Bier leuchtet hibiskusrot und fast klar, nur leicht opalisierend, in der Sonne. Schaum bildet sich fast überhaupt nicht, und Sekunden nach dem Einschenken steht das Bier da wie ein Glas Früchtetee. Muss man ja mögen, diesen optischen Eindruck. Der Duft ist säuerlich-herb mit pferdedeckenartigen Aromen, die schon beim Schnuppern den Speichel im Mund zusammenlaufen lassen.

Der Antrunk ist sauer, aber trotzdem noch weich – eine in eine schön weiche und runde Matrix eingebettete Säure. Noch nicht so viskos wie bei einem Balsamico, aber genauso weich. Auf der Zunge macht die Säure sich breit. Speichel schießt aus den Drüsen in den Wangen. Gleichzeitig steigt eine ledrige, herbe Aromatik auf, die retronasal deutlich zu spüren ist und den Speicheleffekt weiter verstärkt. Ich komme mir vor wie Pawlows Hund beim Klingelton. Aber es ist mehr als nur die Säure. Holzige, leicht adstringierende Aromen kommen hinzu und ein paar sehr angenehme Früchte – Sauerkirsche, Himbeere und vielleicht noch ein Hauch rote Johannisbeere im Hintergrund. Von Schluck zu Schluck scheint die Säure weniger prägnant – ich gewöhne mich daran. Adaption heißt dieser Prozess. Und je stärker die Säure (subjektiv!) abklingt, um so komplexer wird die Wahrnehmung der Aromen. Holz, Leder, Vanille, Bittermandel, Marzipan – was zunächst disharmonisch erscheint, entwickelt sich zu einer schönen Aroma-Euphonie. Nach dem Schluck kommen noch eine feine Viskosität auf den Schleimhäuten und ein leichtes Säure- und Wärmeempfinden in der Speiseröhre hinzu. Alles sehr komplex.

La Calavera – Bretternity – Sour Grape Saison Aged in Wine Barrels (7,4%)

Beim Bretternity handelt es sich um ein eher kompliziertes Bier. Ein Saison, versetzt mit Trauben, leicht sauer und mit Brettanomyces-Hefen und schließlich auch noch in Rot- und Weißweinfässern gelagert und ganz am Schluss verschnitten. So viel Arbeit kann in einer einzigen Flasche Bier stecken.

Beim Einschenken fällt sofort auf: Das Bier entwickelt keinen Schaum. Nicht wenig Schaum, sondern gar keinen Schaum. Es sieht im Glas aus wie Apfelsaft. Golden in der Farbe, schön blank und klar, und Null Schaum. Der Geruch ist zunächst deutlich weinig. Frisch-fruchtige Noten eines leichten Weißweins paaren sich mit ein paar dezenten, eher holzig wirkenden Akzenten eines Rotweins. Ganz entfernt dahinter ein paar ledrige, erdige Noten, die aber nur ganz verhuscht einmal durch das Bild flitzen. Der Antrunk ist dann erstmal kräftig säuerlich, bietet aber auch noch ein bisschen eine traubenartige Süße. Auf der Zunge machen sich Süße und Säure gleichermaßen breit (und untereinander Konkurrenz). Mal überwiegen Aromen und sensorische Erlebnisse, die an Traubensaft oder jungen Wein erinnern, dann wieder wird die Säure deutlicher, ein paar Fassaromen kommen zum Vorschein. Wenn ich das Bier eine Weile im Mund behalte, wogt dieser Wettbewerb eine ganze Weile hin und her. Irgendwann verliere ich die Geduld und schlucke, und schlagartig gewinnt die Säure die Oberhand. Sie zieht die Schleimhäute hinten am Gaumen und im Rachen zusammen, gleichzeitig werden ein paar ledrige Aromen (Brettanomyces?) freigesetzt, und an den Innenseiten der Wangen beginnen die Speicheldrüsen, fleißig einzuschießen. Ein hochinteressantes Aromenspiel auf der Zeitachse. Am Ende bleiben nur noch ein feines, nicht unangenehmes Wärmegefühl und ein leicht saurer Eindruck im Bereich des Kehlkopfes, der auch die Stimme vorübergehend etwas rau macht.

La Calavera – Alice the Dog – India Pale Ale (7,5%)

Die Brauer von La Calavera sind zwar für ihre fassgereiften und kontrolliert gesäuerten Biere bekannt und beliebt, aber sie können auch normal. So normal, wie ein India Pale Ale halt ist …

Das Bier ist ganz dunkelgelb, fast schon kupferfarben, und gleichmäßig trüb. Der ganz leicht beigefarbene Schaum entwickelt sich angemessen und erweist sich als recht stabil. Der Duft ist für ein India Pale Ale klassisch: Kräuterige Aromen und dezente Fruchtaromen, im Wesentlichen auf eher bittere Schalen von Zitrusfrüchten fokussiert, machen seinen Charakter aus. Kein tropisches Obstkörbchen, sondern eher klassische Braukunst. Der Antrunk ist recht weich, die Karbonisierung niedrig. Das Bier gibt sich handzahm. Auf der Zunge explodiert dann aber die Bittere. Zwar bringt das Bier auch einen schönen Malzkörper mit einer ordentlichen Portion Restsüße mit, aber um das zu bemerken, muss ich bewusst hinschmecken. Im Vordergrund und damit das Bier prägend ist nur Hopfenbittere zu spüren. Diese allerdings ist nicht unangenehm. Sie ist weder kratzig noch rau – einfach nur ungeheuer intensiv. Der Boxhandschuh ist also gepolstert und mit Samt überzogen … Retronasal zeigen sich dieselben Aromen wie orthonasal – dezente Kräuter, ein paar Zitrusschalen.  Vielleicht noch ein Hauch Heu? Ähnlich deftig gebiert sich das Bier auch nach dem Schluck. Die herzhafte Bittere belegt den ganzen Rachenraum und hält sich dort tapfer. Reichliche Speichelströme vermögen sie nicht wegzuspülen – aber auch hier: Sie bleibt weich und wird weder rau noch kratzbürstig. Ein Bier also, das sich seiner Wucht bewusst ist und von dem man lange was hat.

La Calavera – Profound – Imperial Stout Aged in Islay Peated Whisky Barrels (13,0%)

Kommen wir wieder zurück zum Thema Fassreifung. Darauf sind die Jungs bei La Calavera schließlich besonders stolz, wie sie mir erzählt und gezeigt haben. Ich musste unbedingt mit in die benachbarte Halle, obwohl es dort außer großer Unordnung nicht als Holzfässer zu sehen gab …

Das Profound fließt viskos, fast schon ölig-zäh ins Glas, ist tiefschwarz und absolut blickdicht. Lediglich der Bodensatz in der Flasche zeigt an, dass das Bier unfiltriert und daher trüb ist – optisch hätte ich das nicht feststellen können. Schaum entwickelt sich eigentlich keiner. Die wenigen, hellbraunen Bläschen wird ja wohl niemand „Schaum“ nennen wollen. Der Duft ist intensiv und betörend. Sehr dominante Vanille-Aromen, etwas Whisky und etwas Torf rieche ich, und verstohlen schaue ich auf das Etikett. Ob hier Vanille extra hinzugegeben worden ist? Aber die Zutatenliste beschränkt sich auf Wasser, Gerstenmalz, Hopfen und Hefe. Kein Pastry-Stout. Kommt also alles aus den Fässern!

Weich und kremig fließt das Bier über die Lippen, und auf der Zunge macht sich eine dicke, klebrige Malzsüße breit. Eigentlich hätte ich jetzt zusätzlich noch eine kräftige Röstbittere erwartet, aber … Fehlanzeige. Stattdessen steigen kräftige Malz-, Vanille-, Whisky- und Torfaromen auf und wandern rückwärts durch die Nase, wo sie ein kräftiges Feuerwerk abbrennen. Und erneut stelle ich fest: Es wirkt wie ein Pastry-Stout, auch wenn es ohne solche Zusätze gebraut ist. Der Schluck bleibt zuckrig süß und klebrig, fast schon bappig. Lange halten die Aromen an, werden jetzt sogar noch ein wenig durch eine saubere alkoholische Note ergänzt. Keine höheren Alkohole, keine Ester, sondern einfach nur der hohe Alkoholgehalt von dreizehn Prozent ist es, der jetzt spürbar wird – und zwar nicht nur durch eine schöne Wärme in der Speiseröhre, sondern auch olfaktorisch. Man riecht den Alkohol jetzt schon spürbar. Spritig wirkt das Bier dadurch noch nicht, aber viel stärker dürfte es nicht sein – dann würde es inhomogen.

So, wie es ist, ist es aber eine sehr angenehme Trinkerfahrung. Eine, die allerdings rasch sättigt, und insofern ist eine kleine 0,375er Flasche für zwei Personen auch völlig ausreichend.

La Calavera – Walking Coelliacs – Pale Ale Gluten Free (5,5%)

Ein glutenfreies Pale Ale – da bin ich mal gespannt. Meistens sind diese Biere mit Hirse und anderen exotischen Cerealien gebraut und schmecken unausgewogen. Auf dem Etikett ist nur von „Malz“ die Rede, ohne das Getreide näher zu spezifizieren, und zur Glutenfreiheit heißt es dort „Gluten inferior a 20ppm.“ Ohne Hinweis darauf, mit welcher Methode dieser Grenzwert eingehalten wird.

Das Bier ist strohgoldfarben und nur ganz leicht getrübt. Der Schaum ist schneeweiß und die Gleichmäßigkeit der relativ großen Bläschen erinnert ein bisschen an Spülmittelschaum. Der Duft ist süßlich, ein bisschen parfümiert (aber nicht unangenehm) wirkend – er erinnert entfernt an Rosenöl. Ob das Geraniol ist? Der Antrunk ist nur leicht spritzig, weist aber trotzdem eine feine pfeffrige Schärfe auf. Auf der Zunge spüre ich Süße und Bittere gleichzeitig – die Restsüße ist jetzt nicht übermäßig hoch, aber doch spürbar, und die Bittere hält sich für ein Pale Ale durchaus noch im Rahmen. Mehr wäre machbar, weniger ginge zur Not auch noch. Retronasal ist das parfümartige Rosenaroma wieder da, wird jetzt aber von herben Zitrusschalenaromen ergänzt, die den etwas kernigeren Hintergrund zu den Rosenblüten liefern. Mir gefällt es durchaus, ich kann mir aber vorstellen, dass mancher Biertrinker das als zu parfümiert ablehnen wird. Nach dem Schluck wird die Bittere präsenter, die Süße und das Parfümierte klingen hingegen ab und machen Platz für etwas Heu. Es bleibt ein leicht trockener Rachen und das Gefühl, dass ich definitiv schon schlechtere glutenfreie Biere getrunken habe.

La Calavera – Sometimes I Philly – Fruited Sour with Blueberry, Fermented with Lachancea SPP (5,2%)

Fermented with Lachancea SPP? Das ist mal was Anderes. Diese thermotolerante Hefe, die während des kurzen, sehr aktiven Gärprozesses (deutlich über 20°C) auch etwas Milchsäure produziert und nicht zu den Saccharomyces-Stämmen gehört, erspart es den Brauern und Brauerinnen, mit Sauermalz oder Milchsäurebakterien zu hantieren.

Das Bier hat eine dunkelrosa Farbe wie Pink Grapefruit, ist leicht trüb und entwickelt einen zart roséfarbenen Schaum, der allerdings nicht sehr lange hält. Der Duft ist leicht fruchtig und erinnert ein bisschen an dunkle Beeren (Blaubeeren, dunkle Stachelbeeren), hat aber auch eine dezente, nicht unangenehme erdige Note im Hintergrund – fast wie eine Handvoll frisch ausgebuddelter Walderde. Der Antrunk ist dezent säuerlich und spritzig, ein Eindruck, der sich auf der Zunge verstetigt und sachte verstärkt. Die retronasalen Aromen greifen das Spektrum des Dufts wieder auf – dunkle Beeren und etwas Walderde. Bitterkeit ist so gut wie gar nicht zu spüren. Der Schluck verbreitet die Säure auch im Rachen und zieht die retronasale Aromatik in die Länge. Angenehm. Aber auch hier: Bittere? Eigentlich nicht. Ein interessantes Bier!

Madarikatua – Lichtenhainer with Pear and Raspberry (mit der Bidassoa Basque Brewery); Samsara – Imperial Black Pastry Sour – with Vanilla and Lactose Aged in Rum Barrels; Resistir és Vencer – Apricot Sour; Kerosene – Belgian Saison; Lost in Galaxy – Mixed Fermentation Sour Ale Aged in Rum Barrels with Red Fruits (mit der Orbital Space Beers); Regress No Way – Sour Aged in Red Wine Barrels

La Calavera / Bidassoa Basque Brewery – Madarikatua – Lichtenhainer with Pear and Raspberry (5,0%)

Dieses Bier ist zusammen mit der Bidassoa Basque Brewery kreiert worden – und zunächst lässt mich der Ansatz die Stirn runzeln: Ein Lichtenhainer, also ein Rauchweizen, mit Birne und Himbeere? Ob das eine harmonische Kombination ergibt? Der Name Madarikatua lässt Schlimmes befürchten, bedeutet dieses Wort doch auf Deutsch „verdammt“ oder „verflucht“.

Im Glas zeigt sich das Bier dunkelgelb mit einem orangenen Ton, einer schönen, gleichmäßigen Trübe und mit relativ wenig und nicht sehr lange haltbarem Schaum. Der Duft weist eine feine Säure als Grundton auf, darüber schweben ein paar Himbeerakzente und ein feines, dezentes Raucharoma. Der spritzige und spürbar säuerliche Antrunk leitet über zu einer recht kräftigen Säure auf der Zunge, die – für mich persönlich sehr überraschend, weil ich die Kombination Rauch und Säure sonst hasse – sehr angenehm vom dezenten Rauchcharakter aufgefangen und ausbalanciert wird. Zwischen den feinen Raucharomen kommen erneut Himbeerakzente zum Vorschein und wandern retronasal durch die Nase. Ich lasse das Bier auf der Zunge kreisen, und nach einem Moment … ja, da kommt ganz, ganz fein auch noch etwas Birne hinzu. Oder bilde ich mir das nur ein? Ist es nur Placebo-Birne, weil ich halt weiß, dass Birne mit drin ist? Nach dem Schluck klingt die Säure recht rasch ab, übrig bleiben etwas Rauch, ein paar ganz leichte Fruchtaromen und ein ganz leicht pelziges Gefühl auf den Schleimhäuten, letzteres aber nicht unangenehm.

Hatte ich beim Stichwort Lichtenhainer an Rauch und Säure gedacht und den schon häufig erlebten „Kabelbrand in der Essigfabrik“ befürchtet, so überrascht mich dieses Bier jetzt sehr positiv!

La Calavera – Samsara – Imperial Black Pastry Sour – with Vanilla and Lactose Aged in Rum Barrels (10,5%)

Mal wieder ein klassisches „Ölwechsel-Bier“. Dickflüssig, schwarz, zäh, viskos fließt es ins Glas. Absolut schaumlos. Blickdicht. Der Duft ist leicht säuerlich mit Noten von kräftigem Rotwein, Vanille und etwas Rum. Der Antrunk ist dickflüssig und recht kräftig säuerlich, die Säure ist aber in eine kremige Matrix eingebettet und dadurch ganz, ganz weich. Ein Jahrzehnte alter Balsamico ist nix dagegen. Auf der Zunge setzt sich der Eindruck ganz harmonisch fort – eine kräftige, aber samtig weiche Säure, kräftige Rotwein- und Rumaromen, darüber tänzeln feine Vanille-Akzente ein Ringelreihen. Erst nach dem Schluck kommen ein paar Dunkelmalzaromen hinzu, ein ganz, ganz leichter Hauch von Röstaromen macht sich entfernt bemerkbar, und nur in diesem Moment könnte ein unbedarfter Genießer zum ersten Mal den Verdacht bekommen, dass es sich bei diesem Getränk tatsächlich um ein Bier handelt. Alles andere vorher deutet eher auf einen ungewöhnlichen, im Rumfass ausgebauten Portwein oder schweren Madeira hin. Ein faszinierendes Bier, allerdings auch eines, bei dem ob seiner (vorzüglichen!) Aromenintensität eine kleine Flasche von 0,375 l für zwei Personen genug ist. Durchtrinkbar ist’s nicht.

La Calavera – Resistir és Vencer – Apricot Sour (5,0%)

Ein Sauerbier. Ein richtig kräftiges Sauerbier. Soviel schon mal vorneweg. Eins von der Sorte, die mir nur schmeckt, wenn ich das passende dazu esse. Heute einen Sommersalat mit Zitronen-Essig-Dressing. Dann geht’s.

Das Bier ist hellorangefarben, gleichmäßig trüb, und das bisschen Schaum, das sich bildet, fällt in Windeseile wieder in sich zusammen. Übrig bleibt ein Glas voll, tja, wie sieht das denn aus? Wie Mandarinenlimonade? Ja, so ungefähr. Alle anderen Assoziationen, die ich habe, erinnern eher daran, wie es aussieht, wenn man in der Urologie ein Glas vom Vortag findet …

Der Duft versöhnt mit der Optik. Säuerlich, aber herrlich fruchtig. Aprikosen, ganz intensiv, aber auch etwas Passionsfrucht dahinter. Der Antrunk geht in die gleiche Richtung. Intensive Säure, die beim Auftreffen des Biers auf die Zunge regelrecht zu explodieren scheint, gleichzeitig aber auch intensive Fruchtaromen durch den ganzen Mundraum schießt. Wie der unbedarfte Biss in eine unreife Aprikose. Und so bleibt es auch über den Schluck hinweg. Eine kräftige Säure, ebenso kräftige Aprikosenaromen und eigentlich keine wahrnehmbare Bittere. Die Säure haftet noch ein wenig und klingt nur langsam ab, und auch die Aprikose bleibt im Nachgeschmack noch sehr lange erhalten.

Zum sauer angemachten Salat fein, ansonsten vermutlich viel zu intensiv. Und: Mit Bier hat das von der Sensorik her nichts zu tun. Weder Malz noch Hopfen lassen sich sensorisch identifizieren.

La Calavera – Kerosene – Belgian Saison (5,3%)

Im Glas steht das Bier dunkelgelb, es ist kräftig trüb, und wenn man genau hinsieht, schwimmen kleine Flöckchen im Bier – Hefe, Hopfen oder Eiweiß oder was auch immer. Der Schaum ist schneeweiß und kremig, aber nur eine dünne Schicht hält sich etwas länger. Der Duft ist, wie es sich für ein „richtiges“ Saison geziemt, leicht phenolisch und von der Saison-Hefe geprägt. Er mäandriert zwischen fruchtig und gewürzartig hin und her, ist sehr komplex und manchmal ein kleines bisschen rau. Genau, wie es sein soll. Der Antrunk ist spritzig, ein bisschen pfeffrig und frisch, und auf der Zunge finden sich eine leichte Restsüße und ein herb-phenolischer Charakter zusammen. Die würzigen, zum Teil leicht fruchtigen Aromen, die retronasal spürbar sind, geben eine feine Leichtigkeit, aber ich spüre auch einen Hauch von ätherischer Frische, die hervorragend zu der angenehmen Bittere passt, die sich nun zu entwickeln beginnt. Der Schluck intensiviert dieses Aromenspiel noch weiter. Stachelbeeren, saure grüne Früchte, Kümmel, Anis, Gewürznelke und italienische Kräuter glaube ich, zu identifizieren, und je länger ich hinrieche, um so komplexer wird das Erlebnis. Und es hält lange über den Schluck hinaus an.

Ein Bier, das ob seiner Frische bei den derzeitigen sommerlichen Temperaturen bequem weggeext werden kann, das aber auch ein konzentriertes, bewusstes Innehalten und langsames Verkosten erlaubt. Gewissermaßen das Schweizer Taschenmesser unter den Bieren. Ich bin beeindruckt!

La Calavera / Orbital Space Beers – Lost in Galaxy – Mixed Fermentation Sour Ale Aged in Rum Barrels with Red Fruits (8,5%)

Kräftig kupferfarben, klar und ohne jegliche spürbare Spundung fließt das Bier wie Apfelsaft ins Glas. Und sieht dann auch so aus. Der Duft ist erdig und ledrig mit vielen dunklen, fast dumpfen Noten, die einerseits mit einer gewaltigen Komplexität begeistern, andererseits aber auch schon auf einen hohen Säuregrad hinweisen. Die dunklen Früchte und einen Einfluss der Rum-Fässer, in denen dieses Bier ausgebaut ist, rieche ich allerdings nicht. Der Antrunk ist zunächst mal sauer. Nicht säuerlich, sondern richtig kräftig sauer. SAUER. RICHTIG SAUER. Puh. Da treten erstmal alle feinen Nuancen nach hinten weg. Trotzig spüle ich meinen ganzen Mundraum mit dem ersten Schluck und merke dabei, wie die Speicheldrüsen zu Hochform auflaufen. Erst zieht sich alles zusammen, dann fließt der Speichel. Und so langsam kommen erste Aroma-Nuancen hervor. Ein paar Holznoten, leicht vanillig. Dahinter ein kleines bisschen Waldbeere oder Brombeere. Ansonsten aber wieder die erdigen und ledrigen Noten, die ich schon beim Schnuppern am Glas identifiziert habe. Der Schluck verstärkt all diese Eindrücke, und zwar sowohl die Aromatik als auch die Säure. Selbst die Stimme wird rau nach dem Schluck. Nein, ich habe mir in den letzten Tagen mit zahlreichen Sauerbieren viel Mühe gegeben, mich an die pH-Werte zu gewöhnen, aber das hier ist ein bisschen zu viel. Wohl wissend, dass eine Stufe im pH-Wert gleich einer Änderung der Wasserstoff-Ionen-Konzentration um eine Zehnerpotenz bedeutet, behaupte ich trotzdem: Das ist eine ganze Stufe zu niedrig, also zu sauer. Nix für mich. Ob das wohl besser geworden wäre, hätte ich die Flasche noch ein paar Jahre liegenlassen? Oder hätten die Brauer es noch ein paar Jahre im Fass reifen lassen? Ich weiß es nicht …

La Calavera – Regress No Way – Sour Aged in Red Wine Barrels (8,5%)

Nach vorsichtigem Einschenken steht das Bier leuchtend kupferfarben und ganz klar im Glas; obenauf bildet sich ein feines weißes Schaumhäutchen, das aber noch gar nicht richtig verdient, Schaum genannt zu werden. Der Duft ist säuerlich, enthält ein paar Noten von sehr trockenem Rotwein und einen Hauch von Vanille. Der Antrunk ist kräftig sauer, auf der Zunge macht sich die Säure rasch breit und paart sich mit kräftigen und leicht adstringierenden Noten von Rotwein beziehungsweise sauren roten Weinbeeren. Nachdem ich den Bodensatz in der Flasche aufgeschüttelt und ebenfalls eingegossen habe, wird das Bier natürlich deutlich trüb, sein Aroma wird etwas weicher, und im Mund tritt die Säure jetzt ein paar Schritte zurück. Die Rotweinaromen werden viel intensiver, das adstringierende Gefühl lässt etwas nach, und der Gesamteindruck wird viel runder und ausgewogener. Jetzt ist mir auch nicht mehr vor dem Schluck bang. Mit einer balsamicoweichen Säure rinnt das Bier den Rachen hinab, entwickelt herbe Aromen von roten Weinbeeren und klingt dann sehr langsam ab. Die Säure verliert an Aggressivität, ist aber trotzdem noch deutlich spürbar.

Choose Your Heaven – Hoppy Sour with Citra, Mosaic and Simcoe; Hell to Glass – Imperial Stout – Aged in Whisky Barrels with Chile Chipotle (mit den Drunken Bros); Tequila Sunrise – Imperial Gose Aged in Tequila Barrels; Shake Your Booty – Imperial Milk Stout con Cacao (mit der Cierzo Brewing)

La Calavera – Choose Your Heaven – Hoppy Sour with Citra, Mosaic and Simcoe (5,5%)

Das Bier hat eine dunkelgelbe Farbe, ist deutlich trüb, und es schwimmen ein paar Krümel im Glas herum. Der Schaum ist schneeweiß, entwickelt sich ob der sehr kräftigen Spundung zunächst sehr gut, fällt dann aber doch recht rasch zusammen. Der Duft ist im ersten Moment badezusatzzitronig, und erst beim weiteren Schnuppern wird er etwas komplexer, präsentiert nicht nur Zitrusfrische, sondern auch ein paar Zitronenschalen- und Pampelmusenschalenaromen mit der ihnen eigenen Bittere. Der Antrunk ist spritzig, frisch säuerlich wie eine Zitronenlimonade, und gibt sich auch auf der Zunge ähnlich: Es bizzelt fröhlich, der Körper ist extrem schlank, von Malzsüße ist eigentlich nichts zu ahnen. Während die frischen Zitronenaromen und die etwas behäbigeren Zitrusschalenaromen retronasal auf sich aufmerksam machen, nutzt eine leichte Hopfenbittere die Gelegenheit, sich einen Platz auf der Zunge und im Rachen zu sichern: „Hier, ich bin auch noch da!“ Aber der Ruf ertönt zu laut – sofort macht sich die Zitrusfrische dran, die Bittere wieder von den Schleimhäuten zu spülen, und der Zitronenlimonadencharakter gewinnt wieder die Oberhand. Ein Bier für den Genuss auf der Liegewiese im Freibad – da kann es den Klassiker „Capri-Eis Orange“ gut ersetzen.

La Calavera & Drunken Bros – Hell to Glass – Imperial Stout – Aged in Whisky Barrels with Chile Chipotle (13,0%)

In Zusammenarbeit mit den Drunken Bros aus der Nähe von Bilbao ist dieses Bier entstanden. Es ist nach mehreren Sauerbieren jetzt wieder ein Motorölbier.

Damit ist der optische Eindruck auch schon abschließend beschrieben: Tiefschwarz, zähflüssig, vermutlich (weil ungefiltert) auch trüb, aber wer sieht das schon im tiefen Schwarz? Schaum gibt’s keinen; lediglich ein paar winzige Kohlensäurebläschen arbeiten sich durch die viskose Flüssigkeit langsam nach oben, steigen endlich aus der Flüssigkeit empor, ringen kurz nach Luft und platzen. ohne weiteres Aufsehen zu erregen. Der Duft ist überraschend zurückhaltend. Ein paar dezente Röst- und Bitterschokoladenaromen, aber nur ganz schwach. Etwas Vanille vom Holz. Vom Whisky wiederum fast gar nichts. Erst später, als das Glas fast leer ist, das Bier warm, da meldet sich jetzt doch ein bisschen der Whisky mit ganz zarten Raucharomen. Der Antrunk ist viskos, klebrig und süß, ebenso der erste Eindruck auf der Zunge. Dann aber steigen, eingebettet in eine intensiv alkoholische Matrix, ein paar Whiskyaromen auf, kreiseln einmal über die Zunge und wandern dann retronasal über die Sinneszellen in der Nase. Schön! Auch die Vanille kommt jetzt gut zur Geltung. Gleichzeitig beginnt sich eine süßliche Schärfe am Gaumen breit zu machen. Letztere wird dann nach dem Schluck sehr intensiv. Hand in Hand mit dem hohen Alkoholgehalt erzeugt sie zunächst eine angenehme Wärme, einige Augenblicke später eine kräftige Schärfe. Gerade noch nicht unangenehm, aber stärker dürfte der Effekt nicht sein. Ein Bier für winzige Schlucke und ganz langsamen Genuss. Am besten zu einem Vanilleeis oder ein paar Stückchen weißer Schokolade.

La Calavera – Tequila Sunrise – Imperial Gose Aged in Tequila Barrels (10,6%)

Sauer oder nicht? Das ist die Frage, die sich mir nach Lektüre des Etiketts stellt. Manche interpretieren den Stil Gose sehr in Richtung Sauerbier, andere legen eher auf die Mineralität Wert. Und was ist überhaupt eine Imperial Gose? Ich bin sehr neugierig!

Das Bier ist dunkelkupferfarben, fast schon wie ein Waldhonig. Es ist leicht trüb und entwickelt keinerlei Schaum. Der Geruch vereinigt frische Tequilaromen mit (zur Farbe passenden) warmen, würzigen Honignoten zu einer merkwürdigen, aber nicht unangenehmen Melange. Der Antrunk bringt ein wenig Säure, ist ansonsten aber kremig weich und weist keinerlei Rezens auf. Auf der Zunge wird die Säure ein bisschen kräftiger, und während sich einerseits die würzigen Honignoten deutlich bemerkbar machen, tritt plötzlich ein mineralischer Charakter hervor. Ach, was sage ich? Mineralisch? Nein, das darf man durchaus schon salzig nennen. Imperial hin oder her – ob das in dieser Intensität sein muss? Gose sollte einen leicht mineralischen Charakter haben und nicht wie eine isotonische Kochsalzlösung schmecken! Auch holzige Aromen werden jetzt sehr deutlich, sie entwickeln sich zusehends stärker, je wärmer das Bier wird. Alles ein sehr ungewöhnliches Zusammenspiel. Herausfordernd, nicht unbedingt harmonisch. Aber auch nicht untrinkbar. Interessiert schmecke ich dem Schluck hinterher und frage mich, was da noch alles kommt. Die Holzaromen nehmen jetzt die Säure auf, fügen sich ein wenig zusammen, und während das Bier die Speiseröhre hinunterfließt, spüre ich eine deutliche Wärme. Noch kein Brennen, aber doch sehr eindeutig. Kommt es von der Säure? Oder von den 10,6% Alkohol? Oder von den ätherischen Tequilaaromen? Oder von allem zusammen? Jedenfalls ein Bier, von dem ich lange etwas habe – nicht nur, weil es sich lediglich in winzigen Schlucken genießen lässt …

Cierzo Brewing Co. & La Calavera – Shake Your Booty – Imperial Milk Stout con Cacao (11,0%)

Ein Collab, das in Zaragoza bei der Cierzo Brewing Co. entstanden ist – eine kleine, bunte Dose mit einem hochprozentigen Imperial Milk Stout. Ob das wieder so ein Motoröl-Bier ist?

Es fließt nicht ganz so viskos ins Glas wie einige der anderen La Calavera-Biere, die ich in den letzten Tagen getrunken habe, aber schon durchaus dickflüssig. Tiefschwarz ist es, deutlich trüb (das sieht man während des Einschenkens), und es bildet sogar ein ganz kleines bisschen hellbraunen Schaum aus. Und der hält sich anschließend überraschend lang! Der Duft kombiniert leichte Röst- und Mokkaaromen mit viel Kakao und ein wenig Vanille, aber ohne, dass das Ganze künstlich wirkt. Ein richtiges Pastry-Stout ist das also nicht. Der Antrunk zeigt eine deutliche Süße und eine feine, gut eingebettete Kohlensäure. Auf der Zunge wirkt das Bier ebenfalls sehr süß – es scheint eine beachtliche Menge an Lactose verwendet worden zu sein. Die retronasalen Aromen zeigen zuvörderst Kakao und Vanille, beides Zutaten, die auch auf dem Etikett aufgeführt sind. Die Röstaromen treten vorübergehend in den Hintergrund, präsentieren sich Augenblicke später aber wieder wohlgemut und unverdrossen – nach dem Schluck werden sie wieder richtig deutlich. Der Schluck ist kremig, süßlich, und ich spüre eigentlich neben dem dezent röstigen Mokka-Abgang keine Bittere. Was ich hingegen spüre, ist der Alkohol. Fast schon wirkt das Bier ein bisschen spritig – die elf Prozent hätten durchaus noch ein bisschen besser eingebunden werden können. Trotzdem ein sehr schönes Bettkantenbier, also ein Bier, das – auf der Bettkante genossen – gerade die richtige Bettschwere liefert, um rasch einzuschlafen.

no tenim rei – belgian quadrupel style ale aged in whisky barrels (mit der Poch‘s Cervesa Artesana); Revelation – Mixed Fermentation Belgian Style Aged in White Wine Barrels; Cuvée – Imperial Red Sour Aged in Oloroso Barrels

La Calavera & Poch‘s Cervesa Artesana – no tenim rei – belgian quadrupel style ale aged in whisky barrels (13,0%)

Ein Collab zwischen La Calavera und der nicht allzu weit entfernt in Castellfollit de la Roca gelegenen Brauerei Poch‘s Cervesa Artesana.

Die Flasche ist völlig lautlos beim Öffnen. Kein Zischen, kein Ploppen, kein gar nichts. Ruhig und völlig ohne Rezens, allerdings auch nicht zähflüssig viskos fließt das dunkelbraune Bier mit dem tiefroten Schimmer ins Glas. Es ist leicht trübe und bildet keinerlei wie auch immer gearteten Schaum aus. Der Duft passt zur Beschreibung des Biertyps: Vom belgischen Quadrupel hat das Bier den estrigen und an dunkle Trockenfrüchte erinnernden Geruch – Pflaumen in Madeira, Rumtopf oder ostfriesische Bohnensuppe sind die Assoziationen, die sich aufdrängen. Dahinter aber auch leichte Whisky- und Vanillearomen vom Whiskyfass. Insgesamt sehr komplex, aber trotzdem eingängig und nicht überfordernd. Der sehr weiche Antrunk bringt noch eine feine und ganz zurückhaltende Säure in das sensorische Spektrum ein. Auf der Zunge wird sie einen Hauch präsenter, ohne jedoch intensiv zu werden. Stattdessen drängen sich die Whiskynoten und die Vanille ein bisschen mehr nach vorne. Bitterkeit ist kaum zu spüren. Der Schluck ist im ersten Moment sehr weich, einen Augenblick später kommt aber die Säure ein wenig in den Vordergrund, während hinten im Rachen und in der Speiseröhre die 13,0% Alkohol durch eine feine Wärme auf ihre Existenz hinweisen. Ein sehr schönes und sehr komplexes Bier für den ganz langsamen und bewussten Genuss; eines, das aber trotz seiner Komplexität zugänglich bleibt.

La Calavera – Revelation – Mixed Fermentation Belgian Style Aged in White Wine Barrels (7,5%)

Glück gehabt – in Word und unter Nutzung der Standard-Schriftart geht der Name des Biers in eine Zeile. Gerade noch …

Im Glas schimmert das Bier rötlich gold und ist wunderbar klar, als sei es gefiltert. Schaum hingegen hat es überhaupt keinen. Jedenfalls keinen richtigen. Nur ein paar Blasen, die sich beim Einschenken kurz bilden, aber in wenigen Sekunden zerplatzen und verschwinden. Der Duft ist … komplex. Erdige, ledrige und pferdeschweißige Aromen, eine feine Säure, die beim Schnuppern schon den Speichel fließen lässt – das fängt schon mal sehr interessant an. Das finden übrigens auch die Fruchtfliegen, die nur Augenblicke nach dem Einschenken des Biers durch die offene Balkontür hereinfliegen und in ganzen Schwärmen das Glas und die Flasche umkreisen. Es erinnert mich an meinen Biologie-Leistungskurs vor 45 Jahren, als ich einen Kolben mit hunderten Drosophila melanogaster vergessen hatte, zu schließen und die Viecher überall im Klassenzimmer umhersausten …

Ich fische eine der Fliegen aus dem Glas und genieße den Antrunk. Deutlich sauer, das ja, aber die Säure ist weich und kremig. Auf der Zunge macht sie sich breit, lässt den Speichel gewaltig fließen, und währenddessen setzt das Bier viele, viele Aromen frei. Die erdigen und pferdeschweißigen Aromen treten etwas in den Hintergrund, die ledrigen hingegen kommen nach vorne. Und sie bringen was mit: Weinige Aromen nämlich, die offensichtlich aus dem vorbelegten Fass stammen, in dem dieses Bier ausgebaut worden ist. Hochinteressant. Nach dem Schluck klingt die Säure überraschend schnell ab, und es bleiben für eine ganze Weile weinige und ledrige Eindrücke haften, die auch nach dem letzten Schluck noch lange an dieses Bier erinnern.

La Calavera – Cuvée – Imperial Red Sour Aged in Oloroso Barrels (9,0%)

Jetzt habe ich eine ganze Weile kein Bier mit so langem Namen mehr gehabt – bestimmt schon seit einer Woche nicht …

Dafür bestraft mich dieses Bier auf andere Weise: Das Wachs, mit dem der Kronkorken überzogen ist, ist so zäh, dass ich es kaum runterbekomme. Ein einfaches Mit-viel-Kraft-den-Kapselheber-Ansetzen und den Kronkorken trotzdem ab zu hebeln, scheitert an der Größe des Kronkorkens. Nicht 26 mm, sondern 29 mm. Da stimmen die Proportionen nicht mehr, und der Flaschenöffner rutscht ab.

Ich wühle in der Schublade. Irgendwo habe ich noch den professionellen Kapselheber von KitchenAid. Rund ein Pfund schwer, ergonomisch geformt und außer zum Kronkorken-Abhebeln auch als Hieb- oder Wurfwaffe geeignet.

Jau, damit geht’s. Sogar ohne das Bier mit Wachskrümeln zu verhunzen.

Das Bier fließt ruhig und gleichmäßig ins Glas, Schaum bildet sich keiner. Die Viskosität ist höher als bei einem „normalen Trinkbier“, aber noch nicht so hoch wie bei den zähflüssigen Motorölbieren, also den Imperial Stouts oder ähnlichen. Die Farbe ist ein ganz dunkles Rubin; das Bier ist bei vorsichtigem Einschenken klar. Der Duft ist hochinteressant und komplex. Schwere weinige Noten stehen im Vordergrund, dahinter spüre ich aber auch holzige Akzente, etwas Vanille, dunkle und überreife Kirschen und Dörrpflaumen.

Der sehr weiche und runde Antrunk erinnert an einen süßen und schweren Rotwein; hier hat die Reifung im Oloroso-Fass ganze Arbeit geleistet. Unaufmerksam mal nebenbei getrunken, würde ich dieses Bier glatt für einen süßen Sherry halten können. Auf der Zunge verstetigen sich diese sherryartigen Eindrücke. Die kräftige Traube, die warmen, leicht holzigen Aromen, die Vanilleakzente – all das spielt vorzüglich zusammen. Die Säure, von der im Namen des Biers die Rede ist, ist sehr zurückhaltend und verschwindet hinter der kirschigen Süße. Der Abgang bringt mit einem leicht adstringierenden Gefühl und einer etwas deutlicher werdenden Säure den holzigen Charakter des Biers ein bisschen mehr in den Vordergrund, aber nur leicht und dezent.

Ein vorzügliches Genussbier. Trotz der ätzenden Versiegelung.

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